Am Dienstag geht es in einer ausserordentlichen Schulgemeindeversammlung um die Frage, ob der Schulanschlussvertrag zwischen Weiach auf der einen sowie Kaiserstuhl und Fisibach auf der anderen Seite gekündigt oder beibehalten werden soll. In diesem Zusammenhang schwirrt das Kürzel «RSA» für «Regionales Schulabkommen» herum. Eine kleine Orientierungshilfe.
1. Es geht auch ohne Abkommen
Man muss unterscheiden zwischen den Verträgen und den Abkommen. Von letzteren gibt es in der Schweiz mehrere. Dem Abkommen der Nordwestschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz RSA NW EDK (um dessen Fassung 2009 es im Folgenden geht) haben sich die Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Freiburg, Luzern, Solothurn, Wallis, Jura und Zürich angeschlossen (wobei Zürich nicht zur NW EDK gehört, sondern zur Ostschweizer Konferenz).
Dieses Abkommen für sich (ohne ergänzende Verträge) ermöglicht individuelle Lösungen, so zum Beispiel den Besuch eines weiterführenden Bildungsangebots in einem anderen Kanton durch einen einzelnen Schüler. Wenn der Wohnsitzkanton und der Standortkanton der Bildungseinrichtung diese Möglichkeit vorsehen, dann ist sie im Fall des RSA NW EDK im Anhang II zum Abkommen ersichtlich und wird auf Gesuch des betreffenden Schülers hin bewilligt.
Grundsätzlich kann eine Schulgemeinde mit einer Nachbargemeinde ennet der Kantonsgrenze auch ohne Abkommen zwischen ihren Kantonen eine Vereinbarung abschliessen, also ganz ohne RSA. Ein Beispiel für eine solche Lösung: die Gemeinden Erlinsbach SO und Erlinsbach AG in der Nähe von Aarau. Sie führen gemeinsam die Schule Erzbachtal und haben dafür einen Gemeindeverband mit eigener Rechtspersönlichkeit gegründet (vgl. dessen Satzungen).
Dass so etwas möglich ist, wird auch in der Aargauer Zeitung vom 5. Oktober 2013 explizit festgehalten:
«Gemäss Irène Richner vom kantonalen Departement Bildung, Kultur und Sport ist eine interkantonale Zusammenarbeit möglich. Diese kann von der einfachen Zuweisung von Schülern bis hin zur Bildung einer Kreisschule reichen. «Die Gemeinden könnten grundsätzlich selbstständig Schüler in ausserkantonale Schulen schicken – dann haben sie das Schulgeld jedoch selber zu bezahlen», so Richner. Weil die Kantone Aargau und Zürich jedoch dem Regionalen Schulabkommen RSA beigetreten sind, besteht die Möglichkeit, kantonsübergreifend von einzelnen Schulangeboten Gebrauch zu machen. Der Kanton übernimmt dann einen Teil der Kosten.» (Rohner 2013)
2. Die Regeln sind nicht in Stein gemeisselt
Für Fisibach und Kaiserstuhl wurden 2015 drei Verträge abgeschlossen, einer mit der Primarschulgemeinde Weiach, einer mit der Oberstufenschulgemeinde Stadel und einer mit der Kantonsschule Zürcher Unterland in Bülach.
In diesem Fall nehmen die Verträge das Abkommen als Grundlage. Sie regeln das, was im RSA nicht enthalten ist bzw. sein kann. Oder sie ändern dort festgelegte Vorgaben ab.
Wir halten fest: 1. Der Kanton übernimmt nur einen Teil der Vollkosten. 2. Abweichungen von den Vorgaben des RSA sind möglich.
Wenn also (wie das in der Diskussion der Situation, um die es am Dienstagabend geht) der Eindruck vermittelt wird, das Abkommen sei unabänderlich und es gebe keinen Handlungsspielraum, dann wird den Stimmberechtigten nicht reiner Wein eingeschenkt. Alles eine Frage des Willens.
3. Vollkosten-Erstattung kann vereinbart werden
Das RSA NW EDK regelt in einem Anhang I, der alle drei Jahre neu ausgehandelt wird, Standardentschädigungen pro Schülerin/Schüler für die gängigsten Kategorien von Ausbildungsgängen.
