Donnerstag, 29. März 2007

Strom über das genossenschaftlich-kommunale Netz

Am gestrigen Abend war im Gemeindesaal unter der Turnhalle Hochbetrieb: Gleich zwei Veranstaltungen - voneinander geschieden nur durch die verschiebbare Trennwand im Saal.

Klare Arbeitsteilung

Dieses Umstandes nicht bewusst, wäre der WeiachBlog-Schreiberling um ein Haar in der «falschen Abteilung» gelandet. Nicht, dass die Belange von Krankenpflege und Spitex völlig irrelevant und uninteressant wären. Der eigentliche Grund für mein Erscheinen war aber die Jahresversammlung der Elektrizitätsgenossenschaft Weiach (EGW).

Zu erkennen war der Irrtum allerdings leicht: im grossen Saal bei der Spitex massiver Frauenüberhang, die EGW-Veranstaltung im kleinen Saal klar männerdominiert. Die Vertreter des jeweils anderen Geschlechts konnte man an einer Hand abzählen. So sieht die dörfliche Arbeitsteilung aus: die Technik den Männern, das Soziale den Frauen.


Die 99. Generalversammlung der EGW

Das erste Jahrhundert der Genossenschaft wird zwar erst in fünf Jahren voll sein. Dank einiger ausserordentlicher Versammlungen steht der Zähler aber schon jetzt auf 99. Die EGW hat also schon einiges hinter sich, seit an Weihnachten 1912 erstmals elektrisches Licht die Weiacher Nacht erhellte.

Seit geraumer Zeit ist die Genossenschaft, der jeder Stimmbürger der Gemeinde Weiach automatisch angehört, nicht nur im Stromnetz präsent. Sondern mit Informationen in Form einer Website auch im anderen Netz. Die Aktualisierungsfrequenz ist zwar alles andere als berauschend - auch den Jahresbericht sucht man leider vergeblich. Aber immerhin ist die Website nicht veraltet und hat tatsächlich einen Informationswert. So zum Beispiel für den Kunden (und Genossenschafter), der sich über Tarifzeiten und Preise informieren will.

Nur 15 Anwesende

EGW-Präsident Marcel Griesser und seine Vorstandskollegen waren sozusagen en famille. Ganze 15 Anwesende konnte man zählen - für die Mehrheit von ihnen war das Erscheinen Pflicht, auch für den einzigen Nichtstimmberechtigten, Peter Giovanon, den man gleich zum Stimmenzähler ernannte.

Giovanon war bis 2005 Betriebsleiter der Licht- und Kraftwerke Glattfelden (LKWG), einer 1898 gegründeten Genossenschaft in unserer Nachbargemeinde, zu der die EGW enge Beziehungen unterhält. Im wahrsten Sinne des Wortes: der Unterhalt der Netzinstallationen wird zu einem guten Teil durch die LKWG sichergestellt. Kürzlich konnte das 25-jährige Jubiläum der Zusammenarbeit gefeiert werden - und seit neuestem ist die EGW nun auch selber Genossenschafter der LKWG.

Nur 9 Monate

Das Geschäftsjahr über das an der 99. GV berichtet wurde, dauerte lediglich neun Monate. Grund: die Umstellung auf das «Wasserjahr». Gemeint ist das «hydrologische Jahr». Was ist der Unterschied zum kalendarischen Jahr?

«Die Verkaufsmengen von Energie und Wasser, mit Ausnahme der Fernwärme, werden im hydrologischen Jahr erfasst. Ein hydrologisches Jahr dauert vom 1. Oktober bis 30. September. Diese Periode wird angewendet, weil sowohl bei den Energieträgern als auch beim Wasserverbrauch der natürliche Witterungsverlauf den Verbrauch beeinflusst». (Quelle: St. Galler Stadtwerke)

Der Kontenrahmen der Buchhaltung wurde im Hinblick auf die bevorstehende Öffnung der Strommärkte so angepasst, dass Durchleitungskosten nun separat ausgewiesen werden können. Ausserdem sei die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Stromdeklaration umgesetzt worden - und zwar mittels einer Rechnungs-Beilage an alle Bezüger.

Nur drei Neubauten angeschlossen

Über Neuinstallationen sei wenig zu berichten, meinte der Präsident. Man habe lediglich drei Neubauten angeschlossen. Erwähnenswert ist auch die neue Netzkommandoanlage. Die musste man ersetzen, weil die Wartung der alten Anlage immer schwieriger wurde: «Wir hatten zunehmend Mühe, Ersatzteile zu bekommen», sagte Griesser. Auch das von der Eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS) verlangte Sicherheitskonzept für eigene Arbeiten und solche von Drittfirmen wurde erstellt.

Ansonsten war der Betrieb wie immer weitgehend problemlos. Nur in einem Fall mussten die Spezialisten der LKWG ausrücken: ein paar Äste in der Freileitung zum Felsenhof. Andere für Reparaturen vorgenommene, kurze Netzunterbrücke waren planbar.

Cablecom-Misere weiterhin ungelöst

Für das Kabelnetz ist weiterhin keine Lösung des unbefriedigenden Zustandes in Sicht. Mit der ursprünglichen Idee, der Übernahme des Netzes und Ausbau besonders der Signalstärke durch die EGW, kann sich offenbar die heutige Besitzerin Cablecom nicht anfreunden. Und wenn man durch den Aufbau einer Parallelinfrastruktur Druck ausüben würde? Nein, eine Lösung des Problems via Netzzugang über die Steckdose werde nicht angestrebt, sagte der Präsident auf eine Frage von WeiachBlog.

