Donnerstag, 19. August 2010

Wem gehören überhängende Früchte?

Gestern haben wir festgestellt, dass nicht alle im Verzeichnis vom Februar 1596 aufgeführten «Unordnungen» im schriftlich niedergelegten Gemeinderecht berücksichtigt wurden.

Punkt 12 der Beschwerdenliste: «Gespan von wegen deß überriß der bäumen», sucht man in der Gemeindeordnung vom November 1596 vergeblich. Offensichtlich ging dieser Punkt vergessen.

Gemeint ist mit dem «überriß» gemäss Th. Weibel der «Überhang von Baumfrüchten» über eine Parzellengrenze hinweg (RQNA, S. 524).

Das «Gespan» (die Streitigkeiten) drehte sich also mindestens um die Frage, wem die Früchte an überhängenden Ästen gehören: dem Besitzer der Parzelle auf dem der Baum steht, oder demjenigen über dessen Parzelle sie reifen.

Nun sind es aber nicht nur überhängende Äste, welche Schatten werfen. Auch Wurzeln scheren sich wenig um Parzellengrenzen. Beide entziehen dem Nachbargrundstück Licht bzw. Nährstoffe, die dann beispielsweise in einem Hausgarten fehlen.

Das Zivilgesetzbuch schaffte vor 100 Jahren Klarheit

Heute ist diese nachbarrechtliche Frage klar geregelt. Und zwar im Schweizerischen Zivilgesetzbuch unter Art. 687: «Überragende Äste und eindringende Wurzeln kann der Nachbar, wenn sie sein Eigentum schädigen und auf seine Beschwerde hin nicht binnen angemessener Frist beseitigt werden, kappen und für sich behalten.» (Art. 687 Abs. 1 ZGB). Er muss das allerdings so machen, dass der Baum dadurch nicht irreversibel geschädigt wird.

Solange der Baum steht, darf der Nachbar als Entschädigung die Früchte pflücken, die an überhängenden Ästen über der eigenen Parzelle wachsen: «Duldet ein Grundeigentümer das Überragen von Ästen auf bebauten oder überbauten Boden, so hat er ein Recht auf die an ihnen wachsenden Früchte (Anries).» (Art. 687 Abs. 2 ZGB)

Auf überbauten Grundstücken gilt demnach: Früchte, die auf das eigene Grundstück herabfallen, sowie solche die an überhängenden Ästen wachsen, darf man für sich behalten.

Bei Waldparzellen ist dies aber nicht der Fall (Art. 687 Abs. 3 ZGB).

Quelle

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