Im Sommer 2006 testete Flughafenbetreiber UNIQUE die Wassertemperatur in den vom Gekröpften Nordanflug direkt betroffenen Gemeinden. Sie gingen mit ihrem Projekt auf Roadshow und schauten direkt bei den kommunalen Behörden vorbei.
Man kann diese Mission(ierung) nicht wirklich als erfolgreich bezeichnen, wenn man in den öffentlich aufgelegten Unterlagen zu den nötigen Baumassnahmen in der Anflugschneise den nachfolgend in voller Länge und ohne Zwischenkommentare wiedergegebenen Brief des Gemeinderates Weiach an UNIQUE Flughafen Zürich AG, Operation Ingeneering [sic!], Herr B. Ehrler, 8058 Zürich-Flughafen liest:
«8187 Weiach, 4. September 2006
"Gekröpfter Nordanflug" / Hindernisbefeuerung auf dem Stadlerbeg. [sic!]
Stellungnahme des Gemeinderates Weiach
Grüezi Herr Ehrler
Am 18. Juli 2006 haben Sie zusammen mit einer Delegation von Unique Flughafen Zürich AG den Gemeinderat über den Stand des von Unique eingeleiteten Verfahrens für einen "gekröpften Nordanflug" mit Sicht-Endanflug informiert. Es handelt sich dabei um ein Anflugverfahren aus dem westlich gelegenen Warteraum "GIPOL" auf die Piste 14 des Flughafens Zürich.
Der Anflug verläuft von Frick AG bis nach Zurzach in ost-nordöstlicher Richtung und anschliessend nach Osten bis auf die Höhe von Weiach, wo die Flugzeuge nach Südosten einschwenken, um auf die Piste 14 abzusinken. Ab einem Punkt 8 km vor dem Pistenende, also im Grenzbereich der Gemeinden Weiach, Stadel und Bachs, müssen die Piloten die Pistenschwelle sehen und nach Sichtreferenzen von Hand fliegen. Sieht der Pilot die Pistenschwelle nicht, muss er einen Durchstart einleiten.
Für dieses Anflugverfahren ist der Stadlerberg ein Hindernis. Aufgrund der duchgeführten Sicherheitsbeurteilung verlangt das Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL die Erweiterung der Hindernisbefeuerung unter anderem auch im Bereich "Haggenberg" (Stahlrohrmast Nr. 603) auf dem Gemeindegebiet von Weiach als nördlichster Befeuerungspunkt.
Anlässlich der Besprechung vom 18. Juli 2006 ist der Gemeinderat eingeladen worden, sich zuhanden des Berichtes von Unique an das BAZL zur geplanten Hindernisbefeuerung zu äussern. Diesem Wunsch kommt die Behörde gerne nach.
Erwägungen
a) Die zusätzliche Befeuerung, Stahlrohrmast Punkt 603, ist auf einem Grundstück der politischen Gemeinde vorgesehen.
b) Ungeachtet der unterschiedlichen Ansichten und Standpunkte in der Fluglärmdebatte sind sich alle Parteien zusammen mit Unique und Skyguide einig, dass die Sicherheit bei den Anflugverfahren oberste Priorität geniesst.
c) Diesen Sicherheitsaspekt bringen die Südgemeinden und auch die Stadt Zürich immer wieder lautstark in die Diskussion um eine gerechte Fluglärmverteilung ein. Der Gemeinderat Weiach fragt sich ernsthaft, ob dieses Streben nach Sicherheit für die Nordgemeinden und insbesondere für die Bevölkerung um den Stadlerberg nicht gilt.
d) Obwohl der Anflugkorridor mit rund 2 Kilometern Breite grosszügig bemessen ist, gibt es keine Garantie, dass dieser im Rahmen des Sichtanfluges durch den Piloten eingehalten und nicht verlassen wird. Je weiter nördlicher der Anflug erfolgt, desto grösser ist das Sicherheitsrisiko der Dorfbevölkerung.
e) Im Bericht wird auch darauf hingewiesen, dass vom Piloten Durchstarts eingeleitet werden müssen, wenn der Sichtkontakt zur Piste fehlt. Diese Durchstarts erfolgen in Bezug auf das darunterliegende Terrain in geringer Höhe und stellen nebst den zusätzlichen Immissionen ein zusätzliches Sicherheitsrisiko für die Dorfbevölkerung dar.
f) Der als sicher angepriesene "gekröpfte Nordanflug" mit dem neuen, genaueren Navigationsstandard (P-PNAV) endet genau im Grenzbereich der Gemeinden Weiach und Stadel mit dem offensichtlichen Hindernis "Stadlerberg". Für den Endanflug und die restliche Flugdauer sind ausschliesslich das Können und die Erfahrung des Piloten das Mass aller Dinge.
