Donnerstag, 15. Juni 2023

Zukunft 8187: Wo sind die Millionen aus dem Aargau?

In der Informationsveranstaltung zum Projekt «Zukunft 8187» vom März 2023 wurde zwecks subtiler Einspurung der Stimmberechtigten auf eine Zustimmung hin eine Darstellung mit anderen Schulhaus-Projekten aus der Umgebung gezeigt. Titel «Wir sind nicht alleine...».

Diese Erzählung wurde von Vereinspräsidenten aufgegriffen, die ihre Mitglieder dazu aufriefen, sich anzusehen, was in dieser Hinsicht in der Nachbarschaft laufe.

Nun, das wollen wir jetzt einmal machen. Eins der entscheidenden Elemente bei der Finanzierung sowohl der Bauten wie ihres Betriebs ist die Frage, wie man das Drittel Schüleranteil aus dem Aargau nachhaltig sichert, für das man ja mitbaut.

Das ist deshalb wichtig, weil die Bauentwicklung in Weiach zwar noch gewisses Potenzial hat (z.B. im Raum Büel), aber der grosse Schub bereits vorbei ist. In Kaiserstuhl und Fisibach steht dieser jedoch (nach meinen Informationen) erst bevor, was den Anteil an Aargauer Kindern noch erhöhen dürfte. Alles unter der Annahme, dass die Wirtschaftsentwicklung nicht massiv einbricht und Familien zur Abwanderung gezwungen sind.

RSA-Kostendeckungsgrad nur 85 %

Wie man bereits im Abstimmungskampf um die sogenannte Kündigungsinitiative (2021 an der Abstimmung im Ebianum dank Grossaufmarsch der Befürworter gebodigt) gesehen hat, beträgt der Kostendeckungsgrad des gewählten Entschädigungsmodells nicht 100 %, sondern nur 85 % (vgl. WeiachBlog Nr. 1631). So ist das in den Regularien der interkantonalen Vereinbarung über Regionale Schulabkommen (RSA) geregelt. Dahinter kann durchaus die Überlegung stehen, dass ja die einzelnen Schüler, die man aus dem Nachbarkanton übernimmt, auch bei der Auffüllung von Klassen helfen können.

Das RSA-Modell basiert aber eben auf einzelnen Schülern, nicht auf der dauerhaften Übernahme des gesamten Primarschulsystems von ganzen Gemeinwesen (der per Ende 2021 aufgelösten Gemeinde Kaiserstuhl und der noch bestehenden Gemeinde Fisibach). Zweistellige Prozentanteile an Schülern aus einem Nachbarkanton sind schweizweit einzigartig (sollte es noch einen weiteren Fall geben, dann bitte ich um Belege!). 

Wenn daher der damalige Initiant der Kündigungsinitiative nach wie vor darauf hinweist, dass die Aargauer rund 300'000 Franken pro Jahr mehr kosten, als für diese Schüler überwiesen wird, dann muss dieser Vorwurf – unwiderlegbar mit Zahlen unterlegt – entkräftet werden. Schulpflege und Gemeinderat können sich nicht einfach darauf zurückziehen, man müsse das eben anders rechnen. Denn ein solcher Betrag entspricht immerhin mindestens 8 Steuerfussprozenten, die von den Weiachern und über den Ressourcenausgleich auch von anderen Einwohnern des Kantons Zürich bezahlt werden müssen.

Die Weiacher haben 2015 – meines Erachtens – ganz einfach schlecht verhandelt. Sie hätten einen Zusatzausgleich für die fehlenden 15 Prozent der Gesamtkosten verlangen müssen. Entsprechend hätte mindestens dieser Zuschlag auf den RSA-Grundbetrag als Verhandlungsbasis gelten müssen. Das wäre für Fisibach und Kaiserstuhl nicht unzumutbar gewesen.

Hohe Ausstiegshürde eingebaut? Rafz hat sie, Weiach nicht.

