Aus dem Büchlein «Die Kirche zu Weiach» von Emil Maurer könnte man dies beim flüchtigen Überlesen schliessen. Stehen doch da im Abschnitt über die Glocken von 1843 drei Gedichte, je zugeordnet der Grossen Glocke, der Betzeitglocke (mittlere) und dem Totenglöcklein (kleine Glocke). Bei diesen Reimen soll es sich nach Maurers Angaben um «Glockengedichte von Spitteler» handeln.
«Spitteler schrieb mythologische Epen, in denen antike Götter und Heroen modern umgedeutet werden. Er war auch Landpfarrer, Lyriker, Erzähler und Essayist. Internationaler Ruhm folgte 1919, als er den Nobelpreis für Literatur erhielt», behauptete die deutschsprachige Wikipedia noch Mitte Februar 2006 (Artikel mittlerweile überarbeitet; Landpfarrer war er offenbar nie). Gemeint ist der Schriftsteller Carl Friedrich Georg Spitteler, geboren 24. April 1845 in Liestal; gestorben 29. Dezember 1924 in Luzern.
Dass es sich bei diesem Weiacher Spitteler um den gerade erwähnten handelt, ist schlechterdings unmöglich, wenn man sich die Jahrzahlen anschaut. Denn Glocken sind aus einem Guss, eine nachträgliche Anbringung einer Inschrift ist kaum möglich.
Ausserdem sind Carl Spittelers Gedichte unter dem Namen «Glockenlieder» bekannt, wurden 1906 erstmals herausgegeben – und zumindest in den 10-bändigen Gesammelten Werken (herausgegeben von Gottfried Bohnenblust, Wilhelm Altwegg und Robert Faesi; Zürich 1945-1958; Band 3 mit den Glockenliedern) habe ich diese Texte nicht gefunden.
Also doch kein Nobelpreisträger im Kirchturm. Das ist aber nicht weiter schlimm. Haben die Reime doch auch so ihre Kraft. Und wer weiss – vielleicht hat sie ja tatsächlich ein Landpfarrer verfasst:
Grosse Glocke:
«Wo immer wird mein Ton erschallen,
Soll jeder gern zum Tempel wallen.
Wo Gottes Wort rein wird verkündet,
Die Seele Trost und Labung findet».
Mittlere Glocke: (Betzeitglocke)
«Bist müde von der Arbeit du
So lade ich dich ein zur Ruh
Und wenn dann froh dein Tag erwacht,
Mein Ruf dich wieder munter macht.
O Mensch gedenk zu jeder Frist,
Dass du in Gottes Händen bist».
Kleine Glocke: (Totenglöcklein)
«Du eilest jetzt der Heimat zu
In deine ewige Himmelsruh,
Wo dein Heiland, Jesus Christ,
Ewig nun dein alles ist».
Quelle
- Maurer, E.: Die Kirche zu Weiach, Weiach, [1965] (Hrsg.: Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Weiach) – Abschnitt: Die Glocken
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