Mittwoch, 11. August 2010

Da ging es wirklich noch um die Wurst

Im 16. Jahrhundert wurde auch der Wald regelmässig und selbstverständlich auch für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. Er war noch nicht - wie das heute der Fall ist - für die auf Holzertrag optimierte und dem Erosionsschutz verpflichtete Forstwirtschaft reserviert.

Konkret bedeutete dies, dass man die Nutztiere nicht nur auf Stoppelfeldern und Wiesen weiden liess (vgl. WeiachBlog vom 8. August), sondern eben auch im Wald. Mit allen Problemen, die das mit sich brachte. Zu intensive Beweidung lässt dem Wald keine Chance zur Verjüngung - deshalb wird Jungwuchs zum Schutz vor Wildtierverbiss eingezäunt.

Schweine wurden in den Wald getrieben

Besonders beliebt war der sogenannte «Ackeret», also die Schweinemast im Wald. Schweine lieben Eicheln und Buchnüsschen. Durch dieses Futter wurde das Fleisch auch besonders schmackhaft - nicht umsonst sagt man auch, der beste Schinken wachse unter den Eichen. Willkommener Nebeneffekt: das Wühlen der Schweine im Boden kann den Aufwuchs von Jungeichen sogar begünstigen.

Bei der wirtschaftlichen Bedeutung des Themas für die dörfliche Wirtschaft verwundert es daher nicht, «Unglycheit mit dem ackarig», bereits als Missstand Nr. 3 im «verzeichnuß ettlicher mißbrüchen und unordnungen, so sich zuo Wyach haltend» vom Februar 1596 vorzufinden (vgl. WeiachBlog vom 18. Juli).

Unterschiedlich grosses Nutzungsrecht

Um dieser «Ungleichheit» abzuhelfen, wurden in der Weiacher Gemeindeordnung vom November 1596 in Artikel 17 unter dem Titel «Ackaret» folgende Bestimmungen aufgenommen:

«Ein Pur, so mit einem Zug buwt, soll Gewalt haben, acht Schwin, sodann einer, so mit zweien Zügen buwt, zwölf Schwin und ein Tagnouwer drei Schwin in Ackeret gaan und louffen ze lassen. Was aber einer über dise bestimmte Zal in Ackeret schlachen wollte, von denselben Schwinen soll er wie andere den Lon geben und wann der Ackaret wol gradt und die vile deßelben vorhanden ist und ein Gmeind räthig und eins werden möchte, frömbde Schwin in Ackaret ze nemen, so soll das Gelt, so darvon gfalt, flißig zesammen behalten, an der Gmeind Nutz verwendt und darumb Rechnung gegeben werden.»

Von Gleichheit im einem modernen Sinne (pro Kopf ein gleich grosses Nutzungsrecht) kann also nicht die Rede sein. Wer mehr Ackerland besass hatte auch einen grösseren Anteil am Ackeret, wobei dieses Recht offensichtlich nicht proportional zur Grösse des Vermögens war. Die doppelte Anzahl Zugtiere gab nicht das doppelte Ackeret-Recht. Und die landarmen Tauner hatten ein fixes Recht auf drei Schweine.

Fremde Schweine nur bei Überfluss

Die obige Regelung war nicht unbedingt geeignet, die Übernutzung des Waldes zu verhindern, erschwerte sie aber zumindest. Denn nicht jeder konnte es sich leisten, für jedes Schwein über seiner Nutzungsquote etwas bezahlen zu müssen. Und da dieser «Lon» betragsmässig nicht festgelegt war, konnte ihn die Gemeinde nach Belieben anpassen wenn man das für nötig erachtete.

Schweine von ausserhalb der Gemeinde (also z.B. solche aus der Stadt Kaiserstuhl) wurden nur dann in den Weiacher Wäldern geduldet, wenn es überreichlich zu Fressen gab und die Besitzer bereit waren, dafür zu bezahlen. Der Entscheid, ob man fremde Tiere zulassen wollte, erforderte offenbar einen Beschluss der Gemeindeversammlung.

Interessant ist, dass auch hier wieder die Mahnung eingebaut wurde, das von fremden Schweinebesitzern eingenommene Geld müsse zum Nutzen der Gemeinde verwendet und darüber Buch geführt werden.

Quellen
  • Offnung der Gmeind Weyach von Anno 1596 [14. Wintermonat 1596]. In: Zeitschrift für schweizerisches Recht, Alte Folge Bd. 4 (1855) – II. Rechtsquellen, S. 179. [vgl. RQNA 183: Gemeindeordnung].
  • SSRQ ZH Neuamt (RQNA): Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft; Erster Band: Das Neuamt; Aarau, 1996. [Bearbeiter: Thomas Weibel] - S. 409-410.
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