Mittwoch, 21. August 2024

Der Name des Rindviechs sei Bella

Halten Sie einen Hund? Dann kennen Sie die Amicus-Datenbank. Dort drin müssen Halter nämlich ihr Tier registrieren lassen, samt Chipnummer etc. Auf diese Weise kann für jeden Hund schweizweit per Lesegerät sofort eruiert werden, wo das Tier hingehört.

Die Firma Identitas AG, die diese Datenbank im Auftrag des Bundes führt, ist auch für die sogenannte Tierverkehrsdatenbank (TVD) zuständig. Dieses Datenbanksystem ist einer der Eckpfeiler der Landwirtschaftsinformatik-Tools in der Eidgenossenschaft. Es handelt dabei sozusagen um eine Kombination aus Zivilstandsregister und Einwohnermelderegister. Mittlerweile müssen nämlich nicht nur für Rindvieh, sondern auch für Equiden (lt. Art. 6 Bst. y TSV: Pferd, Esel, Maultier, Maulesel), Schweine, Schafe und Ziegen, die nach der TVD-Verordnung des Bundes vorgesehenen Daten (Anh. 1 IdTVD-V) elektronisch gemeldet werden. Und bei Kontrollen auch à jour sein. Tierseuchen-Prävention ist nur ein Nutzen, den staatliche Organe aus solchen Datenbanken ziehen. 

Ich bin auch ein Nutztiersubventionszuteilungssystem

Wenn eine Kuh mit oder ohne Kalb auf die Alp geht, dann ist da eine Meldung erforderlich, denn die beiden Betriebe haben in der Regel nicht dieselbe TVD-Nummer, selbst wenn das Sömmerungsgebiet und der Ganzjahresbetrieb topographisch eine gemeinsame Grenze aufweisen und sogar derselben Person gehören. Auf diese Weise kann automatisch berechnet werden, welcher Betrieb wieviel an Sömmerungsbeiträgen bzw. Alpungsbeiträgen und was der Direktzahlungen noch mehr sind, zugeteilt erhält. Oder eben nicht.

Sie können es sich denken: Ein Landwirtschaftsbetrieb ist heutzutage ohne Informatik kaum mehr zu führen, er braucht minimal einen Internetzugang und sei es per Smartphone. Das alles steckt also hinter den auffälligen gelben Ohrmarken, die mittlerweile im Piercing-Stil beide Ohren von Rindviechern, Schafen und Ziegen verunstalten.

In der TVD muss jedes einzelne Rindvieh, jeder Esel, jedes Ross, jedes Schaf und jede Ziege von der Wiege bis zur Bahre registriert werden. Für jede Verschiebung zwischen Betrieben schreibt der Landwirt Formulare, auch in Form eines Begleitscheins, der Polizeiorganen auf der Strasse auf Verlangen vorgewiesen werden muss. Er wird dadurch zum parastaatlichen Compliance-Hilfsbeamten.

Die Freiheit der Namensgebung ist (noch) gewährleistet

Man kann in der Datenbank auch den Namen des Tieres eintragen. Muss man aber nicht. Und es gibt glücklicherweise auch keine Überprüfung auf Sittenwidrigkeit oder mögliche seelische Beeinträchtigung des Tieres, etc. Eine Kuh kann «Andrea XXX» oder «Xongay» heissen. Oder auch überhaupt keinen Namen tragen. Der jeweilige Halter kann einen nicht gefallenden Namen überdies jederzeit problemlos und in Eigenregie in der Datenbank abändern. Schwieriger wird es nur, wenn man das Geschlecht ändern will.

Sozusagen als Abfallprodukt ergibt sich aus der Datenbank auch die Möglichkeit, eine Statistik der beliebtesten Tiernamen zu erstellen. Die kann man sogar online abrufen. cattle-topNamesFemale gibt «Rang, Anzahl und nach Sprachregion die häufigsten Namen der registrierten, lebenden weiblichen Rinder.»

Die Identitas AG betont dabei: «Tiere ohne Namen oder mit «technischen» Namensbezeichnungen werden in der Darstellung nicht berücksichtigt. Die Mehrheit aller Namen kommt nur einmal vor und schafft es nicht unter die Top 10.»

Zürcher Bauern stehen auf Bella und Fiona. Berner ebenso.

[Hinweis: Dieser Abschnitt samt Titel wurde am 24.8.2024 nach Rückmeldung der Kommunikation Identitas umgeschrieben. In der ursprünglichen Fassung wurden Datensätze auf unzulässige Weise verknüpft, sowie Untermengen mit der Gesamtmenge verwechselt. Diese Vermischung ergab natürlich dementsprechend völlig falsche Prozentangaben.]

