Sonntag, 5. November 2017

Unser Vater, der du bist in den Himmeln!

Am heutigen Reformationssonntag erinnert man sich landauf, landab an die Rückbesinnung auf die biblischen Grundlagen des Glaubens, die unter anderem mit dem berühmt-berüchtigten Anschlag der 95 Thesen durch Martin Luther an der Schlosskirche zu Wittenberg Fahrt aufgenommen hat.

Ob dieser symbolische Akt wirklich passiert ist - und dazu noch exakt am 31. Oktober (wohl julianischer Zeitrechnung, d.h. der 10. November nach gregorianischer Zählung), darüber streiten sich die Gelehrten. Entscheidender war wohl das Vorhandensein einer Kombination aus tiefsitzenden Missständen in der römisch-katholischen Kirche (Stichwort: Ämterkauf und Ablasshandel), geistigem Aufbruch der Eliten mit dem Humanismus der Renaissance (z.B. durch Erasmus von Rotterdam), weitverbreiteten sozialen und wirtschaftlichen Problemen grosser Bevölkerungskreise und der seit Gutenberg verfügbaren Kulturtechnik des Drucks mit beweglichen Lettern (Buchdruck). All das zusammen hat erst den grossen, über Jahre stattfindenden geistig-gesellschaftlichen Umbruch bewirkt.

Gewisse Traditionen sind in den vergangenen fünfhundert Jahren in der durch Zwingli und Bullinger massgeblich geprägten Zürcher Kirche in fester, fast unveränderter Form überliefert worden. Dazu gehört eines der wohl den meisten Reformierten bekannten Elemente des Gottesdienstes, das Vaterunser.

Wenigen Reformierten mögen die reformatorischen Grundprinzipien sola scriptura, sola fide, sola gratia, solus Christus bekannt sein.


Mit den Jubiläums-Beutelsuppen die dieser Tage (beispielsweise heute in Langnau im Emmental) an die Gläubigen verteilt werden, mag das für kurze Zeit ändern.

Das Gebet am Schluss jedes Gottesdienstes aber kennt jede(r):

«Unser Vater der du bist in den Himmeln!
Geheiligt werde dein Namme.
Zukomme dein Reich.
Dein Wille geschehe auf Erde, wie im Himmel.
Gieb uns heut unser tägliches Brod.
Und vergieb uns unsere Schulden, wie auch
wir vergeben unsern Schuldnern,
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern
erlöse uns von dem Bösen!
Denn dein ist das Reich und die Kraft und
die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen.
»

So hat Walter Zollinger am 9. April 1964 den Text aus der Schulhaus-Weiherede von Pfr. Burkhard transkribiert. Diese Fassung des Vaterunsers steht am Schluss des Weihgottesdienstes für das Alte Schulhaus, der am 24. November 1836 stattfand - und man sieht kaum Änderungen im Vergleich zur heute üblichen Form des Gebets. Kein Wunder, bei einer derart zentralen Textstelle aus der Bergpredigt.

Quelle
  • Gebete + Rede bei der Einweihung des neuen Schulhauses den 24. Novbr. 1836. [Turmkugeldokument Nr. 6 - Signatur: OM Weiach KTD 6]; Abschrift des Originals von Walter Zollinger, fertiggestellt 9. April 1969

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