Sonntag, 5. August 2007

Wissenschaft ist nur, was von der Hochschule kommt

Dieser Ansicht ist man zumindest bei swisstopo, dem Bundesamt für Landestopographie in Wabern bei Bern.

Diese Bundesstelle, angesiedelt in der Gruppe armasuisse beim VBS von Samuel Schmid, ist eine Goldgrube. Denn sie kann kraft einer Bundesverordnung die Drittverwendung ihrer Produkte mit happigen Gebühren belegen. Und zwar auch die Backlist.

Alles im grünen Bereich, wenn es Dritten darum geht, mit der Abbildung oder Weiterverarbeitung von Landeskartenmaterial einen Profit zu machen. Die sollen die happigen Ansätze ruhig bezahlen, denkt sich der Hobby-Ortshistoriker. Bei ehrenamtlichen Non-Profit-Aktivitäten sieht das seiner Meinung nach anders aus.

Was das Wörtchen «rein» so alles bedeutet

Und da Art. 10 Abs. 1 lit. c der Verordnung über die Benützung des eidgenössischen Kartenwerkes vom 24. Mai 1995 bei der Verwendung von «Kartendaten für rein wissenschaftliche Veröffentlichungen» die Möglichkeit einer «Gebührenfreien Benützung von Karten» bzw. einer «Gebührenherabsetzung» vorsieht, kann man es ja einmal mit einem Gesuch probieren.

Doch weit gefehlt: Die Weiacher Geschichte(n) und mit ihr alle anderen ortsgeschichtlichen Werke gälten nicht als wissenschaftliche Publikationen, belehrte man mich seitens swisstopo. Es sei denn, es handle sich dabei um Veröffentlichungen direkt aus dem universitären Elfenbeinturm.

Die Lizenzabteilung schrieb auf mein Gesuch um Gebührenerlass:

«Der erwähnte Artikel für die gebührenfreie Benützung von Karten bezieht sich auf rein wissenschaftliche Veröffentlichungen. Als rein wissenschaftlich gelten:
- Veröffentlichungen der Universitätsinstitute, der naturwissenschaftlichen und archäologischen Forschungsstellen sowie Dissertationen, Semesterarbeiten udgl.
- Projekte, die vom Schweiz. Nationalfonds unterstützt werden.
»

Willkürlich auslegbare Verordnung?

Dann sollen sie das doch bitte auch genau so in die Verordnung schreiben... «rein wissenschaftlich» habe ich nämlich so verstanden, dass damit keine Profitabsicht verbunden ist - und nicht als eine willkürliche Einschränkung auf den Forschungsträger.

Man ahnt, was im Schreiben von swisstopo nun unweigerlich folgen muss:

«Publikationen zur Information der Bevölkerung, welche auch einen massgebenden Anteil von wissenschaftlicher Arbeit beinhalten, gelten hingegen nicht als rein wissenschaftlich, auch dann nicht, wenn sie von Verwaltungsstellen herausgegeben werden. Dazu gehören populärwissenschaftliche Publikationen, wie Ortsgeschichten, usw.

Deshalb können wir Ihnen leider keine gebührenfreie Bewilligung erteilen. Die Gebühren für den gewünschten Kartenausschnitt betragen Fr. 50.00 (+ MWSt).
»

Und das nota bene für einen Miniausschnitt (9 auf 10 cm) und eine Auflage von nicht einmal 500 Exemplaren. Ein stolzer Preis. Vor allem wenn man bedenkt, dass ich die Arbeit der Landestopographie seit vielen Jahren via Bundessteuer mitfinanziere.

Warum ist es kein Bildzitat?

Man kann sich auch fragen, warum man in einem solchen Fall nicht von einem Bildzitat sprechen kann. Textausschnitte darf man ja schliesslich auch in ein eigenes Produkt einbinden, sofern es sich nicht um ein Vollzitat handelt - und das ohne den Urheber zu fragen und ohne ihm etwas dafür bezahlen zu müssen.

Diese Frage können wohl nur Juristen mit jahrelanger Erfahrung in Theorie und Praxis des Immaterialgüterschutz-Rechts beantworten.

Ungerechtfertigte Ungleichbehandlung

Besonders lachhaft ist nun, dass lediglich Universitäten nichts für eine Veröffentlichung bezahlen müssen, Verwaltungsstellen (inkl. das VBS selber) aber sehr wohl, ausgenommen wenn sie in einer Abstimmungsunterlage mit Hilfe eines Landeskartenausschnitts etwas illustrieren wollen.

Wenn man sich das vorstellt, wie häufig es dank dieser komplizierten Regelung zu Verletzungen der Rechte von swisstopo durch Amtstellen kommt - von Gemeinden bis zum Bund ... das gibt ja schon wieder Arbeit für einen weiteren Bundesangestellten, der all diesen Verstössen nachgeht.

Sollte man bei swisstopo nämlich auf die Idee kommen, systematisch und flächendeckend nach Schwarzveröffentlichungen fahnden zu lassen, wie das von der Billag mit den Schwarzsehern bereits praktiziert wird, dann könnte es für ein paar Website-Betreiber teuer werden. Was denen blüht, erklärt Artikel 18 der bereits genannten Verordnung.

Unabhängige Forschung kostet extra

Für einmal beisse ich in den sauren Apfel und zahle für dieses Ausschnittchen. Aber eigentlich finde ich es eine Zumutung, dass die Bestimmung «rein wissenschaftlich» so stur gehandhabt wird.

Denn damit wird die universitäre Forschung (auch Semesterarbeiten mit teils fragwürdiger Qualität fallen darunter) einseitig mit einem finanziellen Wettbewerbsvorteil bedacht und de facto auch noch mit einem amtlichen Gütesiegel versehen.

Die ebenso unentgeltlich geleistete Forschungstätigkeit im öffentlichen Interesse dagegen wird nicht nur explizit als «populärwissenschaftlich» bezeichnet und damit in den Augen der Öffentlichkeit in die Nähe der Unwissenschaftlichkeit gerückt, sondern auch noch - amtlich abgesegnet - finanziell abgestraft.

Es wäre fairer und näher an der Kostenwahrheit auch für den Ausbildungsbereich, wenn alle zahlen müssten - auch die Elfenbeintürme, die mit Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe c obgenannter Verordnung unter obrigkeitlichen Heimatschutz gestellt werden.

Alte Kartenwerke sind freigegeben

Kostenpflichtig ist übrigens nur die Verwendung der aktuellen Serie der "Landeskarten der Schweiz" (LK). Die sogenannte Siegfried-Karte (offiziell «Topographischer Atlas der Schweiz», Abkürzung «TA»), sowie die ältere Dufour-Karte (offiziell «Topographische Karte der Schweiz», Abkürzung «TK») sind zum kostenlosen Abdruck freigegeben.

Das erklärte mir ein swisstopo-Mitarbeiter am Telefon. Aber vorsichtshalber fragt man im konkreten Fall doch noch einmal nach, ob dem auch wirklich noch so ist.

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