Mittwoch, 14. Juni 2006

Zitate sind nicht immer wortwörtliche Zitate

Die Verdienste Walter Zollingers (1896-1986) um die Erhaltung von schriftlichen und gegenständlichen Zeugen der Weiacher Vergangenheit sind unbestritten. Ohne ihn gäbe es wohl weder ein Ortsmuseum, noch eine umfangreiche Sammlung in demselben und schon gar keine Monographie zur Ortsgeschichte. Man verstehe also meine nachstehende Kritik nicht falsch.

Bei Zollinger sind Zitate aus fremden Werken mit Vorsicht zu geniessen. Mit anderen Worten: er hat nicht immer buchstabengetreu zitiert. Was man eigentlich erwarten würde bei einem Zitat, das referenziert und in Anführungszeichen gesetzt ist (vgl. den Abschnitt 3.1 Wissenschaftliche Zitierrichtlinien im Wikipedia-Artikel "Zitat", Stand 13. Juni 2006)

Gerade kürzlich ist mir das wieder aufgefallen, als ich eins der von ihm zur Erarbeitung seines Büchleins «Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach» verwendeten Werke im Original in die Hände bekam.

«Zitat aus: Helvetien unter den Römern von L. Reinhardt – S. 681» steht als Referenz und Fussnote 17 auch noch in der von mir überarbeiteten 3. Auflage von Zollingers Ortsgeschichte.

Originalzitat vs. bearbeitetes Zitat

Ein Vergleich der beiden Textstellen zeigt Lehrer Zollingers redaktionelle Bearbeitungen:

Zollinger: «Nach den Ausgrabungen hatten diese Warten einen rechteckigen Grundriss von durch­schnittlich 8 bis 10 Meter Seitenlänge und 1,6 bis 1,7 Meter (maximal 1,9 m) Mauerdicke. Die kleinste Seitenlänge des quadratischen Grundrisses war 6,5 Meter, die grösste (bei Weiach) 14 Meter. Die Fundamente sind nicht tief gelegt, da sie mit dem hölzernen Oberbau keine schwere Last zu tragen hatten, und bestehen aus – zwischen einer niedern Kalkstein­mauer gegossenen – Kalkmörtel mit Rheinkieseln dazwischen. Als Ecksteine wurden oft grössere, zugehauene Blöcke genommen. Zahlreiche Ziegelre­ste lassen auf eine harte Be­da­chung des zwei- bis dreistöckigen Oberbaues aus Holz mit gebrannten Ziegeln schlies­sen.»

Reinhardt: «Nach den Ausgrabungen hatten diese Warten einen rechteckigen Grundriß von durch­schnittlich 8 bis 10 m Seite und 1,6 bis 1,7 (max. 1,9) m Mauerdicke. Die kleinste Seitenlänge des quadratischen Grundrisses war 6,5 m, die größte (bei Weiach) 14 m. Die Fundamente sind nicht tief gelegt, da sie mit dem hölzernen Oberbau keine schwere Last zu tragen hatten, und bestehen aus zwischen einer niederen Kalkstein­mauer gegossenem Kalkmörtel mit Rheinkieseln dazwischen. Als Ecksteine wurden oft größere zugehauene Blöcke genommen. Zahlreiche Ziegelre­ste lassen auf eine harte Be­da­chung des zwei- bis dreistöckigen Oberbaues aus Holz mit gebrannten Ziegeln schließen.»

Zollinger ging es um die gefällige Lesbarkeit für den ländlichen Durchschnittsleser der 70er-Jahre, mir geht es mehr um die wortgenaue Zitierung.

Das Originalzitat von Reinhardt steht deshalb auch in der neu überarbeiteten 4. Auflage, Online-Ausgabe Juni 2006, die ich auf Anfrage gerne als pdf-Datei (8530 kB) verschicke.

Quellen
  • Zollinger, W.: Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach. (Chronik Weiach. 1271-1971). 1. Aufl. 1972, 2., ergänzte Aufl. 1984.
  • Reinhardt, L.: Helvetien unter den Römern. Geschichte der römischen Provinzial-Kultur. Benjamin Harz Verlag, Berlin/Wien 1924.

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