Samstag, 21. Oktober 2023

Steuerliche Maschwandisierung oder strahlende Zukunft?

>> Warnhinweis: Langer, schwer verdaulicher Artikel. Konsumation kann Ihnen den Tag verderben.<<

«Individueller Sonderlastenausgleich (ISOLA)». Können Sie mit diesem Begriff etwas anfangen? Nein? Sollten Sie aber, denn das wird für unsere Gemeinde zum zentralen Thema. Dann nämlich, wenn sich das Szenario verwirklicht, das Weiach zum Gschpänli der aktuellen Zürcher Steuerhölle macht: Maschwanden im Säuliamt, gelegen an der Südwestecke des Kantons an den Gestaden von Reuss und Lorze. Das ist die einzige Gemeinde, die aktuell aufs «Kantonsgemeindesozialamt» darf.

Auch für die normalen Subventionen (den Ressourcenausgleich, den auch Weiach infrastrukturbaubedingt ab 2024 im grossen Stil beanspruchen will) gilt das folgende Prinzip:

«Für die Bemessung der Zuschüsse ist neben der Steuerkraft pro Kopf auch der Steuerfuss der Gemeinde massgebend. Der Zuschuss fällt umso grösser aus, je höher der Gemeindesteuerfuss festgelegt wird. Hingegen werden Gemeinden, die ihre eigenen Ressourcen schonen können, in vermindertem Ausmass durch den Finanzausgleich unterstützt.»

Wer sich also selber in seine missliche Lage gebracht hat (da er seine Ressourcen bei besserem Haushalten hätte schonen können), der muss hier schon mit Abzügen rechnen. Aber wenigstens nicht mit faktischer Bevormundung.

Auf die Insel wollen sich nur wenige Finanzschwache retten

Auf der Webseite Instrumente des Zürcher Finanzausgleichs wird ISOLA als die ultima ratio von fünf Mechanismen zur Erreichung eines fairen Wettbewerbs unter den Gemeinden wie folgt erklärt:

«Der individuelle Sonderlastenausgleich (ISOLA) gleicht besondere Lasten aus, die von der Gemeinde nicht beeinflusst werden können. Voraussetzung dafür ist, dass die Gemeinde einen Steuerfuss festlegen muss, der das 1,3-fache des Kantonsmittels übersteigt.

Mit Sonderlasten sind überdurchschnittliche Aufwendungen gemeint, die bei einzelnen Gemeinden in bestimmten Aufgabenbereichen anfallen und nicht durch andere Instrumente bereits abgedeckt sind. Denkbar sind einmalige Ereignisse wie beispielsweise Sturm- oder Überschwemmungsschäden oder andauernde ausserordentliche Zustände wie ein überproportionaler Anteil an Sozialfällen oder die Notwendigkeit von Schülertransporten.

Instrumente des Zürcher Finanzausgleichs [Quelle: Kt. ZH]

Durch den individuellen Sonderlastenausgleich wird höchstens der Teil der Nettoaufwendungen abgegolten, der die Ausgleichsgrenze übersteigt (maximaler Beitrag). Die Ausgleichsgrenze entspricht den Nettoaufwendungen, die sich mit dem 1,3-fachen des Kantonsmittels der Gemeindesteuerfüsse decken lassen.»

Auch diese von den Stimmbürgern zu genehmigende Massnahme garantiert einer Gemeinde noch lange nicht, dass das kantonale Füllhorn über ihr ausgeschüttet wird:

«Damit Sonderlasten in einzelnen Aufgabenbereichen anerkannt werden, muss die Gemeinde den Nachweis erbringen, dass sie die Sonderlasten nicht beeinflussen und vermindern kann.»

Wie man den erbringt? Mittels der vielen Berechnungstools etc., die auf der Website aufgeführt sind und mit deren Hilfe eruiert wird, ob die antragstellende Gemeinde auch wirklich Anrecht auf diese «Sozialhilfe» hat oder nicht. Und Antrag darf auch nicht jeder stellen, denn auf einer weiteren Seite wird festgelegt:

«Anspruchsberechtigt sind politische Gemeinden, die im Ausgleichsjahr einen Gesamtsteuerfuss festsetzen müssen, der mindestens dem Ausgleichssteuerfuss entspricht. Im massgeblichen Jahr 2024 beträgt der Ausgleichssteuerfuss 130 % (provisorischer Wert).» 

