Mittwoch, 18. April 2007

Kirchtürme waren früher auffällige Einzelstücke

Kirchtürme sind aus unseren heutigen Ortsbildern kaum wegzudenken. Dass es auch ohne geht, beweisen diverse Freikirchen, deren Gebetsräume ganz gut auch ohne spitze, wuchtige oder wie auch immer gestaltete Türme auskommen.

Weniger bekannt ist, dass Kirchen vor dem Hochmittelalter sehr oft turmlos waren. So wird in der Theologischen Realenzyklopädie (hg. von G. Müller. Berlin 1977-2002) unter dem Lemma «Kirchenbau» ausgeführt: «Türme sind aber erst seit dem hohen Mittelalter zu einem kennzeichnenden Bauteil von Kirchen geworden.» (TRE, Bd. 18, 1989, S. 452).

Hohentengener Chorturm seit dem 11. Jahrhundert

Gefunden habe ich dieses Zitat in einer Dissertation über Landkirchen und Landklerus im Bistum Konstanz während des Mittelalters. Der Autor, Hanno Julius, bringt es in einer Fussnote und macht dazu weitere interessante Anmerkungen:

«Vgl. Wolfgang Müller: Beobachtungen zur Frage nach der mittelalterlichen Dorfkirche im Raum Schaffhausen. In: FS Karl Schib zum 70. Geburtstag am 7.9.1968 (Schaffhauser Beiträge zur vaterländischen Geschichte 45). Thayngen 1968, besonders S. 116: "Der ja frühestens im 11. Jahrhundert aufkommende Turm der Kleinkirchen konnte sehr verschiedene Stellungen einnehmen." und S. 123: "Sicher ist, daß die frühen Kirchen überhaupt keine Türme hatten… ". Die frühen vorerst turmlosen Kirchen in Hallau, Hohentengen, Ufnau und Uznach werden angeführt. Der Hohentengener Chorturm gehöre ins 11. Jahrhundert, der Turm der Büsinger Bergkirche ins 12. Jahrhundert, die meisten Türme allerdings erst ins späte 15. und 16. Jahrhundert. Ähnlich auch der Verfasser in der bei Anm. 8 erwähnten Studie, S. 11-13.»

Die Marienkirche in Hohentengen soll also schon seit dem 11. Jahrhundert über einen Turm verfügt haben, die meisten anderen Kirchen erst im späten 15. oder gar 16. Jahrhundert.

Seit wann hatte Weiach einen Kirchturm?

Das ist nun für die Verhältnisse in Weiach und die Erklärung des Ortsnamens von Hohentengen von grossem Interesse. Denn die dortige Kirche war für eine weite Umgebung über Jahrhunderte das geistliche Zentrum. Auch für die Weiacher, die nach «Dengen bei der hohen Kilch» zu ebenderselben gingen. Der grosse Kirchturm fällt ja auch heute noch auf. Wie wuchtig muss er erst früher gewirkt haben.

Für die alte Weiacher Kirche im Oberdorf ist erst für das Jahr 1658 erstmals von einem Turm die Rede. Nicht ausgeschlossen ist, dass er zwar schon etliche Jahre früher errichtet wurde - aber wohl kaum vor dem 16. Jahrhundert. Auch war offenbar keineswegs festgelegt, wo man den Turm relativ zum Kirchenschiff zu platzieren hatte. Das hing anscheinend eher von den räumlichen Verhältnissen ab.

Quelle
  • Julius, H.: Landkirchen und Landklerus im Bistum Konstanz während des frühen und hohen Mittelalters. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung. Diss. Univ. Konstanz. Konstanz, 2003 - S. 102-103; Fussnote 422. (Download-Seite der Deutschen Bibliothek)

[Veröffentlicht am 28.4.2007]

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