Donnerstag, 31. Juli 2025

Geweihstange schickte Grüsse aus der Eiszeit

Kalt, nass, unfreundlich. Unter solchen Schlagworten muss man den diesjährigen Juli wohl abbuchen. Im Hochsommer vor 50 Jahren mag das Wetter wärmer und trockener gewesen sein. Trotzdem erlebte Weiach damals eine Überraschung der wahrlich arktischen Art.

Zeitungen quer durch die Schweiz berichteten darüber. Sogar die in St. Moritz verlegte Engadiner Post brachte mehr als nur eine Kurznotiz. Gefunden wurde nämlich das Bruchstück einer Geweihstange. Von einer Tierart, die wir heute nur noch in weit entfernten Landen antreffen können: einem nordamerikanischen Karibu oder einem nahen Verwandten.
 
Male caribou in Alaska.
Source: Dean Biggins (U.S. Fish and Wildlife Service) - US FWS, Division of public affairs, WO3772-023.

Nicht nur die Zeitungen fanden das höchst berichtenswert. Sogar die Kantonale Denkmalpflege (!) nahm den Fund in ihren 8. Jahresbericht auf:

Rentier-Geweihstangenfragment der ausgehenden Würmeiszeit 

Am 30. Juni 1975 erhielt das Paläontologische Institut und Museum der Universität Zürich von dipl. Ing. L. Schmid der Weiacher Kiesgrube AG [recte: Weiacher Kies AG] die Meldung, dass O. Zimmermann drei Tage vorher auf dem Förderband ein Stück einer Geweihstange entdeckt habe. Die Fundstelle liegt in der Kiesgrube Hardrütenen südlich der Bahnlinie Eglisau-Kaiserstuhl (Koord. 676400/268800) in 345 m ü.M. bzw. 25 m unter Terrainoberfläche. 

Dr. K.A. Hünermann vom genannten Institut und Museum meldete der Denkmalpflege über diesen Neufund am 7. Juli 1975 folgendes: «Bei dem Fund handelt es sich um ein Fragment aus dem mittleren Abschnitt der rechten Geweihstange des jungeiszeitlichen Ren, und zwar vom starken Typ, der am ehesten dem nordamerikanischen Rangifer tarandus arcticus (Richardson, 1829) vergleichbar ist. Von diesem ausserordentlich seltenen Fund ist eine Veröffentlichung vorgesehen...» 

Literatur: Urgeschichtlicher Fund in einer Weiacher Kiesgrube. 20 000 Jahre altes Rentiergeweih. NZZ Nr. 166 vom 21. Juli 1975. 

Aufbewahrungsort: Paläontologisches Institut und Museum der Universität Zürich. 


Ob die Fundstellen-Koordinate (s. Kartenausschnitt oben) den Punkt bezeichnet, wo Kieswerk-Mitarbeiter Zimmermann das Bruchstück auf dem Förderband entdeckt hat, oder tatsächlich den Ort, von wo der Kies an diesem Tag herkam, ist nicht bekannt. Und letztlich auch irrelevant. Wichtig war nur, dass Ende Juni 1975 nach insgesamt fünf Funden, die von Mammuts stammten, noch eine weitere Tierart aus der kargen Tundra dazugekommen ist.

Quelle

  • WEIACH (Bez. Dielsdorf). Hardrütenen. Kiesgrube der Weiacher Kies AG. Rentier-Geweihstangenfragment der ausgehenden Würmeiszeit. In: Zürcher Denkmalpflege, 8. Bericht 1975-1976, S. 204.

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