Die einzige Landgemeinde, für die das nach 2023er-Steuerfuss-Liste zutrifft, ist Maschwanden. Und alle anderen werden sich hüten, den Steuerfuss nur deshalb auf dieses Niveau anzuheben, um ISOLA zu beantragen. Denn dann wird man vom Kanton besonders genau durchleuchtet. Mit der Lupe sozusagen (s. oben). Und man muss für jede Ausgabe nachweisen, ob man sie nicht auch vermindern könnte. Der Kanton redet dann letztlich im Detail drein. Wie bei einem Sozialhilfeempfänger. Ade Gemeindeautonomie. Trotz einem Steuerfuss, der auch locker weit über 130 % steigen kann. Denn ein Maximum ist beim Gemeindesteuerfuss nicht festgelegt. Der wird so hoch, wie er eben sein muss.

Strahlende Zukunft. Auch finanziell?

Glaubt man dem aktuell amtierenden Weiacher Gemeinderat, dann ist dieses ISOLA-Szenario völlig ausgeschlossen. Dann sind Bilder wie das einer gekenterten «MS Weiach» nicht nur degoutant und komplett daneben, sondern auch an den Haaren herbeigezogen. Denn nach seiner Darstellung ist die künftige Finanzlage nicht annähernd so dramatisch. Ganz im Gegenteil: Weiach hat eine strahlende Zukunft.

Liest man die Ausführungen der Firma Swissplan auf den Seiten Z1 und Z2 im Finanz-  und Aufgabenplan 2022-2026 (Stand 24. Oktober 2022), dann sieht das allerdings nicht annähernd so rosig aus (Unterstreichungen durch die Redaktion WeiachBlog):

«Im Steuerhaushalt resultiert mit einer Selbstfinanzierung von insgesamt 5,4 Mio. Franken ein Haushaltdefizit von sehr hohen 29,5 Mio. Franken. Die verzinslichen Schulden dürften um ca. 22,0 Mio. Franken zunehmen, womit die Obergrenze gem. Zielsetzung um mehr als das Dreifache überschritten wird.»  (S. Z1)

Die Zielsetzung des Gemeinderates war also ursprünglich auf eine Höhe von 3000 Franken Schulden pro Einwohner festgelegt. Und Swissplan weist nach, dass diese Limite bereits ab 2025 Makulatur ist.

Lesen wir etwas weiter unten auf der Seite weiter: 

«Die grössten Haushaltrisiken sind bei der weiterhin unsicheren konjunkturellen Entwicklung (Steuern und Finanzausgleich, Inflation und Zinsen), tieferen Kiesentschädigungen und/oder Grundstückgewinnsteuern, stärkeren Aufwandzunahmen oder ungünstigen gesetzlichen Veränderungen auszumachen.» (S. Z1)

Hört, hört! Tiefere Kiesentschädigungen als Risiko? Das liest sich aber im Beleuchtenden Bericht zum Bauprojekt «Zukunft 8187» ganz anders. Dort wird suggeriert, die Einnahmen würden auf Niveau Budget 2023 bleiben (d.h. 2 Mio. CHF p.a.) und das durchgehend bis 2035. 

Es werden jedes Jahr über 1.2 Millionen fehlen!

Auf der Seite Z2 geht es dann vollends ans Eingemachte. Da schreibt Swissplan:

«Die Planung ist geprägt durch den Schulhausneubau (30,0 Mio. Franken). Steigende Aufwendungen, vor allem im Bereich der Pflege, der gesetzlich wirtschaftlichen Hilfe sowie bei der Verwaltung belasten die Erfolgsrechnung. Ab 2026 setzen die Folgekosten des Schulhausneubaus ein. Ab diesem Zeitpunkt dürften ohne Steuerfusserhöhung Aufwandüberschüsse von über 1,2 Mio. Franken resultieren. Das betriebliche Ergebnis (ohne Finanzergebnis und Kiesentschädigungen) zeigt zu diesem Zeitpunkt ein Minus von 3,6 Mio. Franken. Mit Massnahmen auf der Aufwandseite (straffer Haushaltvollzug, evtl. Leistungsüberprüfung und ‐verzicht) sollen Verbesserungen erzielt werden oder es fallen höhere Erträge (z.B. Grundstückgewinnsteuern, Kiesentschädigungen) an. Die angedachte  Steuerfusserhöhung  von  sechs Prozentpunkten ist bei Annahme des Projektes an der Urne rasch umzusetzen. Weitere Erhöhungen sind längerfristig nicht auszuschliessen.» (S. Z2)

Heisst: Rauf mit den Einnahmen und runter mit den Kosten. Und zwar radikal. Denn es ist keineswegs sicher, dass die Grundstückgewinnsteuern weiter so hoch bleiben wie bisher. Oder die Kiesgelder so fliessen wie man sich das im Gemeindehaus vorstellt. 

