Dienstag, 10. April 2007

Der Gemeinderat zur Mediationszeit, 1803-1815

Im Frühling 1803 war die Helvetische Republik nach nur fünfjährigem Bestehen am Ende. Die Munizipalitäten und Gemeindekammern wurden aufgelöst.

Erneut mussten Strukturen geschaffen werden. Tel quel zum Alten zurückzukehren war aber nicht mehr zeitgemäss: die vorrevolutionäre dörfliche Ordnung mit dem Untervogt als oberstem Vertreter der Obrigkeit wurde daher in der Mediationszeit nicht wiederbelebt. Sondern eine Art Hybrid aus Alt und Neu eingeführt.

Wie die (auch für die Gemeinde Weiach geltenden) Rahmenbedingungen aussahen, kann man dem Gesetz, betreffend die Organisation der Gemeindsräthe entnehmen. Es wurde am 28. Mai 1803 erlassen und setzte erste Leitlinien fest:

Mindestens drei Gemeinderäte

«1. In jeder Gemeinde ist ein Gemeindsrath. Die Zahl seiner Mitglieder wird von der Gemeinde selbst bestimmt; sie darf jedoch nicht unter drey, und nicht über eilf in Gemeinden , die weniger als 6000 Seelen enthalten, steigen; stärkere Gemeinden mögen bis auf fünfzehn Glieder in ihren Gemeindsrath wählen. Die Entschädnisse derselben werden von der Gemeinde bestimmt, ehe zur Wahl der Glieder geschritten wird. Die Wahl seiner Mitglieder geschieht durch geheimes, relatives Stimmenmehr.»

«2. Aus den Mitgliedern des Gemeindraths, erwählt die Gemeinde den Präsidenten desselben. Der Gemeindrath wird jährlich zum dritten Theil erneuert; die austrettenden Mitglieder sind neuerdings wählbar.»

Also eigentlich ein System, das uns Heutigen ziemlich bekannt vorkommt. Die Wahl des Gemeindepräsidenten erfolgte durch Volkswahl. Geheim, nicht mit offenem Handmehr. Ein wesentlicher Unterschied zu heute ist die Ablösungsbestimmung, die zu rollenden 3-jährigen Amtszeiten, aber keinen eigentlichen Amtsperioden führte. Ob man mit diesem Erneuerungsprinzip die Kontinuität in der behördlichen Tätigkeit im Auge hatte?

Wählbarkeitsalter 25

«4. Um in den Gemeindrath wählbar zu seyn, muß man das Alter von 25 Jahren erreicht haben, und weder Mitglied einer Bezirks- noch Cantonsbehörde seyn; die Stellen im großen Rathe allein ausgenommen. Diejenigen Gemeindsräthe einer Gemeinde aber, welche in derselben das Gemeindsbürgerrecht nicht besitzen, haben keinen Antheil an Berathschlagungen über Gemeindgutsangelegenheiten.»

Interessanterweise gibt es in diesem Gesetz keine Vorschriften bezüglich Vermögen oder Haushablichkeit, welche das passive Wahlrecht beschränkt hätten. Und selbst wer nicht Gemeindebürger war, konnte nach diesem Art. 4 zum Gemeinderat gewählt werden.

Gemeinderats-Sharing erwünscht

«5. Benachbarten Gemeinden in dem gleichen Bezirk steht es frey, wenn sie ihren gegenseitigen Vortheil dabey finden, sich unter einem gemeinschaftlichen Gemeindrath zu vereinigen.»

Wenn man sich vergegenwärtigt, wieviele verschiedene kleine und kleinste Gebilde mit Gemeindecharakter es im 19. Jahrhundert gab, dann war das eine sehr weise Bestimmung (Zeitweise existierten allein im Kanton Zürich um die 500 politische Gemeinden und Zivilgemeinden; vgl. den Artikel Zivilgemeinde auf Wikipedia) .

Kompetenzen und Pflichtenhefte

«6. Betreffend ihre Pflichten und Befugnisse, treten die Gemeindräthe an die Stelle der bisherigen Munizipalitäten und Gemeindskammern, und werden die hierüber getroffenen, allgemein bekannten Verfügungen, in so fern sie der gegenwärtigen Organisation nicht widersprechen, so lange zur Richtschnur nehmen, bis eine neue Kantonsverordnung die Pflichten und Rechte der Gemeindsräthe in Bezug auf die Vormundschaften, auf das Schul- und Armenwesen, auf alle Zweige der Ortspolizey, die Strafcompetenz, und auf die Besorgung der Gemeindsgüter des nähern bestimmen werden.»

Als «Polizey» wurden alle Tätigkeiten bezeichnet, die auf die Aufrechterhaltung der Ordnung gerichtet waren, nicht nur die Kriminal- und Sicherheitspolizei.

«7. Der Gemeindrath verwaltet inzwischen die verschiedenen Gemeindsgüter ihrer Bestimmung gemäß und so, daß sie unter keinem Vorwand zu fremdartigen Zwecken können verwendet werden, durch eigne, aus seiner Mitte ernennte Rechnungsführer, welche ihm alljährlich Rechnung ablegen, und zween habhafte Bürgen für die ihnen anvertraute Verwaltung stellen sollen.»

Quelle

  • Gesetz, betreffend die Organisation der Gemeindsräthe. In: Officielle Sammlung der von dem grossen Rath des Cantons Zürich gegebenen Gesetze und gemachten Verordnungen, und der von dem Kleinen Rath emanierten allgemeinen Landes- und Polizey-Verordnungen. Erster Band. Zürich, gedruckt und zu haben bey Johann Kaspar Näf. 1804 - S. 49-53 [Signatur: StAZH ZH 16:1]

Literatur

  • Der erste Gemeindepräsident. Was die von Napoleon diktierte Mediationsakte in Bewegung brachte. Weiacher Geschichte(n) 43. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Juni 2003 – S. 14-15.

[Veröffentlicht am 20.4.2007]

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