Freitag, 20. Dezember 2019

Die Sprossenteilung schützt gegen das «Auslaufen» des Raumes

Im Spätsommer 1981 wurden die farbenfrohen Fenster im Chor der evangelisch-reformierten Kirche Weiach eingeweiht. Sie sind gestiftet von der damals noch über einen Pastorationsvertrag mit Weiach verbundenen Kirchgenossenschaft Kaiserstuhl-Fisibach (vgl. WeiachBlog Nr. 396). Gestaltet wurden sie durch Ruth von Fischer, die bereits den Teppich entworfen hat, der seit 1970 den Taufstein umgibt.

Die Vorarbeiten für diese Fenster begannen allerdings bereits in den 70er-Jahren. Im Werkdossier der Künstlerin, das sich heute in den Beständen der Gosteli-Stiftung in Worblaufen befindet, ist ein Memorandum des Architekten Paul Hintermann enthalten. Er war für die Gesamtrestauration des Weiacher Gotteshauses in den 1960ern verantwortlich.

Chorfenster in der Kirche Weiach

In der Besprechung mit Herrn Willy Kaufmann, Glasmaler von Rümikon, vom 16.3.1978 in der Kirche zu Weiach wurde eine sehr gute Lösung für die künstlerische Ausgestaltung der drei Fenster im Chor der Kirche gefunden.

Die Kirche Weiach zeichnet sich durch die Einfachheit ihrer inneren Gestaltung aus. Es ist deshalb schwierig, das rechte Mass für ihre künstlerische Ausschmückung zu finden. Wenn man die Stimmung des Raumes nicht zerstören will, muss man sich bei seiner Ausschmückung grosse Zurückhaltung auferlegen. Dazu kommt noch, dass die Holzfenster eine Sprossenteilung aufweisen, die in der masstäblichen Gestaltung des Raumes wichtig sind. Sie dürfen nicht entfernt werden in den Fenstern, welche eine Kunstverglasung erhalten. Nähme man die Sprossen in den drei Chorfenstern weg, so würde der Kirchenraum durch diese sprossenlosen Fenster optisch "auslaufen", der Raum wäre bei diesen Fenstern nicht mehr gehalten.

So kam man in der Besprechung mit Willy Kaufmann zu der sehr schönen - aber auch einzigartigen Lösung - die drei Fenster nicht mit einer das ganze Fenster erfassenden Glasmalerei zu versehen, sondern in die Sprossenfelder einzelne Glasbilder einzusetzen in der Art der sogenannten "Kabinetscheiben". Die 24 Scheiben des Mittelfensters erhalten einen Zyklus von aneinandergereihten Darstellungen biblischer Szenen, die zusammen wieder ein ganzes ergeben. Die Fenster, die links und rechts an das Mittelfenster anschliessen, erhalten noch 3 bis 5 solcher kleiner Scheiben, die in Inhalt, Komposition und Anordnung in den Fensterflügeln Beziehung zum Mittelfenster haben, aber in aufgelockerter Art. Auf diese Weise ergibt sich ein schöner Uebergang vom reichen Mittelfenster zu den bilderlosen Fenstern des Kirchenschiffes.

Da alle Fenster im ganzen Kirchenraume formal gleich sind und alle ihre Sprossen behalten, ist die ruhige Einheit im Raume erhalten. Der Schmuck der Glasmalereien wächst aus den Sprossenfenstern heraus und stört die für den Raum so wichtige Einheit nicht. Die Glasgemälde werden stille Bereicherung des Raumes, ohne dessen straffe und einfache Ruhe zu stören.

Sig. Paul Hintermann
23.3.1978/gl

An dieses Konzept hat sich die Künstlerin gehalten, wie man seit zweimal 19 Jahren in der Kirche sehen kann.

Quelle
  • Dossier «Weiach Glasfenster 1981». Gosteli-Stiftung, Archiv Ruth von Fischer; Faszikel Weiach. Signatur: AGoF 605.11

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