Swissplan empfiehlt eigentlich nichts anderes als das, was die Rechnungsprüfungskommission dem Gemeinderat auch bei der Rechnungsabnahme 2022 ins Stammbuch geschrieben hat (vgl. WeiachBlog Nr. 1938 und 1941).

Aufrufe zum Masshalten: Regierungsrat 1973 / Swissplan 2022

Dass die Weiacher mit ihren Schulhausbauvorhaben in den letzten Jahrzehnten eher am oberen Rand des Tragbaren liegen, kann man sowohl aus einem Regierungsratsbeschluss zur Genehmigung der bestehenden Anlage Hofwies schliessen (vgl. WeiachBlog Nr. 1988) wie auch aus den nachfolgenden Zeilen der Swissplan:

«Die Schuldenobergrenze gemäss finanzpolitischer Zielsetzung wird um hohe 15,6 Mio. Franken überschritten. Mit einer Verschuldung von über 9'000 Fr./Einwohner wird eine im Vergleich sehr hohe Verschuldung erwartet. Eine konsequente Priorisierung der Investitionsplanung ist notwendig, um den Substanzverzehr zu bremsen. Das anstehende Grossprojekt sollte falls möglich optimiert werdenFalls sich das wirtschaftliche Umfeld ungünstig entwickeln würde, wären weitere Massnahmen vorzusehen.» (S. Z2)

Man muss sich beim Lesen dieses Berichts vergegenwärtigen, dass die Firma Swissplan im Auftrag des Finanzvorstandes der Gemeinde Weiach arbeitet. Es gilt also das alte Sprichwort: «Wes' Brot ich ess', des Lied ich sing'». Unter diesem Aspekt sind die obigen Ausführungen in ihrer Schärfe mehr als bemerkenswert.

Und was steht davon im Beleuchtenden Bericht zum Bauprojekt «Zukunft 8187»? Die hier zwar fachchinesisch verklausuliert, aber doch deutlich angesprochenen Risiken werden dort nicht einmal ansatzweise angedeutet.

Zusätzliche Finanzierungsmassnahmen geplant?

Und nun hat also der Gemeinderat am 29. September eine Medienmitteilung zum Budget 2024 publizieren lassen, die von euphemistischen Formulierungen geradezu strotzt. Da heisst es in der Zusammenfassung:

«Der Gemeinderat hat das Budget 2024 mit einem Ertragsüberschuss von 22'340.34 Franken verabschiedet. Weiach zeigt mit dem Budget 2024 weiterhin eine solide Basis. Diese bei den anstehenden hohen Investitionen, vorwiegend für das Gemeindeinfrastrukturprojekt, zu bewahren, ist eine Herausforderung. Der Gemeinderat plant deshalb zusätzliche Finanzierungsmassnahmen.»

Das tönt doch super, nicht wahr? Eine Triple-A-Firma, die kurz davor ist, die Weltmarktführerschaft zu erringen. Und natürlich ist jeder Anleger, pardon: aktuelle und künftige Steuerzahler, sehr interessiert daran, wie sich denn der Gemeinderat die Finanzierung vorstellt.

Und dann liest man die eigentliche Medienmitteilung (PDF, 102 KB)... und wird nicht fündig:

«Im Budget enthalten», heisst es da, «sind 900'000 Franken als Einlage in die finanzpolitische Reserve sowie eine Steuerfusserhöhung von sechs Prozent von 67 Prozent auf neu 73 Prozent. Die Steuerfusserhöhung und die finanzpolitische Reserve sind wichtig, um die zukünftigen hohen Investitionen zu finanzieren. Der Gemeinderat hat bereits im Beleuchtenden Bericht zur Urnenabstimmung vom 18. Juni 2023 erwähnt, dass die Finanzierung des Gemeindeinfrastrukturprojekts (inkl. Schulraumerweiterung) von 28,3 Mio. Franken mit eigenen Mitteln von über 12 Mio. Franken und durch Aufnahme von Fremdkapital in der Grössenordnung von rund 16 Mio. Franken sowie mittels einer Steuerfusserhöhung von 6 Prozent zu erfolgen hat. Im verabschiedeten Budget 2024 wurde somit die Steuerfusserhöhung berücksichtigt und der Mehrertrag durch die Steuereinnahmen wird vollumfänglich in der politischen Reserve ausgewiesen.