Per Stichdatum 31. Juli 2024 waren in der Schweiz 1'278'601 Tiere in der Kategorie Rindvieh gemeldet (Stand: 19.8.2024). Also Stiere, Ochsen, Munikälber, Kühe (weibliche Tiere ab dem ersten Abkalben), Guschti & Kuhkälber. Davon waren 65'519, d.h. 5.1 % aller Schweizer Rindviecher, auf die TVD-Nummer eines Betriebs im Kanton Zürich gemeldet (zum Vergleich: Kanton Bern: 264'653 = 20.7 %).

Über alle Sprachen hinweg sind die in Helvetien mit Meldestand 19. August häufigsten Namen für weibliche Rindviecher: Bella (4385), Fiona (3182), Bianca (2990), Sina (2874), Tina (2785), Nora (2731), Luna (2653), Nina (2630), Belinda (2541), Diana (2443).

Die Berner Bauern haben da natürlich ein gewichtiges Wort mitzureden: Bella (906), Fiona (854), Bianca (743), Sina (704), Diana (674).

Im Kanton Zürich präsentiert sich die Rangliste leicht anders: Bella (210), Fiona (162), Luna (158), Sina (154), Anna (141). 

Man sieht: Die Deutschschweiz dominiert das Feld und ein weiblicher Name hat für viele Landwirte zwingend auf ein -a zu enden. 

Sogar eine Statistik über die letzten 15 Jahre ist verfügbar:


Welche Kuhnamen bei Zürcher Bauern früher beliebt waren

Blenden wir hundert Jahre zurück und werfen einen Blick in alte Ausgaben der NZZ, dann finden wir darin tatsächlich regelmässig eigene Rubriken über Land- und Forstwirtschaft im Kantonsgebiet. So am 30. September 1924 die Liste der prämierten Tiere an der Kantonalen Landwirtschaftsausstellung in Winterthur.

Auch damals hatten diese Tiere Namen. Einige Halter verfolgten bei der Namensgebung technokratische Ansätze, wie die Gutswirtschaft Maggi in Kemptthal, von der gleich etliche der preisgekrönten Tiere stammten. Sie benannte nach dem Standard Name + Nummer. Bsp:: «Maggi 270». (Vgl. auch: Weiacher Geschichte(n) Nr. 66, S. 207-208: Besuch des Frauenvereins der Arbeitschule Weiach in Kemptthal, 1912) 

Bei den traditionellen bäuerlichen Tierhaltern war die Namensgebung noch eine individuellere. Hier die Aufstellung für die weiblichen Tiere aller Kategorien:

Adler, Afra, Alpina, Anni, Bär, Bärli (2x), Baron, Bella (3x), Blondina, Blondine (2x), Blösch, Blum, Blume, Blümli (2x), Bommer, Bony, Bruni, Chrönli, Diana, Dora, Elbe, Ella (2x), Elsa, Eva, Fanni (4x), Fanny, Felder, Fenner, Fleck, Flora, Flori, Freude (2x), Freudi (3x), Fryeli, Gams, Gems (2x), Gemsli, Golda, Göldi, Gritli, Hekla, Helvetia (2x), Hermine, Hirsch, Hirz (3x), Isli, Jossa, Kaiser, Käthe (2x), Kundi, Laubi (2x), Leni (2x), Lerch, Leu, Lidi, Liebling, Lillo, Lisi (5x), Loni, Lori, Luschti, Lusti (3x), Lydia, Mai, Martha, Meise, Meta, Mina (2x), Moldau, Myrtha, Naphtha, Narda, Nelli, Olga (4x), Rösi (2x), Rosine, Rösli, Rubel, Sahra, Schäfli (5x), Schöne, Shimmy, Silber, Tamina, Thekla, Tribuna, Tübli (2x), Ursula, Violett, Vogel, Vrene, Vreneli, Vreni (6x), Vroni, Waldi (3x), Walli, Weichsel, Wonne, Züsi.

Am häufigsten findet man: Verena (in 4 Varianten), Lisi, Schäfli, Fanni (in 2 Varianten) sowie Olga. Das waren auf der Ausstellung die beliebtesten Namen. 

Im Vergleich mit den TVD-Daten erkennt man auch die Longseller über ein Jahrhundert hinweg. Bella und Diana. Sogar bezüglich Häufigkeit erscheint Bella als auffälligste Namensgebungs-Konstante im bäuerlich-zürcherischen Kuhstall.

Quellen und Literatur

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