Ennet dem Rhein, im Rafzerfeld, ist letztes Jahr von den Gemeinden Wasterkingen, Hüntwangen und Wil ZH eine wegweisende Vorlage angenommen worden: der «Anschlussvertrag [...] betreffend Zusammenarbeit der Gemeinde Rafz und der Schulgemeinde Unteres Rafzerfeld (SUR) im Bereich der Sekundarstufe». [Dieser wurde offenbar nötig, weil man sich mit der Gemeinde Eglisau nicht einigen konnte, die dann in der Folge ein Bauprojekt für sich alleine aufgelegt hat.]

Der für unsere Frage interessante Teil findet sich in den Ziffern 11 und 12, die nachstehend im vollen Wortlaut eingerückt sind:

11. Investitionen

1) Die Anschlussgemeinde beteiligt sich am anstehenden Ausbau der Schulräumlichkeiten in Rafz mit einem Betrag von CHF 7'200’000.

2) Ansonsten werden Investitionen in Gebäude und Anlagen von der Sitzgemeinde finanziert.

3) Die Anschlussgemeinde beteiligt sich am jährlichen Aufwand für Abschreibungen und Kapitalverzinsung gemäss Ziff. 8 Abs. 2. Bei der Berechnung dieser Abschreibungen und Kapitalverzinsungen wird der einmalige Investitionsbeitrag der Anschlussgemeinde gemäss Abs. 1 berücksichtigt.

12. Vertragsdauer und -auflösung

1) Dieser Anschlussvertrag wird für unbestimmte Zeit abgeschlossen.

2) Eine einseitige Kündigung dieses Vertrags ist unter Einhaltung einer zweijährigen Kündigungsfrist auf das Ende des Schuljahres möglich, erstmals per 31. Juli 2057 auf den 31. Juli 2059.

3) Wird der Vertrag vorzeitig, vor Ablauf der Vertragsdauer von der Anschlussgemeinde gekündigt, löst dies die Bezahlung der Restsumme der Kosten für Betrieb und Unterhalt gemäss Ziff. 8 und 9 aus.

4) Kündigt die Sitzgemeinde vor Ablauf der Vertragsdauer, hat sie der Anschlussgemeinde die Restbuchwerte der geleisteten Investitionsbeiträge zurückzuerstatten.

5) Bei Auflösung oder Hinfälligkeit des Vertrages verbleiben alle Sach- und Vermögenswerte bei der Sitzgemeinde.

Das heisst: die Anschlussgemeinde SUR (also die Hüntwanger, Wasterkingener und Wilemer) müssen sich gut überlegen, ob sie wirklich vor dem 1. August 2059 (d.h. vor 33 Jahren Laufzeit) aus dem Vertrag aussteigen wollen. Denn wenn sie dies tun, dann sind die Investitionen in Millionenhöhe weg und werden von den Rafzern einkassiert. Und nicht nur das: auch die Restsumme für Betrieb und Unterhalt wird sofort fällig! 

Und jetzt stelle man sich die Gemeinderäte vor, die ihrem Souverän so etwas verkaufen wollen. Der Leidensdruck müsste immens, dass sie damit durchkommen. In 25 Jahren vielleicht nicht mehr, aber vorher?

Warum haben die Fisibacher, Kaiserstuhler und Weiacher eigentlich keine Rechtssicherheit?

Wo, so fragt man sich angesichts dieser Vertragsbestimmungen, sind analoge Klauseln zwischen Fisibach, Kaiserstuhl und Weiach, die so etwas regeln?

Damit würde nämlich nicht nur für Weiach, sondern auch für die Kaiserstuhler und Fisibacher Rechtssicherheit geschaffen. So wie es jetzt ist, ist die Hürde lächerlich klein.

Sollte der Kanton Aargau oder die Gemeinde Zurzach zum Schluss kommen, es sei zur Rettung der Bezirksschule opportun, die Kaiserstuhler Schüler integral zum Besuch der Schule in Bad Zurzach umzuleiten, dann hätte die Oberstufe Stadel ein kleineres, die Gemeinde Weiach hingegen ein gröberes Problem: Wegfallende Beiträge der Aargauer Kinder. Und das mit einer Kündigungsfrist von gerade einmal 3 Jahren. Ohne Konventionalstrafe, wie sie im Rafzerfelder Vertrag faktisch eingebaut ist. 

