Konsequenterweise war ihre Kanzlei in der Nähe untergebracht. Das änderte sich auch in der Restaurationszeit ab 1813 nicht: im Mai 1814 unterzeichnete «Landschreiber Heß, zu Stadelhofen» zuhanden der «Canzley Neuamt» (vgl. Zürcherisches Wochen-Blatt, Nro. 40, Donnstag Den 19. May 1814 bzw. Nro. 43, Montag Den 30. May 1814). Mit anderen Worten: der Landschreiber hatte seine Kanzlei direkt vor den Toren der Stadt und wohnte wohl auch nicht weit davon entfernt.
Die Notariatskanzlei für Weiach war in der Stadt Zürich
Für die Weiacher und andere Neuämtler bedeutete dies, dass sie für notarielle Geschäfte rund einen Tag einrechnen mussten. So lange dauerten die Reise von Weiach nach Zürich, der Amtstermin und die anschliessende Rückreise - selbst wenn man ein Pferd zur Verfügung hatte.
Noch 1830 war die Kanzlei wie selbstverständlich mitten in der Stadt Zürich ansässig, wie nachstehende Umzugsanzeige beweist:
«Es wird hiermit bekannt gemacht, daß vom 26ten dieses Monaths an die unterzeichnete Canzley nicht mehr in No. 102 in Gassen sondern im Hause zum Waldros [?] No. 282 große Stadt, oben an der Spiegelgasse, zu finden ist. - Canzley Neuamt, Rümlang und Weyach.» (Zürcherisches Wochen-Blatt Nro. 22. Donnerstag, den 18. März 1830, Avertissements Nr. 15)
Verlegung des Aufenthaltsorts ins Neuamt verlangt
Nach der liberalen Staatsumwälzung fassten sich die Neuämtler ein Herz und verlangten von der neuen Regierung, dass die Kanzlei näher bei ihnen angesiedelt sein solle.
Am 22. Oktober 1831 beriet der Regierungsrat über ein «Gesuch der Gemeinden des Kanzleybezirkes Neuamt, daß ihr Landschreiber angehalten werden möchte, seinen Wohnsitz in Niederglatt zu nehmen»:
«Ein vom 8ten d. M. [dieses Monats] datirtes Gesuch der Gemeinden des Kanzleybezirkes Neuamt, daß ihr Landschreiber angehalten werden möchte, in Niederglatt als dem Mittelpunkte des Bezirkes seinen Wohnsitz aufzuschlagen, wird der L. [Löblichen] Gesetzes-Revisions-Commißion überwiesen, auch den Petenten von dieser Verfügung Kenntniß gegeben.» (RRB 1831/1328; StAZH MM 2.4, S. 158)
Daraufhin scheint wenig Konkretes gegangen zu sein, sonst hätte sich der Regierungsrat nicht am 24. September 1833 mit dem inhaltlich identischen «Ansuchen der Notariatsangehörigen von Neuamt um Verlegung des Aufenthaltsortes des Landschreibers in ihre Mitte» befassen müssen. Sie formulierte deshalb eine höfliche Beschwerde an die Adresse der zuständigen Kommission:
«Das vom 19. d. M. datirte Gesuch der zum Notariatskreise Neuamt gehörenden Gemeinden, daß der dasige Landschreiber angehalten werden möchte, seinen Wohnsitz in Niederglatt als dem Mittelpunkt des Notariates aufzuschlagen, wird der Gesetzgebungs-Revisions-Commißion überwiesen, auch bey dieser Gelegenheit der Wunsch gegen diese verehrliche Stelle ausgedrückt, daß sie möglichst die Vorlegung der Notariatsordnung beschleunigen möchte.» (RRB 1833/1697; StAZH MM 2.13, S. 225)
Niederhasli und Höri fahren Extrazügli
Aber auch jetzt ging monatelang gar nichts, weshalb nun einzelne Gemeinden aktiv wurden und versuchten, den Amtssitz in ihre eigene Mitte zu ziehen:
Am 23. Dezember 1834 hatte der Regierungsrat das «Gesuch der Gemeinde Niederhasle um Verlegung des Notariats Neuamt nach da» auf dem Tisch und beschloss:
«Das vom 10. d. M. datirte Gesuch der Gemeinde Niederhasle, daß der Sitz der Kanzley Neuamt dahin, als den Mittelpunkt des Notariatskreises, verlegt werden möchte, – wird der Gesetzgebungs-Revisions-Commißion zu gutfindendem Gebrauche überwiesen». (RRB 1834/2092; StAZH MM 2.21, S. 102)
Der Grosse Rat soll endlich entscheiden
Offensichtlich war auch mehr als 2 Jahre später noch kein Umzug ins Neuamt erfolgt, weshalb der Regierungsrat am 28. Februar 1837 über ein «Gesuch der Gemeinden Weiach und Niederhasle um Abänderung des Wohnsitzes des Landschreibers der Kanzley Neuamt» zu befinden hatte und ins Protokoll schreiben liess:
«Die vom 8. und 21. d. M. datirten Gesuche der Gemeinden Weiach und Niederhasle, daß dem nächsten Großen Rathe ein Gesetzesvorschlag betreffend Veränderung des Wohnsitzes des Landschreibers der Kanzley Neuamt vorgelegt werden möchte, werden der Gesetzesrevisions-Commißon zu gutfindendem Gebrauche überwiesen.» (StAZH MM 2.34 RRB 1837/0340, S. 291)
Regierungsrat genervt
Nachdem sich die Gesetzesvorlage weiter verzögerte und am 1. April 1837 schon wieder ein Gesuch auf die regierungsrätliche Traktandenliste kam - das «Gesuch der Gemeinde Höri um Verlegung des Sitzes des Landschreibers der Kanzley Neuamt nach Ober-Höri» - lässt die Formulierung im Protokoll keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die Regierung offensichtlich ziemlich genervt war und darauf drängte, der Kantonsrat möge sich endlich mit der Angelegenheit befassen:
«Das vom 25. v. M. datirte Gesuch der Gemeinde Höri, daß der Sitz des Landschreibers der Notariatskanzley Neuamt nach Ober-Höri verlegt werden möchte, wird der Gesetzgebungs-Revisions-Commißion mit der Einladung überwiesen, dem Großen Rath mit möglichster Beförderung einen Antrag über das erwähnte Begehren zu hinterbringen.» (RRB 1837/0537; StAZH MM 2.35, S. 147)
Ob und was das Parlament schliesslich beschlossen hat, dürfte ein Blick in die Protokolle des Grossen Rates zeigen.
Aus der Archivdatenbank des Staatsarchivs geht hervor, dass es erst 1842 einen «Entwurf zum Gesetz betr. Veränderung und Abgrenzung der Notariatskreise: Kyburg-Winterthur, Neuamt, Grüningen, Herrliberg, Andelfingen, Greifensee, Wädenswil, Pfäffikon und Knonau» gegeben hat (vgl. StAZH P 10.2.1).
Weiterführende Artikel
Zur Obervogtei und ihrer Kanzlei vgl. die folgenden Beiträge auf WeiachBlog:
- Obervogtei Neuamt, 1442–1798 (8. November 2005, Nr. 9) sowie
- Notariat Niederglatt – letztes Relikt des Neuamts (6. Dezember 2005, Nr. 34)
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