Freitag, 26. Mai 2006

Die ehemalige Mühle im Oberdorf

Am 27. Mai findet der Schweizer Mühlentag 2006 statt. 109 Mühlen in der ganzen Schweiz öffnen ihre Tore. Die Mühle Weiach ist nicht dabei. Aus einem einfachen Grund: die eigentliche Mühleneinrichtung wurde schon vor über 30 Jahren demontiert.

Brandkatastrophe 1748

Die Mühle im Oberdorf wird in den Quellen schon früh erwähnt. Sicher bezeugt ist sie für die Mitte des 18. Jahrhunderts: Am 15. Oktober 1748 kurz nach Mittag hat Untervogt Hans Jakob Bersinger in Weiach bei einer Feuersbrunst nicht nur sein Haus samt der ganzen Habe, sondern auch die Mühle verloren. Die Schadenaufstellung wies die sehr hohe Summe von total 4445 fl. 18 ß aus.

Deckentäfer von 1752

Offenbar gelang es ihm dann, die Mühle wieder aufzubauen. Ein Überbleibsel der alten Einrichtung dieses Hauses wird heute im Ortsmuseum Weiach aufbewahrt: es handelt sich um ein Deckentäfermittelstück, verziert mit einem Mühlrad und dem Erstellungsjahr 1752, sowie den Initialen des Erbauers. In dessen ehemaliger Stube waren drei Sprüche ans Wandtäfer gemalt, die von Heinrich Hedinger ebenfalls auf das Jahr 1752 datiert wurden. Sie wiesen auf den einst daneben liegenden Schlafraum hin und lauteten (vgl. Hedinger Inschriften 1958) :

«Ich geh in meine kamer
zu Loben Gottes namen.
»

«Ich gehe hin gen slafen in,
ich bit, Gott wöl mein Hüter sin.
»

«Mein in- und ausgan wärd Begleit
Vom Herren Gott in Ewigkeit.
»

Multifunktionales Gebäude

1835 gab es in Weyach gemäss dem Ortslexikon des Kantons Zürich von Vogel genau eine Mühle: die im Oberdorf. Diese Mühle diente aber auch noch vielen anderen Zwecken, wie man einem Werk über den Kanton Zürich von 1948 entnehmen kann:

«Das Gebäude diente gleichzeitig als Zehntenhaus und Salzwaage. Ferner wurden darin zuzeiten eine Wirtschaft, eine Käserei, eine Bäckerei und eine Gipsstampfe betrieben. Die beiden Wasserräder sind bereits 1861 durch eine Turbine mit geschlossener Wasserzuführung ersetzt worden. Auch die Mühleneinrichtung wurde im Laufe der Zeit mehrmals umgebaut und verbessert, zuletzt 1937. Über die Besitzer der Mühle in Weiach ist nicht viel bekannt. Sie ging oft innert kurzer Zeit von Hand zu Hand. Seit 1895 befindet sich die Liegenschaft im Besitz der Familie Funk und die Mühle wird derzeitig von Eugen Funk betrieben.»

Ehem. Mühle Vers. Nr. 305 unter kantonalem Denkmalschutz

Die kantonale Denkmalpflege publizierte in ihrem 9. Bericht 1977/78 den bisher ausführlichsten Beitrag über die ehemalige Mühle im Oberdorf:

«Das heutige Gebäude der ehemaligen Mühle Weiach liess Untervogt J.J. Bersinger anstelle einer älteren, abgebrann­ten Mühle 1752 erbauen. Der umfängliche Bau hatte ausser als Mühle auch noch als Zehntenhaus und als Salzwaage zu dienen. Später waren zeitweilig eine Wirtschaft, eine Käse­rei, eine Bäckerei und sogar eine Gipsmühle darin unterge­bracht. Im Jahre 1861 erfolgten der Bau des oberen Weihers und die Installation einer Peltonturbine. Die Mühlenein­richtung wurde letztmals 1938 umgebaut.

