Dienstag, 27. August 2024

Elterntaxi-Problem in den Griff bekommen

Seit ungefähr einem halben Jahr verkünden zwei grosse Transparente auf dem Schulareal unübersehbar ihre Botschaft. Subtil und unmissverständlich zugleich. Wort und Bild eng ineinander verzahnt. Die kurze Geschichte einer Informationsoperation, ihrer Hintergründe und Wirkung.


Der Appell an die Eltern ist deutlich: «Lasst uns laufen! Elterntaxi, nein danke!». Flankierend der Lätsch des per Auto chauffierten Mädchens.

Verkehrsstau und Kindergefährdung

Das Problem ist weder neu noch auf unsere Schule beschränkt. Es heisst Elterntaxi. Darunter versteht man die Tendenz, sein Kind möglichst nahe an den Schulort zu fahren. Aus Sicherheitserwägungen, Bequemlichkeit, wo auch immer die Motivation liegen mag: Was Eltern schon in der Kita-Phase praktiziert haben, das führen sie dann auch in der Primarschulzeit nahtlos fort. 

Diese elterliche Dienstleistung resultierte auch im Weiacher Ortskern in Verkehrsproblemen. Die Elterntaxis stauten sich auf der Stadlerstrasse, verstopften sich gegenseitig die schmale rechtwinklige Zufahrt zum jetzt mit Schulcontainern belegten alten Kiesparkplatz. Hupen und böse Bemerkungen waren häufig zu hören.

Entsprechend appellieren Schulbehörden quer durch die Schweiz seit Jahren an die Eltern. Das tönt dann überall ähnlich: «Bitte fahren Sie ihr Kind nicht mit dem Auto zur Schule. Wir haben keinen Platz für Elterntaxis bei unseren Kindergärten oder dem Schulhaus. Zudem ist das selbständige Zurücklegen des Schulwegs ein Bestandteil der Entwicklung ihres Kindes und gehört zu unserer Kultur. Elterntaxi in der Nähe des Schulhauses gefährden immer wieder die Sicherheit aller anderen Kinder!» (Quelle: Hohfuri Bülach)

Plakatimport vom Jurasüdfuss

Auch im solothurnischen Oensingen (ca. 6600 Einwohner) schlug man sich bereits vor Jahren mit dem Phänomen herum, wie den regionalen Medien zu entnehmen ist: «Kiss & Ride gegen Elterntaxi-Problematik», titelte die Solothurner Zeitung im August 2020 und stellte fest, dass das Oensinger Massnahmenpaket noch nicht ganz vollständig geschnürt sei. 

Zum Schulstart im August 2023 wurde das eingangs vorgestellte Transparent lanciert und die Solothurner Zeitung kommentierte dies mit den Worten: «Statt die Elterntaxis zu verteufeln, will die Gemeinde Oensingen die Vorteile des Schulwegs zu Fuss mit Plakaten und einem Videoclip hervorheben.» Sogar in der Neuen Zürcher Zeitung erschien kurz darauf ein Meinungsbeitrag, der das Oensinger Modell pries.

So kamen denn auch Schulpfleger Moll und Eusi-Schuel-Aktivistin Weingart auf das für Weiach passende Sujet. Es habe noch viele weitere visuelle Umsetzungen gegeben, sagt Moll heute im Hintergrundgespräch mit WeiachBlog. Die Botschaft der Oensinger sei aber am überzeugendsten gewesen. Weiach konnte sich die Rechte erwerben, sodass unsere Version bis auf den Austausch des Schullogos tupfgenau gleich herüberkommt wie die Vorlage vom Jurasüdfuss.

Auf Halteverbote verzichtet

«Bei mehreren Schulen im Unterland gelten seit einigen Monaten Halteverbote. Doch Elterntaxis hat es nach wie vor», schrieb der Zürcher Unterländer Mitte Dezember 2021. Diese Möglichkeit für Gemeinden, selbst auf Hauptstrassen Verkehrsmassnahmen verfügen zu können, besteht im Kanton Zürich zwar. Zu solch komplizierten Massnahmen (im Bild des Unterländers das Beispiel Embrach) wollten die Dossierverantwortlichen in Weiach dann doch nicht greifen müssen.


Info am Elternabend, sozialer Druck auf der App, Polizeipräsenz

Der Weiacher Massnahmenmix, der seit dem Frühjahr 2024 umgesetzt wird, setzt direkt an der Wurzel an: Bei den Eltern. An den Elternabenden (Teilnahme obligatorisch!) wird ausdrücklich auf die Problematik hingewiesen. Die Transparente mit der Kernbotschaft sind strategisch unübersehbar platziert worden. Die Kantonspolizei markierte nach den Ferien an einigen Tagen Präsenz und führte Sensibilisierungsgespräche.

Wie von Renate Weingart zu erfahren ist, sind die Resultate sehr erfreulich. Viele Eltern halten sich mittlerweile daran und schicken ihre Kinder zu Fuss in die Schule. Wer trotzdem Elterntaxi spiele, der nutze die Büelstrasse. An dieser ohnehin mit Tempo 30 signalisierten «Drop off-Strecke» kann man das Schulkind problemloser aussteigen lassen und dann ohne grössere Stauprobleme wieder weiterfahren. Über das Spielplatzgelände gelangen die Kinder schnell auf das Schulareal. Es gebe natürlich immer noch einige Unbelehrbare, räumt Weingart ein. Aber die würden vor Ort und im Elternchat auf der App immer wieder auf ihr Fehlverhalten hingewiesen.

Hat Weiach das Elterntaxi-Problem jetzt im Griff? Sehen Sie das auch so positiv wie Moll und Weingart? Die Redaktion WeiachBlog ist gespannt auf Ihre Rückmeldungen.

Rückmeldungen aus der Leserschaft

«Ergänzend ist auch noch die Herzogengasse zu erwähnen, wo einige Eltern jeweils die Kinder abladen. Dort ist es fast noch gefährlicher, da es beim Rückwärtsmanöverieren zu einer Kollision mit Schüler und Kindergärtler führen kann, welche zu Fuss via Herzogengasse unterwegs sind.» 

Kommentar WeiachBlog: Die Herzogengasse ist natürlich wirklich suboptimal. Schmal, unübersichtlich, 50er-Zone und dazu noch eine Sackgasse. Warum lassen diese Eltern ihr Kind nicht an der Kreuzung Chälenstr./Stockistr. aussteigen und wenden dort? Da wäre dann durchaus zu überlegen, ob man die Herzogengasse nicht für Elterntaxis sperrt.

Quellen und Literatur

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