Sich für die Marktöffnung wappnen

In der Rechnung fällt ein Tarifausgleichskonto auf. Um was geht es da? «Wir wissen nicht genau, was im liberalisierten Strommarkt passieren wird», erklärte Peter Giovanon. Deshalb habe man grössere Rückstellungen vorgenommen, um den Verteilungskampf besser zu bestehen. Sofern nicht das Referendum ergriffen werde könnten in fünf Jahren auch die kleinen Strombezüger selber entscheiden, von welchem Anbieter sie den Strom beziehen wollten. Da müsse man Geld zur Information der Leute auf der Seite haben.

Alles einstimmig angenommen

Bei den Schlussabstimmungen gab es keine Überraschungen. Die Verteilung des Reingewinns wurde wie folgt genehmigt: 20'000 Franken fliessen auf das Konto Tarifausgleich, 30'000 Franken werden zurückgelegt für die Installationen des Quartierplans Bedmen. Die restlichen 4470 Franken werden auf die neue Rechnung vorgetragen.

Interessante Fragerunde

Nach der abschliessenden Mitteilung, dass der neue Betriebsleiter des LKWG, Matthias Gut, ab nächstem Jahr auch für die Betreuung von Weiach zuständig sein werde, kam man zur Fragerunde. Das ist traditionell der weitaus spannendste Teil der Veranstaltung. Denn hier erfährt man, wo die Leute der Schuh drückt.

Urs Schenkel im Hasli sprach die Stromschwankungen an, die im Januar/Februar aufgetreten sind. Was da der Grund gewesen sei? Die Antwort gab Ernst Eberle: in einem Fall sei ein Vogel in eine Hochspannungsleitung in Deutschland geraten, was zu partiellen Netzabschaltungen und dadurch Spannungsschwankungen geführt habe.

Normalerweise verheizt es einen Vogel, Birkenreisig jedoch nicht

Einen anderen Fall erwähnte Giovanon: Im Ester habe es «einen Rutenbesen in die Leitung hineingehauen». Das habe die Spannung zusammengerissen. Wenn das passiere schalte man gleich wieder ein. Normalerweise sei der Vogel bzw. Ast dann verheizt. Wenn nicht müsse man vor Ort nachschauen gehen. Bei Birkenreisig sei das fast immer der Fall, denn das brenne nicht und deshalb verheize es das Ästchen auch nicht.

Übrigens sei die Freileitung im Ester «einewäg auf der Abschussliste». Im Zusammenhang mit dem Quartierplan Bedmen wolle man die Freileitung durch ein Kabel ersetzen, sagte Giovanon.

Mehr Ausfälle wegen Liberalisierung?

Die Frage, ob man wegen der Öffnung der Strommärkte mit mehr Ausfällen rechnen müsse, wurde salomonisch beantwortet: «Nein, nicht zwingend». Es laufe im Prinzip gleich weiter. An der Sicherheit werde kaum etwas Grösseres ändern.

Die Lampe mitten auf dem Parkplatz

Ein an der Oberdorfstrasse 6 wohnhafter Neuzuzüger wollte wissen, wieso die Lampe mitten in den Parkplatz gesetzt worden sei und «schräg in die Welt hinauszünde». Antwort: Diese Leuchte sei schon vor der Bauzeit an dieser Stelle gewesen. Ausserdem gehöre sie der Gemeinde. Wenn man sie versetzen wolle, müsse man mit der Gemeinde verhandeln. Das habe der Generalunternehmer seinerzeit offenbar versäumt.

Wie kann man Strom von verschiedenen Anbietern beziehen?

Es gibt zwar nur eine Leitung und die Elektronen sind auch nicht je nach Herkunft eingefärbt. Über die Einspeisungs- und Bezugszähler der grossen Stromhändler könne aber dennoch eine Abrechnung erfolgen, erklärte Giovanon. Wichtig ist vor allem, dass neu die Durchleitungsgebühr von den eigentlichen Stromkosten getrennt verrechnet werde. Die Leitungsgebühr und die Entschädigung für das Ablesen des Zählers gehöre der EGW, die Kosten für die durchgeleitete Elektrizität selber aber werden den jeweiligen Lieferanten weitervergütet.

Es versteht sich von selbst, dass diese schöne neue Welt eine riesige Bürokratie nötig macht. So erstaune es denn auch nicht, meinte Giovanon, dass beispielsweise der Industriestrom in Deutschland unter anderem wegen der neuen Abrechnungserfordernisse heute doppelt so teuer sei wie früher. Für einen normalen Haushalt werde sich der Wechsel auf andere Stromanbieter also dereinst kaum lohnen, gab sich Giovanon überzeugt.

Niedertarifbezüge nun höher als Hochtarifbezüge


Für die Statistik am interessantesten ist jeweils die Verbrauchsübersicht. In der Tendenz ist der Gesamtverbrauch immer noch leicht steigend. 4.5 GWh kaufte die EGW im vergangenen Jahr an (ob sich diese Zahl auf 9 oder 12 Monate bezieht geht aus der Übersicht leider nicht hervor). Auffallend ist vor allem, wie sich zwischen 2001 und 2003 das Verhältnis von Niedertarifstrom zu Hochtarifstrom völlig umgekehrt hat.
Das hänge vor allem mit veränderten Tarifzeiten zusammen, erklärte der Präsident. Statt um 22 Uhr werde neu schon um 20 Uhr auf Niedertarif umgeschaltet.

[Veröffentlicht am 11.4.07]

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