Am Freitag, 29. Mai 1981 orientierte die Kirchenpflege Weiach über das Anbringen farbiger Kirchenfenster. Diese Informationssequenz fand im Rahmen der ordentlichen Kirchgemeindeversammlung statt (nach der Abnahme der Rechnung des Vorjahres und als Teil des Traktandums «Allgemeine Umfrage»). Als Referenten traten der Architekt Paul Hintermann und die Künstlerin Ruth von Fischer auf.
Tagesgenaue Notizen über die geleistete Arbeit
Dem von der Künstlerin handschriftlich geführten Arbeitsprotokoll ist zu entnehmen, dass nach diesen Präsentationen am Abend des 29. Mai unter den Anwesenden offenbar eine Diskussion zu drei Themen aufkam: erstens, ob die Konstruktion der Fenster überhaupt stark genug sei für die mit Blei eingefassten Glaselemente. Zweitens, «ob leere Fensterteile nicht zu hart» seien. Und drittens: «Warum Holzteile schwarz gemalt sind, statt wie am Fenster weiss?». Die Antworten auf diese Fragen findet man in Ruth von Fischers Unterlagen leider nicht.
Die damals bereits 70-Jährige führte aber ansonsten minutiös Buch über alle Belange dieses Projekts, inklusive zu jedem Arbeitstag die von ihr investierte Zeit, was uns heute auch einen ökonomischen Einblick in den Entstehungsprozess der farbigen Chorfenster ermöglicht.
Die Einträge in die Liste Arbeit am Fenster Weiach beginnen am 8. April 1981 und enden mit dem 4. Juli, gefolgt von der Bemerkung: «am 13. Juli fahre ich in die Ferien». In diesen drei Monaten notierte von Fischer insgesamt 135 Arbeitsstunden, verteilt auf 41 Tage. Also faktisch ein 50%-Job für eine Rentnerin.
Massfehler des Architekturbüros
Bereits am 1. Juni war sie sich nach rund 108 Stunden eigentlich sicher gewesen, die Entwurfsarbeiten abgeschlossen zu haben, erhielt dann aber am Sonntag, 14. Juni 1981 unerwartet einen Telefonanruf von Architekt Hintermann, der ihr mitteilte, seinem Büro sei ein Massfehler unterlaufen: «1 Scheibe ist 41x18» (statt 31.5 x 18 cm, vgl. die Passage mit blauem Filzstift).
Das hatte Folgen für Ruth von Fischer. Sie musste alle Entwürfe komplett neu zeichnen! Noch am 14. Juni arbeitete sie 6 Stunden daran. Am Montag, 15. Juni zeichnete sie das ganze Mittelfenster neu und brauchte dafür gemäss Arbeitsprotokoll 8 1/2 Stunden. Am 17. Juni war sie dann mit den Korrekturen fertig. Der Fehler Hintermanns kostete insgesamt 28 1/2 Arbeitsstunden, für die Ruth von Fischer 560 Franken in Rechnung stellte, also einen Stundenlohn von 20 Franken. Verglichen mit dem Stundenlohn von 10 Franken für den in den Sommerferien 1985 im Bezirksspital Dielsdorf Fenster putzenden Autor dieser Zeilen ist das doch recht wenig.
Vom 22. bis 27. Juni pendelte von Fischer dann täglich per Bahn von Zürich nach Bremgarten, um in Boswil mit dem Glasmaler Albert Rajsek die physische Umsetzung vorzubereiten, insbesondere die Auswahl der Glasfarben. In der darauffolgenden Woche dann die Produktion: «Brennen der Gläser, wieder zusammensetzen, mit Lotblei einfassen».
Auf Rechnung der Kirchgenossenschaft
Da die Kirchgenossenschaft Kaiserstuhl-Fisibach (wie schon in den vorangehenden Artikeln vom 20. und 21. Dezember erwähnt) diese drei neuen Fenster finanziert hat, ging natürlich auch die Rechnung direkt nach Kaiserstuhl. Für «Planung, Entwurf und Ausführung von drei farbigen, bleiverglasten Fenstern im Chor der Kirche Weiach» stellte Hintermann am 18. August 1981 pauschal 22'775 Franken in Rechnung.
Unter dem 21. Mai steht im Arbeitsprotokoll von Fischers der Vermerk «10h mit Architekt [...] nach Weiach. Arbeit wird sehr gut aufgenommen. Mit dem Preis 18'000 + ausglasen und Fenstertransport sind sie sehr einverstanden (sie haben mehr berechnet.)» Mit «sie» sind die Vertreter der Kirchgenossenschaft gemeint.
Interessant ist die Ausführung Hintermanns in einem Schreiben an Ruth von Fischer vom 3. September: Ernst Walt, Präsident der Kirchgenossenschaft, «wünschte wegen der Rechnungsprüfungskommission nur eine Gesamtrechnung für Planung, Entwurf und Ausführung».
Walt selber hatte allerdings von Hintermann nicht nur die Gesamtrechnung erhalten, sondern auch die Postcheckbelege für die Überweisungen an Ruth von Fischer und Albert Rajsek.
Der Anteil der Künstlerin betrug 9'575 Franken. Dazu vermerkt sie auf der Gesamtrechnung handschriftlich «Steuern angegeben 9462.--». Den Rest konnte sie als Spesen verbuchen.
Quelle
- Dossier «Weiach Glasfenster 1981». Gosteli-Stiftung, Archiv Ruth von Fischer; Faszikel Weiach. Signatur: AGoF 605.11
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