Der Zürcher Regierungsrat Dr. Paul Meierhans erwähnte laut Kantonsratsprotokoll zur Sitzung vom 9. Oktober 1961, dass Holderbank Financière versucht habe, die deutsche Firma Haniel «vom schweizerischen Kiesgeschäfte abzuhalten». Interessant auch die Aussage, in dem Brief habe der Verwaltungsrat von Holderbank «auch auf die grosse Empfindlichkeit des Schweizers in Fragen der Überfremdung des Bodens» hingewiesen. Ein solcher Druckversuch lässt aufhorchen. Existiert dieser Brief noch? Vielleicht sogar im Original?
WeiachBlog recherchierte und korrespondierte mit dem Leiter des Haniel-Archivs in Duisburg, mit dem Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv zu Köln sowie mit dem Verantwortlichen des Archivs der Holcim-Gruppe.
Haniel findet indirekten Nachweis
Ulrich Kirchner, Leiter des Haniel-Archivs antwortete am 8. Juli:
«Leider konnten wir diesen Brief in unseren Akten nicht finden. Die Angaben zum Brief stimmen meiner Meinung nach nicht: So heißt es, dass der Brief an den Direktor der Haniel AG Dortmund verfasst worden ist. Eigentlich müßte der Brief an die Franz Haniel & Cie. GmbH geschickt worden sein und die hat seit mehr als 250 Jahren ihren Sitz in Duisburg.»
Dieser Patzer war mir bis dahin noch gar nicht aufgefallen. Er zieht sich durch das gesamte Kantonsratsprotokoll hindurch. Kirchner fand aber einen indirekten Nachweis, dass es einen solchen Beeinflussungsversuch per Brief tatsächlich gegeben hat:
«Allerdings habe ich in der Akte mit der Signaturnunmmer ZABW:201 einen Hinweis auf einen anderen Brief der Holderbank gefunden, der im Dezember 1960 an Hermann Reusch geschickt wurde. Dieser war zu diesem Zeitpunkt Vorstandsvorsitzender der Gutehoffnungshütte, die wiederum bis 1960 einer der Gesellschafter der Franz Haniel & Cie. GmbH war. Leider haben wir diesen Brief auch nicht finden können. Es gibt jedoch ein Archiv der Gutehoffnungshütte, in dem dieser Brief sein müßte. Und meiner Meinung nach müßte es sich um den Brief handeln, den Sie suchen. Denn, wenn es einen Brief an den Vorsitzenden der Franz Haniel & Cie. GmbH gegeben hätte, dann hätte dieser eigentlich in der Akte ZABW:201 sein müssen.
Das Archiv der Gutehoffnungshütte befindet sich im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv zu Köln. Ansprechpartner hier ist Herr Dr. Jürgen Weise.»
Keine Verbindung zur Gutehoffnungshütte
Der von WeiachBlog daraufhin kontaktierte Jürgen Weise antwortete am 12. Juli:
«Wir haben den Nachlass Hermann Reusch innerhalb des Unternehmensbestandes Gutehoffnungshütte Oberhausen (GHH) auf Ihre Fragen hin überprüft. Leider sind die zahlreich vorhandenen Akten nicht differenziert erschlossen, sondern es wurden nur die Titel aufgenommen. Sie können sich den gesamten Bestand als Online-Findbuch auf unserer Seite ansehen (Abt. 130). Dabei werden Sie feststellen, dass es neben der Nennung konkreter Korrespondenzpartner auch viele Akten A-Z gibt und auch thematisch zugeordneten Schriftwechsel. Wir können daher nicht sicher davon ausgehen, ob das Schreiben, nach dem Sie suchen, tatsächlich vorhanden ist oder nicht.»
Immerhin. Da müsste man also tief ins Archiv steigen und vielleicht würde man dann tatsächlich etwas finden. Eigens dafür nach Köln zu reisen wäre aber schon etwas übertrieben. Weise weiter:
«Was wir in diesem Zusammenhang nicht verstehen, ist die Verbindung zu Haniel. Die GHH AG gehörte zwar zu einem großen Teil der Familie Haniel, sie hat aber ihre Geschäfte selbständig getätigt. Warum sollte H. Reusch als Vorstand der GHH AG für die Firma Haniel, einer Kommanditgesellschaft, in der Weise tätig werden?»
Warum die Holderbank ausgerechnet an Reusch gelangte? Nun, es ist ja schon etwas ungewöhnlich einen solchen Beeinflussungsversuch zu starten. Und offenbar glaubte man bei Holderbank, Dr. Hermann Reusch könnte Haniel noch umstimmen.
Bei Holcim keine Spur vom Beeinflussungsbrief
Nun interessiert natürlich noch, ob der fragliche Brief im Holderbank-Firmenarchiv als Durchschlag vorhanden ist. Auch Holcim-Archivar Philip Zumstein wurde nicht fündig. Er antwortete am 25. Juli:
«Ich habe unser Archiv nun auf den Kopf gestellt, muss Ihnen aber leider mitteilen, dass sich bei uns kein solcher Brief (oder andere Informationen zu dieser Angelegenheit mit Haniel) auffinden lassen. Unser Archiv geht zwar weiter zurück als 50 Jahre, allerdings waren die Richtlinien für die Aufbewahrung von Dokumenten dazumals auch anders. Falls dieser Brief so existierte, wird wohl nun der damalige Delegierte des VR wissen, wo er sich befindet ... Tut mir leid Sie zu enttäuschen.»
Fazit: Ein solcher Brief muss zwar tatsächlich existiert haben (vgl. die Hinweise aus dem Haniel-Archiv in WeiachBlog vom 12. Juli 2011). Er wird vielleicht irgendwann einmal gefunden. Aber für den Moment lassen wir die Angelegenheit jetzt einmal ruhen.
Den beteiligten Archivaren Kirchner, Weise und Zumstein sei hier für ihre Unterstützung noch einmal herzlich gedankt.
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