Mittwoch, 2. November 2005

Die Politik in den Zeiten der Vogelgrippe

Manchmal ist es schon erstaunlich, wie sehr die heutige babylonische Verwirrung im Umgang mit SARS und Vogelgrippe den Herausforderungen für die Seuchenbekämpfer in früheren Jahrhunderten ähnelt. Menschen bleiben eben Menschen.

Ein Artikel von Franz Mauelshagen, wissenschaftlicher Assistent am Historischen Seminar der Universität Zürich, zeigt deutlich, dass sich Prävention und Handelsinteressen auch vor bald 300 Jahren schon gebissen haben:

"Während der letzten grossen Pestepidemie im westlichen Europa, die 1720 in Marseille ausbrach, intervenierten französische Botschafter bei den Nachbarstaaten - auch bei der Eidgenossenschaft - gegen die errichteten Handelssperren und drängten auf ihre frühzeitige Aufhebung. Der politische Druck wirkte sich hüben wie drüben auf die Medizin aus. In Frankreich stieg in dieser Zeit eine Gruppierung in den wissenschaftlichen Akademien und am Königshof auf, die eine direkte Übertragung der Pest von Mensch zu Mensch ausschloss. Das entsprach französischen Handelsinteressen.
Die Gegenseite argumentierte umgekehrt. Der berühmte Zürcher Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733) etwa wurde publizistisch aktiv, um den Gegenstimmen einiger Ärzte, die in Marseille direkt tätig waren, Gehör zu verschaffen und damit Druck auf die eidgenössischen Obrigkeiten auszuüben."

Interessant, wie schon damals Handel und Wissenschaft mittels Medieneinsatz für oder gegen die von den Zürcher Obrigkeiten ergriffenen Massnahmen kämpften. Das erinnert mich an zwei vor längerer Zeit publizierte Artikel:
Diese beiden Artikel handeln von der Quarantänestation, die anlässlich der "Marsilianischen Pest" ausserhalb des Dorfes errichtet und für einige Monate betrieben wurde. Eine seuchenpolizeiliche Massnahme, welche die Händler nachhaltig verärgert hat.

Literatur

  • Mauelshagen, F.: Vom Einfluss der Politik auf die Medizin. In: Tages-Anzeiger (Zürich), 31. Oktober 2005 - S. 49

Keine Kommentare: