Montag, 24. Juni 2024

Aufschiebende Wirkung? Unwürdiges Geschacher hinter Kulissen

Einer der wichtigsten Führungsgrundsätze für jeden militärischen Vorgesetzten ist: Verliere niemals die Zeit Deines Unterstellten. Das gilt besonders dann, wenn diese Unterstellten selbstständig denkend und handelnd ein von übergeordneter Stelle definiertes Ziel im Kampfgeschehen zu erfüllen haben. Hält man dieses Prinzip namens Auftragstaktik hoch, dann muss an höherer Stelle speditiv entschieden werden, um den eigentlichen Akteuren möglichst grosse Handlungsfreiheit gewähren zu können.

In einem letzten Donnerstag, 20. Juni, entschiedenen Stimmrechtsrekurs, bei dem es um die neu hinzuzubauenden Weiacher Schul-Container geht, hat der Bezirksrat Dielsdorf den eben genannten Grundsatz in eklatanter Weise verletzt. Und fast die Hälfte der Zeit des Rechtsunterworfenen (in diesem Fall die Gemeinde Weiach) schlicht verplempert.

Zu lange untätig gebliebener Gemeinderat

Worum geht es? Dass die Gemeinde für neuen Schulraum sorgen muss, das ist eigentlich unbestritten. Zweieinhalb zusätzliche Schulzimmer werden benötigt. Gegenüber WeiachBlog betont ein Schulpfleger, dass dieser Bedarf bereits im Sommer 2023, also schon vor rund einem Jahr (!), klar gewesen sei. Man habe ihn dem Gemeinderat damals mündlich kommuniziert und die Bedarfsanforderung Mitte September auch schriftlich untermauert. Heisst: das Gemeinderatsprotokoll muss das dokumentiert haben.

Was man in der Gemeindeexekutive mit diesem Wissen gemacht hat? Die Angelegenheit verschlampt?  So könnte es gewesen sein. Denn immerhin wusste das Gremium, dass die Schule diesen Raumbedarf ganz unabhängig davon haben würde, ob nun das Projekt «Zukunft8187» früher, später oder gar nie grünes Licht erhalten wird. Bis das Neubauprojekt bezugsbereit ist, vergehen nämlich so oder so noch Jahre, Bundesgerichtsentscheid hin oder her.

Die zu erwartenden Schülerzahlen waren und sind hingegen einigermassen gut abschätzbar, schliesslich gibt es in Fisibach, Kaiserstuhl und Weiach weder grössere Neubauten, die erstmals vermietet würden, noch wurden diesen Orten überraschend Asylbewerber-Familien mit vielen primarschulpflichtigen Kindern aufs Auge gedrückt. Regelmässig die Daten der Einwohnerkontrollen für die beteiligten Ortschaften abfragen, reicht für die Planung völlig aus.

Absichtlich selbst produzierte zeitliche Ausweglosigkeit?

Die vorbehaltenen Entschlüsse hätten also spätestens im Herbst letzten Jahres in Form gegossen werden können. Trotzdem hat der Gemeinderat erst am 4. März 2024 entschieden. Und das auch noch auf der Basis einer für den Stimmberechtigten kaum nachvollziehbaren Berechnungsweise (vgl. WeiachBlog Nr. 2100).

Anstatt diesen Entscheid speditiv der Gemeindeversammlung zu unterstellen, wie dies die Gemeindeordnung (GO 2022) vorsieht, kaprizierte sich der Gemeinderat darauf, ihn als «gebundene Ausgabe» zu deklarieren und ihn so am Souverän vorbeizuschmuggeln. 

Am 11. April testete der Gemeinderat an einer Informationsveranstaltung die Wassertemperatur und liess dann schliesslich am 2. Mai 2024 per amtlicher Publikation die Katze aus dem Sack (vgl. WeiachBlog Nr. 2094). Bis dahin war auch die Rechnungsprüfungskommission nicht im Bilde, denn obwohl der Gemeinderatsbeschluss vom 4. März vorsieht, den Präsidenten der RPK per E-Mail mit dem Entscheid zu bedienen (was spätestens am 18. März mit dem Versand an alle Beteiligten hätte erfolgen müssen), wurde dieser Auftrag nicht ausgeführt. Angeblich, weil noch Abklärungen hätten getroffen werden müssen.

Zwischenentscheidunwilliger Bezirksrat

Dann erhöhte sich der Druck im Kessel schlagartig. Am 6. Mai wurde nämlich beim Bezirksrat Dielsdorf fristgerecht ein Stimmrechtsrekurs eingereicht, der die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses und die Zuweisung des Geschäftes an eine umgehend einzuberufende Gemeindeversammlung verlangte.

