Dienstag, 13. Februar 2007

Helvetische Republik - exzellent erklärt

«Sidonius» nennt er sich innerhalb der Wikipedia, im sonstigen Leben heisst er Marco Zanoli. Und er ist ein Fachmann. Studiumfächer: Allgemeine Geschichte, Politikwissenschaft und Mittellatein. Momentane Tätigkeit: Geschichtslehrer am Gymnasium.

Ein Glücksfall für die freie Enzyklopädie im Netz. Denn Sidonius schreibt viel und gern. Vor allem Artikel zur Geschichte der Schweiz. Er zeichnet aber auch historische Karten, was man u.a. auf seiner Benutzerseite sehen kann.

Irrungen und Wirrungen unseres Landes

Besonders positiv aufgefallen ist mir der Artikel zur Helvetischen Republik, den andere Wikipedianer mittlerweile in den Status «Exzellent» gewählt haben.

Beeindruckend ist nur schon das Inhaltsverzeichnis zum Abschnitt Geschichte. Es zeigt, was in diesen gut 60 Monaten Helvetik alles Platz gehabt hat. Kaum zu glauben:

  1. Situation vor der Revolution
  2. Die «Helvetische» Revolution 1798
  3. Der Kampf um die neue Staatsordnung 1798
  4. Die Unterwerfung Nidwaldens und der Zweite Koalitionskrieg 1799
  5. Der erste Staatsstreich vom 8. Januar 1800
  6. Der zweite Staatsstreich vom 7. August 1800
  7. Die Verfassung von Malmaison 1801
  8. Der dritte Staatsstreich vom 27./28. Oktober 1801
  9. Der vierte Staatsstreich vom 17. April 1802
  10. Die Zweite Helvetische Verfassung 1802
  11. Der Zerfall der Helvetischen Republik im «Stecklikrieg»
  12. Die Intervention Napoléons im Herbst 1802
  13. Die Auflösung der Helvetischen Republik

Auswirkungen bis heute spürbar

Die Ideen und Konzepte, welche in diesen fünf Jahren, vom Frühjahr 1798 bis Frühling 1803, in unserem Land diskutiert wurden, um die gestritten, ja gekämpft wurde, sind noch heute wichtig. Denn vieles davon bildet letztlich die Grundlage der modernen Schweiz:

  • Herstellung der persönlichen Freiheit der Bürger
  • Säkularisierung der Klöster
  • Wirtschafts-, Gewerbe- und Handelsfreiheit
  • Aufbau staatlicher Dienstleistungen (Helvetische Staatspost, Schweizerfranken als Einheitswährung)
  • Ablösung des Zehnten
  • Einrichtung eines staatlichen Schulwesens
  • Reform des Rechtswesens (Rechtsungleichheit abgeschafft, Leibeigenschaft aufgehoben, einheitliches Staatsbürgerrecht)

Etliches wurde mangels Geld und als Folge der häufigen Umstürze (Vier Staatsstreiche!, s. oben) zwar nicht oder nur rudimentär in die Realität umgesetzt.

Die Helvetische Republik ging zwar bald unter - ging auch an ihrem eigenen Anspruch zugrunde. Aber trotzdem leben erstmals verwirklichte Ideen bis heute weiter.

Dieser Artikel (und der entsprechende im Historischen Lexikon der Schweiz, der von der Wikipedia aus verlinkt ist) sollte Pflichtlektüre für alle sein. Besonders für jene, die in der Helvetik nach wie vor nur die böse Franzosenzeit und die Tatsache sehen wollen, dass die Schweiz zum Spielball und Operationsgebiet fremder Armeen wurde (vgl. Die Alten Chroniken 1857: WeiachBlog vom 10. Februar 2007).

[Veröffentlicht am 24.2.2007]

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Du sprichts mir aus dem Herzen. Leider ist begegnen mir auch auf der Wikipedia immer noch SchweizerInnen, die glauben, die Franzosen hätten 1798 intakte Demokratien im heutigen Sinn niedergeworfen. Gerade kürzlich musste ich den unsäglichen Artikel über die Schreckenstage von Nidwalden umschreifen, da man den so einfach nicht stehen lassen konnte.

Ansonsten machts einfach Spass, ein Thema zu erarbeiten und dabei auch gleich noch einen Wiki-Artikel zu veröffentlichen. Ich hoffe andere LehrerInnen und auch SchülerInnen können von meinen Arbeiten profitieren, insbesondere auch vom Bildmaterial. Grüsse, Sidonius

Anonym hat gesagt…

Ich habe den Ratschlag zur Pflichtlektüre befolgt und finde den Artikel wirklich ausgezeichnet.
Vielen Dank für diesen Blogbeitrag.
Nur weiter so!

Wiachiana-Verlag hat gesagt…

Jetzt müssen ihn dann nur noch diejenigen lesen, die es wirklich nötig hätten! *schmunzel*