Freitag, 11. Juli 2025

Zuonline.ch wird TA Unterland. Regionalzeitungssterben auf Raten.

Um den Jahreswechsel 2024/25 herum hat die Unterländer Zeitungslandschaft ihren 175. Geburtstag gefeiert (vgl. den geschichtlichen Überblick in WeiachBlog Nr. 2150). Etwa gleichzeitig sind Neuerungen angekündigt worden, die zumindest eine Zäsur, wenn nicht einen finalen Epochenwechsel darstellen. 

Nach dem Verlust der wirtschaftlichen Unabhängigkeit, der durch Aktientransaktionen des früher tonangebenden Druckereiunternehmers Akeret schon zwischen 2005 und 2010 eingetreten war und mit der Übernahme durch die Tamedia-Gruppe endgültig besiegelt wurde, geht nun die letzte verbliebene Abonnements-Zeitung unserer Gegend, der «Zürcher Unterländer», schrittweise in einem Newsdesk-Konglomerat auf, wie ein Stück Zucker in einer Kaffeetasse.

Dafür gibt es viele äussere Zeichen, von denen hier vier näher beleuchtet werden:

1. Chefredaktor abgesetzt. 

Die bisher eigenständige Unterländer-Redaktion ist zum Regionalbüro herabgestuft worden. Der ehemalige Chefredaktor Zürcher Unterländer, Martin Liebrich, ist laut Impressum nur noch Leiter «Zürich Unterland», operiert wird aus Büros in Winterthur, wie man aus gewissen Indizien herauslesen kann. Die publizistische Leitung hat die Tages-Anzeiger-Chefredaktorin inne. Und die sitzt in der Stadt Zürich.

2. Zuonline.ch ist tot. «TA Unterland» ist Trumpf.  

Der bisherige eigene Webauftritt wurde eingestampft. Faktisch gibt es den Zürcher Unterländer online nicht mehr. Artikel der 11-köpfigen Unterland-Redaktion erscheinen mit dem Logo des Tages-Anzeigers in der Rubrik «TA Unterland» der Website tagesanzeiger.ch.

3. Letzte Corporate Identity-Überreste der Traditionsmarke ZU. 

Das Smartphone-Zeitalter hat auch im Unterland gnadenlos zugeschlagen. Nur noch die App lebt. Über die gängigen App-Stores findet man Beschreibungen, aus denen hervorgeht, dass es aktuell neben dem E-Paper tatsächlich auch noch eine gedruckte Ausgabe gibt. 

Im Marketingsprech tönt das dann so: 

«Mit der E-Paper-App erhalten Sie die Zeitung Zürcher Unterländer als digitale Ausgabe. Lesen Sie relevante Nachrichten im klassischen Zeitungslayout und geniessen Sie intelligente Unterhaltung sowie überraschende Themen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur, Lifestyle und Sport - regional, national und international. Nutzen Sie das E-Paper täglich von Montag bis Samstag bereits vor der gedruckten Version und profitieren Sie von folgenden Vorteilen: [...]»

E-paper und Druckausgabe sind sozusagen die letzten Hinweise darauf, dass aktuell noch so etwas wie ein Kopfblatt-System aufrechterhalten wird. Aus dem Zürcher Unterländer ist das geworden, was die Tamedia als Kampfansage bereits 2006 lanciert hat: ein Tagi-Regionalbund (vgl. WeiachBlog Nr. 137).

4. Auflage rückläufig. 

Laut dem WEMF-Auflagebulletin 2024 (Quelle: Wikipediaartikel Zürcher Unterländer) sinkt die Auflage allerdings kontinuierlich, dem massiven Bevölkerungswachstum im Unterland zum Trotz: Nur noch 10'863 verkaufte Exemplare. Im Vorjahr waren es noch 11'874.

Formal ist also der «Unterländer» noch am Leben. Wie eigenständig die Redaktion im beschriebenen Umfeld operieren kann, ist allerdings – auch angesichts der prekären Gesamtlage der traditionellen Zeitungslandschaft in der Schweiz – höchst fraglich.

Frühere WeiachBlog-Beiträge

  • Brandenberger, U.: Tages-Anzeiger mischt regionale Presselandschaft auf. WeiachBlog Nr. 137, 21. März 2006.
  • Brandenberger, U.: Unterländer Bastion gegen das Tagi-Schlachtschiff. WeiachBlog Nr. 258, 6. August 2006. 
  • Brandenberger, U.: Das Kopfblattsystem auf den Kopf stellen. WeiachBlog Nr. 304, 2. November 2006.
  • Brandenberger, U.: Tamedia usurpiert Weiacher Wappen. WeiachBlog Nr. 306, 5. November 2006.
  • Brandenberger, U.: Medialer Angriff nach 3 Jahren gescheitert? WeiachBlog Nr. 696, 16. November 2009.
  • Brandenberger, U.: Journalistische Hüllen von Tamedias Gnaden. WeiachBlog Nr. 827, 19. April 2010.
  • Brandenberger, U.: Von der «Wochen-Zeitung» zum «Zürcher Unterländer». WeiachBlog Nr. 2150, 19. August 2024.

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