Für 2024 ist ein Steuerertrag von rund 3 Mio. Franken budgetiert. Das sind rund 300'000 Franken mehr als im Vorjahr. Die Grundstückgewinnsteuern werden mit 700'000 Franken budgetiert, ebenfalls 300'000 Franken mehr als im Vorjahr. Der Finanzausgleich wird aufgrund der Weiacher Steuerkraft und des geschätzten kantonalen Mittels mit 2,1 Millionen Franken budgetiert, 0,1 Millionen Franken mehr als im Vorjahresbudget.»

Unverwüstlicher gemeinderätlicher Optimismus gerechtfertigt?

Der Optimismus des Gemeinderates punkto Wirtschaftsentwicklung ist bemerkenswert. In einer Zeit, wo gerade in unserem nördlichen Nachbarland Massnahmen umgesetzt werden, die ziemlich unverblümt das Ziel verfolgen, die Wirtschaft zwecks Klimaschutz radikal einzubremsen, geht unser Gemeinderat davon aus, dass dies keine negativen Auswirkungen auf die Steuerkraft der Weiacherinnen und Weiacher haben wird. Frei nach dem Motto: Gehen Sie bitte weiter, hier gibt es keine Risiken.

Erst recht schwindlig wird einem bei der Grundstückgewinnsteuer, für die der Gemeinderat beinahe eine Verdoppelung vorsieht. Hat man da das seit Jahren geplante Bauvorhaben am Alten Bahnhof im Auge? Und wenn ja, wie kann man da so sicher sein, dass die Handänderungen 2024 wirksam werden?

Wenn bei den direkten Steuern wie den Handänderungssteuern der Ertrag sinkt, dann wird eine Einlage in die finanzpolitische Reserve schon einmal illusorisch. Mit Folgen für den Steuerfuss ab dem übernächsten Jahr. 

Priorisierung der Investitionsplanung: Fehlanzeige?

Aber wir haben die Medienmitteilung ja noch nicht ganz durchgelesen. Also weiter im Text:

«In der Investitionsrechnung Verwaltungsvermögen resultieren Nettoinvestitionen von 12'734'000 Franken. Wie bereits erwähnt, ist der grösste Kostentreiber im 2024 das Gemeindeinfrastruktur-Bauprojekt inkl. Schulraumerweiterung mit 10 Mio. Franken, sowie weitere infrastrukturelle Investitionen wie die Eindolung des Sagibachs mit 800'000 Franken und die Sanierung der Chälenstrasse inkl. Kanalisationsersatz mit 530'000 Franken (Aufzählung nicht abschliessend). In der Investitionsrechnung Finanzvermögen sind im Jahr 2024 Nettoinvestitionen von 150'000 Franken für die Sanierung des Baumgartner-Jucker Haus vorgesehen.»

Weiter oben hatten wir die explizite Empfehlung der Swissplan, die Investitionsplanung zu priorisieren. Wie passt das Obige (insbesondere die Klammerbemerkung!) zu dieser Mahnung? Und was wird die Rechnungsprüfungskommission dazu sagen?

Budgetversammlung am 7. Dezember?

Auch hier ist der Optimismus des Gemeinderates von Unerschütterlichkeit geprägt. Wie wenn es keinen Stimmrechtsrekurs geben würde, der noch weiss Gott wie lange beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hängig sein kann, geht man davon aus, 2024 mit «Zukunft 8187» beginnen zu können. Von anderen Verzögerungen ganz zu schweigen.

