Ob die Behauptung stimmt, kann uns herzlich egal sein. Tatsache ist: Es lohnt sich für Weiach-Aficionados, regelmässig nicht nur bei Ebay, sondern auch bei Ricardo hineinzuschauen.
Gruss ohne ß
Besonders spannend wird es bei Postkarten, die einst von Weiach aus in die Welt verschickt wurden. Die von mir letzthin bei Ricardo entdeckte Karte ist ein klassisches Exemplar der Kategorie «Gruss aus ...».
Interessant ist die schweizerische Schreibweise mit Doppel-s. In der deutschen Standardorthographie müsste das scharfe s verwendet werden: Gruß. Offensichtlich war die etwa in den 30er-Jahren erfolgte Abschaffung dieses deutschspezifischen Buchstabens also bei den Kartendruckern bereits recht früh vollzogen worden.
Fünf Weiacher Gebäude einzeln abgebildet
Die Postkarte trägt auf der Vorderseite im oberen Teil eine Gesamtansicht von Westen mit dem Dorf im Vordergrund und dem Stein (Mitte) sowie dem Sanzenberg (rechts) im Hintergrund. Eine recht detailgetreue Zeichnung übrigens, was die Häuser betrifft.
Im unteren Teil sind in Einzelvignetten ein paar markante Gebäude abgebildet. Dazu gehören natürlich die Kirche, das (heute alte) Schulhaus - in der oberen Reihe - und in der unteren: die Wirtschaft zur Post (heute: Alte Post-Str. 2) links, das Haus Meierhofer (wohl die kürzlich abgebrochene Liegenschaft Winkelstr. 2) in der Mitte und der Gasthof zum Sternen rechts.
Falsche Ortsangabe
Auf der Rückseite fallen die beiden Stempel des hiesigen Postbureaus auf (1933 noch in der Wirtschaft z. Post domiziliert): «Weiach (Zürich)». Die Kantonszugehörigkeit musste man also schon damals angeben. Wenigstens auf dem Datumstempel. Sonst dachte der Empfänger wohl, weiss Gott wo dieses Weiach liege.
Adressiert ist die Karte an «Herrn Hans Meier, Dragoner» in «Adlikon, Ct. Zürich». Diese Ortsangabe ist leider zweideutig, trotz Kantonsangabe. Dass der Dragoner Meier sich damals eher im Weinland denn im Furttal (Adlikon b. Regensdorf) finden liess, das zeigt der Stempel «Watt bei Regensdorf» vom 9. Oktober 1933.
Achtung, Besuch!
Der Text auf der Postkarte lässt einen schmunzeln, zeigt er doch einen ganz typischen Zug der Schweizer. Besuchen lässt man sich gern, aber bitte mit Voranmeldung, sonst könnte man ja in der Verlegenheit sein, den Gästen nichts Rechtes anbieten zu können.
Und so liest man: «M.L. Muss Dir in Kürze mitteilen, dass ich Dir nächsten Sonntag einen Besuch abstatten werde. Natürlich in Gesellschaft! Freundlichen Gruss, Mina.
Und quer dazu noch hinzugefügt ein: «Gruss an Bertha»
M.L. (wohl «Mein Lieber») und Bertha waren also vorgewarnt. Selbst mit dem Umweg über Watt bei Regensdorf dürfte die am Sonntag (!) 8. Oktober abgestempelte Karte den Adressaten noch rechtzeitig erreicht haben.
[Veröffentlicht am 8.4.07]
Nachtrag vom 2. März 2021
Eine alternative Deutung wäre, dass der Stempel von Watt bei Regensdorf tatsächlich als Eingangsstempel zu verstehen ist. Eine postalische Praxis, die damals nicht unüblich war.
Bei der Absenderin und dem Adressaten scheint es sich um ein Liebespaar gehandelt zu haben. Denn sonst wäre der Zusatz «Natürlich in Gesellschaft!», mit dem die Begleitung Minas durch eine Anstandsperson aus ihrem Familienkreis angedeutet ist, nicht verständlich.
Selbst Mitte der 1960er-Jahre wurden die Eltern des WeiachBlog-Autors in den Ferien vor der Ehe noch von der älteren seiner späteren Tanten väterlicherseits begleitet. Damit ja nichts Unsittliches geschehe.
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