Vom 1.8.2015 bis 31.7.2017 lag der Kantonsbeitrag für Kindergärtner noch bei 8500 CHF, für Primarschüler bei 12000 CHF. In der Folgeperiode (1.8.2017-31.7.2019) wurden 9700 CHF für Kindergartenschüler und 13500 CHF für Primarschüler festgelegt. Aktuell liegen die Beiträge bis Mitte 2021 auf folgenden Niveaux:
«In Abweichung des ordentlichen Tarifs gemäss Anhang I zum RSA 2009 leistet der Kanton Solothurn dem Kanton Basel-Landschaft pro Schülerin oder Schüler pro Schulsemester einen Kantonsbeitrag in der Höhe der durchschnittlichen Vollkosten. Der jeweils geltende RSA Tarif entspricht 85 % der Vollkosten.» (SO 413.414, §2 Abs. 1, Stand: 1.8.2016)
Kantonsbeitrag AG 2019/21 | |||||
Kindergarten pro Kind und Jahr | 10'100 | 25% | 2'525 | ||
Primarstufe pro Schüler und Jahr | 13'600 | 75% | 10'200 | ||
12'725 | | ||||
Bei x Schülern | x=80 | 1'018'000 | |||
Bei Kostendeckungsgrad gem SO 413.414 von | 85% | ||||
Angemessene Entschädigung | 1'197'647 | ||||
Verlust pro Jahr | 179'647 | ||||
Verlust pro Kind u. Jahr | /80 | 2'191 |
«Auszubildende, die in eine ausserkantonale Schule aufgenommen werden, dürfen wegen Kündigung des RSA nicht von der Schule gewiesen werden; der zahlungspflichtige Kanton hat den Kantonsbeitrag bis zum Ende der ordentlichen Ausbildung weiter zu leisten». (RSA 2000 - Art. 20).
Im RSA 2009 ist diese Verpflichtung als Art. 19 in leicht veränderter Formulierung enthalten: «Kündigt ein Kanton das Abkommen oder streicht er die Zahlungsbereitschaft für einen Ausbildungsgang, bleiben seine Verpflichtungen aus diesem Abkommen für die zum Zeitpunkt des Austritts eingeschriebenen Auszubildenden weiter bestehen».
- Nordwestschweizerische Erziehungsdirektorenkonferenz NW EDK (ed.): Regionales Schulabkommen über die gegenseitige Aufnahme von Auszubildenden und Ausrichtung von Beiträgen (RSA 2009).
- Rohner, N.: Fisibach/Kaiserstuhl: Primarschule muss Standorte aufheben – gehen Schüler nun in Kanton Zürich? In: Aargauer Zeitung, 5. Oktober 2013.
- Vertrag zwischen den Kantonen Basel-Landschaft und Solothurn über die Abgeltung von Schulbesuchen von Schülerinnen und Schülern aus Dornach an der Sekundarschule, Anforderungsniveau P, im Sekundarschulkreis Birseck des Kantons Basel-Landschaft vom 3. Mai 2016 (Stand 1. August 2016); SO 413.414
- «AG 12 Gilt nur für die Gemeinden Fisibach und Kaiserstuhl (Volksschulstufe vertraglich geregelt)». Anhang II zum RSA 2009. Codeliste zur Bestimmung der Zahlungsbereitschaft im RSA 2009. s/Deklaration der Wohnsitzkantone in den Listen der beitragsberechtigten Schulen der Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Freiburg, Jura, Luzern, Solothurn Wallis und Zürich zum RSA 2009, Stand: 1.8.2016
- Hofer, D.: Dornachs Schüler sind im Baselbieter Progym unerwünscht. Steigende Zahlen: Der Kanton Baselland fordert von Dornach eine eigene Lösung fürs Progym. In: BZ Basel, 8. April 2019.
- Sekretariat der Nordwestschweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz NW EDK: http://www.nwedk.ch/regionales-schulabkommen sowie http://www.nwedk.ch/komm-rsa-nw-edk
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