Bereits in der Vernehmlassungsantwort auf dieses Begehren sprach der Rechtsvertreter der Gemeinde die Frage der aufschiebenden Wirkung des Rekurses an und beantragte sinngemäss, diese sei zu entziehen. Die Begründung ist angesichts der zeitlichen Nähe zum Schuljahresbeginn 2024/25 nur allzu verständlich. Denn dann (also Mitte August) müssen die zweieinhalb zusätzlichen Schulzimmer spätestens zur Verfügung stehen. Bei drei Monaten Vorlaufzeit ist logischerweise höchste Eisenbahn.

Und was macht der Bezirksrat Dielsdorf? Er entscheidet sich, sich erst einmal nicht entscheiden zu wollen. Damit ist faktisch eine aufschiebende Wirkung gegeben und die Gemeinde darf mit Vorbereitungsarbeiten und dem Platzieren der Container nicht beginnen.

Wochenlang verspielt der Bezirksrat so die Zeit des Rechtsunterworfenen, spult seelenruhig den ordentlichen Schriftwechsel zwischen den Kontrahenten ab, wie wenn nicht der geringste Zeitdruck bestehen würde.

Kein Wunder wurde man da im Gemeindehaus Weiach langsam mehr als nur nervös. Und es ist anzunehmen, dass auch telefonische Demarchen beim Bezirksratspräsidenten daraus resultiert haben. Was dabei besprochen, entschieden und genehmigt wurde? Wissen wir nicht.

Ein eines Rechtsstaates unwürdiges Schauspiel

Die Öffentlichkeit kann es nur vermuten. Es ist fast wie beim berühmten Platonischen Höhlengleichnis: Die Stimmberechtigten sitzen wie in einem Kino und können nur am Schattenspiel an den Höhlenwänden abzulesen versuchen, was sich hinter den Kulissen gerade abspielt. 

Auf der Bühne selber sieht man nämlich lediglich Motorsägen, betrieben von Angestellten der Gemeinde (vgl. WeiachBlog Nr. 2115) sowie in der Folgewoche einen Bagger und weiteres Tiefbaugerät mit Arbeitern eines Bauunternehmens, die Vorbereitungshandlungen für die Containerplatzierung vornehmen.

Hat der Bezirksrat der Gemeinde bereits am 10. Juni signalisiert, dass man mit dem in Kürze spruchreifen Beschluss die aufschiebende Wirkung zu entziehen gedenke? 

Irgendwie passt der Umstand, dass der Bezirksratspräsident dem Rekurrenten noch am 18. Juni mündlich versichert hat, seine Behörde gehe von aufschiebender Wirkung aus, dann aber schlecht zur mutmasslichen Absprache mit dem Gemeinderat (oder seinem Rechtsvertreter). 

Die dürfte es nämlich gegeben haben. Denn wie sonst käme die Gemeinde in die Lage, rund vier Wochen nach der Rekurseingabe einfach mal eben mit den Vorbereitungen für das Containerstellen loszulegen? Alles andere würde nämlich bedeuten, dass der Gemeinderat den Bezirksrat sozusagen am Nasenring durch die Manege geführt hat.

Jeder private Bauherr würde für so ein eigenmächtiges Verhalten von denselben Behörden mit Fug und Recht geteert und gefedert. Mit Zeitdruck bräuchte er da nicht zu kommen. Er müsse halt frühzeitig beginnen, hiesse es dann. Und das auch völlig zu Recht, denn das hätte er ja gekonnt, wie nicht nur die Aussage der Schulpflege, sondern auch die Plausibilität der Sache an sich nahelegen.

Nur in der Welt des Gemeinderates Weiach sieht das ganz anders aus? Da ist es wie bei George Orwells Farm der Tiere: Einige sind gleicher als die anderen?

Offen entscheiden ist allemal besser

Dass der Bezirksrat keine Lust hatte, nur wegen einer (so muss man vermuten) dem Gemeinderat Weiach nicht ganz unwillkommenen zeitlichen Dringlichkeit, zwischen Hammer und Amboss zweier Streitparteien zu geraten, kann man ihm nicht verdenken. 

Klar ist: Ein früher Zwischenentscheid, dem Rekurs die aufschiebende Wirkung zu entziehen, hätte zu einer Beschwerde beim Verwaltungsgericht (oder anderer zuständiger Stelle) führen können. Damit muss ein Bezirksrat aber umgehen können. 

Mehr Entscheidungskraft (und damit das Schaffen von Rechtssicherheit) wäre mehr als nur wünschenswert. Besser als den Verdacht zu erwecken, man habe hinter den Kulissen gekungelt. Denn sonst leidet das Vertrauen in den Rechtsstaat. Und so einen Kollateralschaden kann nun wirklich niemand ernsthaft gut finden.

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