Passend dazu posaunt die gemeinderätliche Haus-und-Hof-Postille «Zürcher Unterländer» in aller Selbstverständlichkeit hinaus: «Das Budget wird am 7. Dezember vor die Gemeindeversammlung kommen.» (ZU, 29.9.2023, 14:30

Wenn man bis dahin allerdings keinen abschliessenden richterlichen Entscheid hat, der demjenigen des Bezirksrats Dielsdorf in allen Punkten folgt, wie will man dann begründen, dass man die Millionen jetzt schon braucht? Dann fehlt nämlich möglicherweise die Rechtsgrundlage für eine Steuererhöhung.

Doch zurück zur Medienmitteilung, deren letzter Abschnitt einen an einen Cartoon Horst Haitzingers von 1987 erinnert, in dem zwei EU-Beamte auf einer Strasse bis zum Bauch im Wasser stehen, und der eine zum anderen sagt: «Das muss man nicht gleich so panikmacherisch Hochwasser nennen, wir erhöhen halt etwas den Grenzwert für Feuchtigkeit!». Denn unsere Gemeindeväter und -mütter haben doch tatsächlich ihre bisherige Fremdverschuldungslimite um 66 Prozent angehoben:

Neue absolute Schuldenobergrenze aus dem Hut gezaubert

«Die Gemeinde Weiach ist aktuell noch schuldenfrei, die hohen Investitionen in den kommenden Jahren ändern dies aber. So betragen die Schulden Ende 2027 voraussichtlich etwa 20 Millionen Franken. Trotz der hohen Investitionen beabsichtigt der Gemeinderat, an seinem finanzpolitischen Ziel «absolute Schuldenobergrenze im allgemeinen Haushalt von 5'000 Franken pro Einwohnerin und Einwohner» festzuhalten. Die langfristige Finanzplanung bestätigt, dass die pro-Kopf-Verschuldung schon in wenigen Jahren wieder rückläufig sein wird. Eine konsequente Priorisierung der Investitionsplanung ist daher notwendig, um den Schuldenabbau nach den grossen Investitionen umsetzen zu können. Das detaillierte Budget sowie auch der Finanzplan 2023–2027 wird unter www.weiach.ch publiziert.»

Damit endet der Text der Medienmitteilung. Haben Sie etwas gesehen, was unter dem Titel «Zusätzliche Finanzierungsmassnahmen» verbucht werden könnte? Mehr dazu im letzten Abschnitt dieses WeiachBlog-Beitrags.

Wir halten fest: Schwupps werden aus 3000 neu 5000 Franken pro Kopf. [Oder reden die da nicht vom selben wie die Swissplan im Finanzplan 2022-2026? Wenn ja, dann bitte ich um Gegendarstellung.]

Es ist schon bemerkenswert, wie da mit Schuldengrenzen operiert wird. Immerhin nennen sie es noch «Schulden» und nicht wie in Deutschland «Sondervermögen», wenn in derart gigantischem Ausmass Fremdkapital aufgenommen werden muss.

Bestätigung einer rückläufigen Verschuldung?

Am Rande der Glaubwürdigkeit operiert die Marketing-Aussage, die langfristige Finanzplanung BESTAETIGE, dass die pro-Kopf-Verschuldung rückläufig sein WIRD! Sehen Sie Bauprojekte für Hunderte Neuweiacher? Haben die Gemeinderatenden eine Glaskugel, in der sie die wirtschaftliche Zukunft sehen können? Dann können wir von Glück reden, dass sie nicht längst an der Börse Millionen und Abermillionen gemacht haben und sich der mühseligen Ratsarbeit entledigen wollen.

Bisher wurde gemeinderätlicherseits implizit der Eindruck vermittelt, auch 9000 Franken Schulden pro Einwohner seien absolut gar kein Problem und völlig im Rahmen des Tragbaren. Massgebliche Anteile der Weiacher Stimmberechtigten scheinen dieses Verschuldungsproblem aber durchaus anders zu sehen. Darauf deutet allein schon der Umstand hin, dass am 18. Juni die Zusatzvorlage für eine Tiefgarage doch recht deutlich abgelehnt wurde. Und: Man darf davon ausgehen, dass etliche Stimmberechtigte sich bei einer Aufteilung der Hauptvorlage in einen Schulteil und einen Gemeindeteil dafür entschieden hätten, auch nur den ersteren zu genehmigen. 

«Zusätzliche Finanzierungsmassnahmen». Suche nach Einhörnern?