Von 1895 an gehörte die Mühle Weiach der Familie Funk. Sie liess 1931 das Innere und die strassenseitige Fassade, 1951 den Dachstuhl und den dorfseitigen Riegelgiebel in­standstellen bzw. freilegen. Nach Aufgabe des Müllereibe­triebes 1968 ward die Mühleneinrichtung stillgelegt und 1974 demontiert.

Im gleichen Jahr ging die Liegenschaft durch Kauf an die heutigen Eigentümer über, welche sofort eine schrittweise Erneuerung an die Hand nahmen. Die wichtigsten Arbeiten erfolgten indes 1975/76: die Fertigstellung der Moderni­sierung im Innern und die Renovation des Äusseren. Diese um­fasste die Freilegung und Instandsetzung der Riegel auf der Nordostseite, die Umgestaltung der Anbauten an der oberen Giebelfassade, das Flicken der bestehenden oberen Laube sowie die Neu­montage der unteren Laube und deren Treppen. Die beiden erwähnten Fassaden wurden neu verputzt und mit Kalkfarbe gestrichen, Riegel und Lauben erhielten eine Naturbehandlung. Am ganzen Haus wurden die Fenster und ein Teil der Läden erneuert. Gemeinde und Kanton leisteten Beiträge; seither ist die ehemalige Mühle Weiach geschützt.

Literatur: W. Zollinger, 1271‑1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach, Dielsdorf o.J., S. 32 f.; Ergänzende Mitteilungen von Ad. Funk vom 16. Febr. 1981 (bei den Denkmalpflege-Akten).
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Quellen
  • Staatsarchiv des Kantons Zürich, Signatur A 90.6 (Steuern und Kollekten 1743-1750), Nr. 218-220 (Mitteilung von Hans Ulrich Pfister, StAZH)
  • Ortslexikon des Kantons Zürich oder alphabetische Aufzählung aller Ortschaften, Höfe und einzelnen Wohnungen des Kantons, die besondere Namen tragen, mit Angabe der bürgerlichen und kirchlichen Abtheilungen, in welche sie gehören, u.a.m. von F. Vogel, Secretair. Zürich, Schulthess'sche Buchhandlung (Fr. Schulthess und G. Höhr) 1835
  • Kanton Zürich, Band I, von Paul Kläui, Emanuel Dejung, Werner Ganz; H.A. Bosch Verlag, Zollikon-Zürich 1948 - S. 194
  • Hedinger, H.: Inschriften im Kanton Zürich. Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Band 40, Heft 1 (122. Neujahrsblatt). Zürich, 1958. – S. 40.
  • Zürcher Denkmalpflege (Hrsg.): 9. Bericht 1977/78, I. Teil (Kanton Zürich, Stadt Winterthur und Stadt Zürich, staatseigene Objekte) - S. 223-224

2 Kommentare:

Wiachiana-Verlag hat gesagt…

Überraschung beim Durchsehen der Sitemeter-Statistik. Der Mühlen-Artikel hat 37 Erstzugriffe in nur 8 Stunden. Ausgerechnet dieser Artikel, von dem der Autor dachte, er würde keinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken. Da reibt man sich schon etwas die Augen. Und kann bloss vermuten, dass der beliebteste Dienst des Internet, e-mail, eine massgebende Rolle gespielt hat. Virales Marketing?

Wiachiana-Verlag hat gesagt…

Berichte über den letzten Samstag in der Geigenmühle Neerach:

Beatrice Joho im «Neuen Bülacher Tagblatt» vom 29. Mai 2006: Don Quichote hätte seine helle Freude. Schweizerischer Mühletag — Besucheransturm auf Neeracher Geigenmühle

Sandra Zrinski im «Zürcher Unterländer» vom 29. Mai 2006: Der Verkauf rückt näher. Neerach: Interessengemeinschaft Pro Geigenmühle gegründet