Dienstag, 10. August 2010

Wieder Ordnung in den Grundstückhandel bringen

«Grund und boden wirt verkoufft und nit anzeigt», findet man als Missstand Nr. 14 im «verzeichnuß ettlicher mißbrüchen und unordnungen, so sich zuo Wyach haltend» vom Februar 1596 (vgl. WeiachBlog vom 18. Juli).

Das volle Eigentumsrecht an Grund und Boden lag im Mittelalter und der frühen Neuzeit nur in seltenen Fällen direkt in der Hand des Bewirtschafters. Meistens gehörte das Land einem weltlichen oder kirchlichen Grundherrn, der es an einen (oder eine Gruppe von) Bauern verlieh und dafür einen Zins in Form von Naturalien (später auch Geld) erhielt.

Der Bauer hatte aber zunehmend nicht nur die Stellung eines heutigen Pächters, der bei der Gewerbepacht (Hof und Land) auf 9 Jahre und bei der Parzellenpacht (nur Land) auf 6 Jahre fix damit rechnen kann und auch ein Vorkaufsrecht besitzt. Seine Rechte waren wesentlich näher an dem, was heute als Eigentum bezeichnet wird.

Erblehen sind so gut wie Eigentum

Noch Ende des 16. Jahrhunderts unterschied man zwischen Handlehen und Erblehen. Handlehen (auch Zeitlehen genannt) waren an die Person des Lehennehmers geknüpft und ihm auf Lebenszeit verliehen. Erblehen dagegen waren voll vererblich. Sie stellten also viel eher einen Vermögenswert dar. Dazu Anne-Marie Dubler im Artikel Eigentum im Historischen Lexikon der Schweiz:

«Mit dem Erblehen näherten sich Eigen und Lehen in der Rechtswirklichkeit wieder einander an: Inhaber von Erblehen konnten zunehmend unbeschränkt über diese verfügen. Selbst bäuerl. Lehen konnten als Nutzeigentum vom 16. Jh. an wie Eigen vererbt, vertauscht, verpfändet, verschenkt, veräussert und geteilt werden, wobei dem Inhaber des Eigens das ausschliessl. Recht verblieb, Lehen zu besetzen und zu entsetzen.»

Mit anderen Worten: dem Grundherrn blieb nicht viel mehr als das Abnicken der Transaktion, sowie das Recht auf vom Bodeneigentum abgeleitete Einnahmen: darunter eine jährliche Bodenrente (eine Art Einkommenssteuer), den Ehrschatz (eine Art Handänderungssteuer) sowie den Fall (eine Art Erbschaftssteuer), wobei diese Rechte auch den Inhabern der niederen oder der hohen Gerichtsbarkeit zustehen konnten - und nicht nur dem Grundherrn.

Sicherung von Handänderungssteuer und Vorkaufsrechten

Als Artikel 16 wurden daher in die Weiacher Gemeindeordnung vom November 1596 unter dem Titel «Güteren Verkauf anzeigen und verkünden» folgende Bestimmungen für den Liegenschaftenhandel aufgenommen:

«So einer sine Güter, die Lehen sind, zu verkaufen gesinnet, soll er dasselbig nach gemeinem Rechten sinem Zinßherren anzeigen und feilbieten. Was aber andere liggende Güter, so nit Lehen, sonder eigen sind, antrift, da soll einer, so derselben Gütern verkaufen will, daßelbig dem Weibel oder Dorfmeiern anzeigen ald in der Kilchen feil rüffen lassen, damit so Jemandts derselben Güteren zügig oder käufig were, er das zethund wüße. Wo aber us solliche Verkündung niemand in der Gemeind die Güter kaufen wellte, alsdann einer dieselben gegen einem ußeren verkaufen mögen. Jedoch wo fern innert Jarsfrist ein Jnsaß und Gmeindtsgnoß deß begerte, soll derselb zu sollichem verkauften Gut in der Zit den Zug haben, wie das von Alter harkommen und brüchig ist.»

Dass man den Grundstückhandel wieder unter Kontrolle bringen wollte, ist also nicht nur mit dem Interesse der Grundherren an der Sicherung der Handänderungssteuer zu erklären. Mindestens ebenso gross war das Interesse der Dorfgemeinschaft, dass die (anscheinend althergebrachten) Vorkaufsrechte innerhalb der Gemeinde respektiert wurden.

Preis nach oben offen

Was in Artikel 16 nicht explizit zum Ausdruck gebracht wird, ist die Frage des übersetzten Kaufpreises, der Vorkaufsberechtigte daran hindert, ihr Recht auch tatsächlich auszuüben. Heute existiert eine Preisbremse, die in Art. 66 des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) stipuliert ist. Damals war der Preis nach oben nicht begrenzt, was in der Praxis bedeutete, dass es sich primär die dörfliche Mittel- und Oberschicht leisten konnte, Land zuzukaufen.

Quellen
  • Offnung der Gmeind Weyach von Anno 1596 [14. Wintermonat 1596]. In: Zeitschrift für schweizerisches Recht, Alte Folge Bd. 4 (1855) – II. Rechtsquellen, S. 178-179. [vgl. RQNA 183: Gemeindeordnung].
  • SSRQ ZH Neuamt (RQNA): Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft; Erster Band: Das Neuamt; Aarau, 1996. [Bearbeiter: Thomas Weibel] - S. 409.
  • Dubler, A.-M.: Artikel Eigentum, Abschnitt 2: Formen. Stand am 15.4.2010. In: Historisches Lexikon der Schweiz, Internet-Ausgabe.

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