g) Seit dem Flugzeugabsturz von 1990 ist die Bevölkerung sensibilisiert, dass sich das erlebte und in den Köpfen stets presente Ereignis mit noch grösseren Folgen auf dem Gemeindegebiet von Weiach wiederholen könnte. Je komplexer ein Anflugverfahren ist, desto grösser auch das Risiko eines Fehlers.
h) In einem Bericht des Zürcher Unterländers vom 29. Juli 2006 äussert sich Tower Chef Andreas Heiter, notabene einer der profundesten Kenner des Flughafens Zürich sehr skeptisch zum "gekröpften Nordanflug". Seiner Ansicht nach entspricht dieser nicht den internationalen Standards eines interkontinentalen Flughafens, wonach ein sicherer Anflug möglichst lange geradeaus geflogen werden sollte. Einen Vergleich mit dem JF.-Kennedy-Flughafen in New York akzeptiert er nicht, da sich dort die topographischen Verhältnisse anders präsentieren.
i) Gemäss den Informationen findet der "gekröpfte Nordanflug lediglich während den Sperrzeiten über deutschem Luftraum (21.00 - 07.00 Uhr) jeweils von 06.00 - 07.00 Uhr Lokalzeit Anwendung, um die "dichtbesiedelten Gebiete im (südlichen!!) Anflugbereich teilweise zu entlasten" (und den Norden wieder zusätzlich zu belasten).
Es ist nicht nachvollziehbar, dass sich diese geringe Erleichterung von lediglich einer Stunde für die südlichen Gebiete, wo das Anflugverfahren einfacher und sicherer durchgeführt werden kann, zulasten der Sicherheit der Bevölkerung mit einem komplexen risikoreichen Anflugverfahren im Norden rechtfertigen lässt.
j) Nach Aussage der Vertreter der UNIOUE ist die Planung und Umsetzung des "gekröpften Nordanfluges" mit erheblichen Kosten verbunden. Diese Kosten stehen offensichtlich in keinem Verhältnis zum Nutzen, da der Flugbetrieb aus wirtschaftlichen und Kapazitätsgründen pro Tag nur je 1 Stunde mit dem "gekröpften Nordanflug" ausgeführt werden kann. Es zeigt sich damit, dass das geplante neue Anflugverfahren lediglich ein politisch motiviertes "Zückerli" darstellt um die kritischen Stimmen im Süden zu beruhigen.
k) Der Gemeinderat ist überzeugt, dass der Flughafen auch ohne den "gekröpften Nordanflug" sehr gut zu betreiben ist. Dieses Anflugverfahren ist ausschliesslich politisch motiviert und dient lediglich dazu, den wirtschaftlich starken und einflussreichen Süden vom Fluglärm zu befreien. Dass man bereit ist, dafür die Bevölkerung im Norden des Flughafens einem erhöhten Sicherheitsrisiko auszusetzen, stimmt sehr nachdenklich.
Der Gemeinderat beschliesst:
1. Dem Aufstellen einer Hindernisbefeuerung auf dem Grundstück der Politischen Gemeinde Weiach, Punkt 603, Haggenberg wird nicht zugestimmt.
2. Eine baurechtliche Bewilligung zur Erstellung der Hindernisbefeuerungsmasten auf Punkt 603 auf dem Gemeindegebiet von Weiach zur Realisierung des "gekröpften Nordanflugs", muss im Interesse unserer Bevölkerung aus Sicherheitsgründen verweigert werden.»
Kommentar WeiachBlog
Das Misstrauen gegenüber diesem neuen Ansinnen der Flughafengewaltigen ist in obigem Schreiben mit Händen zu greifen.
Konsequenterweise verweigert die politische Gemeinde auch die Baubewilligung und lässt es auf ein Enteignungsverfahren ankommen. Damit demonstriert die Behörde deutlich, was sie vom Gekröpften hält - nämlich gar nichts.
Es ist wirklich so, wie der Gemeinderat schreibt. Der «Gekröpfte» ist ein «politisch motiviertes Zückerli», das mehr Risiken für den Norden und die Flugpassagiere bringt und letztlich nur einem Ziel dient: das Geschrei der Gelbkäppchen-Schneiser im reichen Süden in den Ohren der Regierenden wenigstens etwas abzudämpfen.
Für den operativen Betrieb des Flughafens bringt diese neue Anflugvariante rein gar nichts - im Gegenteil. Das geben Verantwortliche von UNIQUE im persönlichen Gespräch offen zu. Wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand.
Hoffen wir, dass die Gemeinde sämtliche Rechtsmittel ausschöpft, um die angedrohte Enteignung eines Teils unseres Waldes wenn nicht zu ver-, so doch maximal zu be-hindern.
[Veröffentlicht am 2. August 2007]
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