Hat die Führungscrew dieses Unternehmens namens Weiach die Lage noch im Griff? Warum werden hier keine konkreten Massnahmen verkündet? Warum wird so penetrant betont, wie gut es es noch gehe? Ist das bisher im Triple-A-Bereich geratete Weiach mittlerweile kein blue chip mehr, sondern gar auf dem besten Weg ein junk bond zu werden? 

Ob man die Anführungszeichen dereinst weglassen kann, das wird der Redaktor dieser Zeilen erst entscheiden, wenn das Budget dann endlich auch auf der Gemeindewebsite verfügbar ist. Vielleicht nicht einmal dann. Über die konkrete Natur dieser Massnahmen schweigt sich der Gemeinderat nämlich bis zum heutigen Tag völlig aus. 

Was könnte sich hinter diesem Begriff verbergen? Sparmassnahmen? Und wenn ja, an welchen Stellen? Oder eben doch: Neue Einnahmequellen? Erschliessung von bisher aus politischen Gründen nicht angezapften Ressourcen?

Hier ein paar Gedanken zur zweitgenannten Kategorie:

A. Kiesentschädigungen Hasli 

Wurden mit der Weiacher Kies AG Inkonvenienz-Entschädigungen pro abgebautem und per Lastwagen aus der künftigen Grube im Hasli über Weiacher Gemeindegebiet ins Hard transportiertem Kubikmeter Kies vereinbart? Sowohl Abbau wie Transport werden Emissionen an Staub und Lärm verursachen, die eindeutig zu einer Minderung der Lebensqualität und höheren Kosten führen. Ein Franken pro Kubikmeter würde zu mehreren Millionen in der Gemeindekasse führen. Eine kleine Summe, wenn man bedenkt, welch grosse Risiken (mit potentiell sehr hohen Schadensummen) nach Ablauf der Haftungsperiode der Weiacher Kies AG auf  das Gemeinwesen übergehen werden.

Hat sich die Gemeinde das Entgegenkommen gegenüber der Weiacher Kies AG entschädigen lassen, dass sie (wie vom Kanton gefordert) Flächen im Gemeindeeigentum im Umfang von mehreren Hektaren aus bisher landwirtschaftlich für produzierende Betriebe nutzbaren Flächen durch massive Eingriffe zerstören und in reine Naturschutzgebiete umwandeln lässt?

B. Neuverhandlung Schulanschlussvertrag Kaiserstuhl/Fisibach

Wird sich der Gemeinderat nun endlich dazu bequemen, mit den Gemeinden Zurzach und Fisibach die Frage der Entschädigungen pro nach Weiach entsandtem Schulkind neu zu verhandeln? Die RSA-Vertragsstruktur sieht nämlich lediglich einen Kostendeckungsgrad von 85% vor (vgl. WeiachBlog Nr. 1631), was dazu führt, dass Weiach schweizweit ziemlich allein dasteht mit diesem Konstrukt und sich vom Kanton Zürich wird vorwerfen lassen müssen, über Jahre hinweg sechsstellige Beträge verschenkt zu haben, wenn es dann darum geht ISOLA-Berechtigung zu erlangen.

Wird der Gemeinderat diese RSA-Verhandlungen dazu nutzen, einen langfristigen Vertrag mit den beiden obgenannten Gemeinden auszuhandeln, sodass beide Seiten Planungssicherheit haben und Weiach für die neue Anlage eine finanzielle Beteiligung in der Höhe von mind. 4 Millionen Franken erhält? (vgl. WeiachBlog Nr. 1939)

P.S.: Interne Kommunikation mit Prädikat mangelhaft

Wie oben erwähnt ist die Medienmitteilung am Freitag, 29. September verkündet worden. Die Mitglieder der RPK haben aber das Budget erst am Dienstag, 3. Oktober nach Mittag per e-mail zugestellt bekommen. War diese Medienmitteilung jetzt allen Ernstes derart zeitkritisch, dass man damit nicht mehr bis Dienstagabend warten konnte? Denn eigentlich würde man nach den Regeln der behördeninternen Kommunikation erwarten, dass diese (immerhin vom Volk gewählten) Amtsträger das Budget, über das gegenüber den Medien kommuniziert wird, bereits vorgängig erhalten haben. Ob gewollter Affront oder ungewollter Fauxpas: diese Aktion wirft Fragen auf und ist bei den RPK-Mitgliedern sicher nicht positiv angekommen.

[Veröffentlicht am 22. Oktober 2023 um 03:00 Uhr MESZ]

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