Was glauben Sie denn, wie schwierig ein solcher Schritt für Zurzach oder Fisibach wäre, wenn sie sich wegen so einer Entscheidung Millionen ans Bein streichen müssten?

Weiach braucht vier Aargauer Millionen

In unserem Fall kann man ganz grob eine Rechnung über den Schulraum und die Mitbenutzung der Turnhalle samt den gemeinsamen Technikinfrastrukturen aufstellen und kommt auf rund 12 Millionen Schulanteil. Wenn die Aargauer Kinder rund ein Drittel der gesamten Schülerzahl ausmachen, dann müssten aus dem Aargau eigentlich auch 4 Millionen an die Baukosten überwiesen werden. Das wäre jedenfalls einmal eine Grössenordnung.

Von diesen Millionen ist jedoch weit und breit nichts zu sehen. Warum hat die Weiacher Politik die Zeit seit spätestens Frühjahr 2021 nicht genutzt, um in diesem Punkt mit Vollgas nachzuverhandeln? Mit Ziel eines Vertragsabschlusses vor der Auflösung der Gemeinde Kaiserstuhl? 

Die Gegner der Abstimmungsvorlage Zukunft 8187 fordern daher, dies endlich nachzuholen. Und um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, erachten sie 2x Nein am 18. Juni als geeignetes Mittel. Nur so könne der nötige Druck auf die politisch Verantwortlichen aufgebaut werden.

Für die Rafzer nachweislich ein gutes Geschäft

Noch haben die Stimmberechtigten der Gemeinde Rafz dem Anschlussvertrag nicht zugestimmt (die Abstimmung ist im Herbst 2023). Wenn man die Informationsbroschüre auf der kommunalen Projektwebsite konsultiert, dann dürfte es nicht schwerfallen, die drei anderen Rafzerfelder Gemeinden mit offenen Armen aufzunehmen. Kommt damit doch auch eine Art Heiratsgewinn von fast 2 Millionen ins Haus:

«Die Mehrkosten bei einem Zusammenschluss belaufen sich auf rund 5,3 Mio. Franken (Differenz zwischen 6,3 und 11,6 Mio. Franken). Mit dem Beitrag an die Gesamtschulinfrastruktur Rafz der SUR (gem. genehmigtem Anschlussvertrag) von 7,2 Mio. Franken resultieren für Rafz unter dem Strich jedoch Minderinvestitionen von rund 1,9 Mio. Franken.» (Informationsbroschüre Mai 2023, S. 9)

«Der bereits genehmigte Anschlussvertrag mit der Schule Unteres Rafzerfeld sieht vor, dass sich die SUR ebenfalls an den Vollkosten der Schulanlagen in Rafz, gemessen am Verhältnis der Anzahl Schülerinnen und Schüler, beteiligt. Sollten die Kosten höher ausfallen als berechnet, beteiligt sich die SUR also auch an diesen Kosten. Fallen die Kosten tiefer aus, profitiert die SUR im Umkehrschluss auch von den tieferen Vollkosten.» (Informationsbroschüre Mai 2023, S. 11)

Das tönt doch ganz vernünftig, oder? Warum geht das nicht auch über die Kantonsgrenze hinweg? Das ist doch nur eine Frage der Vertragsgestaltung. Und wie wir vom Bezirksrat gelernt haben: Der Gemeinderat hat einen grossen Gestaltungsspielraum. Er möge ihn jetzt endlich nutzen. Oder nachweisen, weshalb der WeiachBlog-Autor falsch liegt.

Fazit: Doch etwas alleine?

Weiach scheint doch etwas alleine zu sein. Es soll gebaut werden. Wie anderswo. Aber so wie die Weiacher Obrigkeit (samt ihren Befürworter-Jubelchören) sich das finanziell vorstellt, funktioniert es bei mindestens einem anderen Bauträger im Unterland nicht einmal in Ansätzen.

[Veröffentlicht am 16. Juni 2023 um 02:01 MESZ]

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