Junker. Für Weiacher Ohren tönt das heutzutage nach dem Nachnamen unserer letzten Posthalterfamilie (vgl. WeiachBlog Nr. 1897).
Mitte des 18. Jahrhunderts aber war das ein Titel, den zwei aufeinanderfolgende Weiacher Pfarrherren trugen. Ähnlich wie heute ein Doktortitel, der eine herausragende Stellung signalisiert. Nur mit dem gewichtigen Unterschied, dass es sich hier um ein Adelsprädikat handelt. Junker konnte man damals qua Abstammung werden, wenn man in eine der Zürcher Constaffel-Familien mit Ritter-Status hineingeboren wurde. Oder – eher seltener – tatsächlich durch eigene Leistung, wenn man wie Götz Escher 1433 vom Kaiser zum Ritter geschlagen wurde (Götz ist der Stammvater der Escher zum Luchs, so benannt nach dem kaiserlich verliehenen Wappentier).
Spezielle Stellung in der Zünfterstadt
Die Constaffel waren in Zürich in etwa das, was in Bern die regierenden Patrizierfamilien darstellten: der städtische Adel, der in der Regel auch als ratsfähig galt. In der Zunftstadt Zürich war es allerdings seit der Brun'schen Revolution von 1336 und insbesondere nach dem Tode Bruns im Jahr 1360 zunehmend so, dass die Adeligen das Heft nicht mehr wirklich in den Händen hielten.
Händler und Handwerker bestimmten in der Limmatstadt politisch das Geschehen viel stärker, was sich auch in der Formel «Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich» niederschlug. Manchmal auch als «beide Räte» bezeichnet (kleiner und grosser Rat) waren sie damit – nach heutigem Verständnis – ein Einheitsblock aus Regierung und Parlament. Checks & balances der damaligen Zeit, die man nicht als Gewaltenteilung im heutigen Sinne verstehen kann.
Von einem von Meiss zu einem Luchs-Escher
1747 wählte der Zürcher Rat als Nachfolger des verstorbenen Dekans und Weiacher Pfarrers Johann Rudolf Wolf (Epitaph in der Weiacher Kirchenmauer; WPZ24, Nr. 76) den Junker Diethelm Meiss (1719-1768; WPZ24, Nr. 77). Vgl. StAZH E I 30.136, Nr. 53, d.d. 17. November 1747.
Verglichen mit seinem jahrzehntelang amtierenden Vorgänger wurde er fast zu einem Übergangspfarrer, denn bereits 1753 liess sich Meiss durch den Fürstbischof von Konstanz zum Pfarrer von Glattfelden ernennen, eine Position, die finanziell wesentlich lukrativer war als die in Weiach.
Innert etwas mehr als einer Woche erledigt
Sowohl Fürstbischof wie Zürcher Rat erledigten dieses Wahlgeschäft in Rekordzeit. Am 23. Juli 1753 hatte der Rat den traditionellen Dreiervorschlag an den Fürstbischof verabschiedet. Auf der Liste war Diethelm Meiss zuoberst.
Als Kollator für die 1421 von seinem Vorgänger Otto III. von Hachberg begründete Kirche Glattfelden hätte sich Bischof Franz Konrad Kasimir Ignaz von Rodt (1706-1775) zwar auch für einen Nichtgenannten entscheiden können, folgte hier jedoch dem Antrag aus Zürich.
So kam es, dass Mittwochs 1ten August 1753 im Zürcher Rat bereits die Bestätigung der Wahl von Jkr. Diethelm Meiss auf die erledigte Stelle in Glattfelden zur Kenntnis genommen und die weiteren Schritte beschlossen wurden:
«Der von dem Herren Bischoff zu Constanz benamsete Pfarrer nach Glatfelden Jkr. Diethelm Meiß Pfarr[er] zu Weyach ward bestätet und hierauf an seiner stat zu einem Pfarrer naher [Weyach] mit mehrerer stimm erwelt Jk. Hartman Escher Pfarrer zu Rüeschlikon.»
Quellen und Literatur
- Ratsmanual des Baptistalrats des Stadtschreibers, 1753/2, S. 6&7 [Transkribus-Site]. Signatur: StAZH B II 881.
- Brandenberger, U.: Geht der Weiacher Stern auf die Familie Escher zurück? WeiachBlog Nr. 1482, 11. März 2020.
- Brandenberger, U.: Weiacher Posthalter-Familien (1842-2009). WeiachBlog Nr. 1897, 13. Februar 2023.
- Hürlimann, K.: Escher zum Luchs. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.08.2024. Artikel «Escher» von Hürlimann & Zeuske.
- WPZ24: Weiacher Pfarrerzählung (WPZ). Kombinierte Liste nach allen Quellen (ab 1520, d.h. inklusive Kaplane nach katholischem Ritus vor der Reformation). Stand am 7. Dezember 2024.

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