Samstag, 31. Dezember 2005

Das Glück nicht hinauswischen

Der letzte Tag des Jahres ist immer ein besonderer Anlass zum Zurückschauen. Wie haben die Menschen in unserer Gegend früher zurückgeschaut und was hat man an diesem Tag gemacht?

Traditionelle Silvesterfeier mit Verlesung der Kasualien

Blättern wir in den Jahreschroniken von Walter Zollinger, so findet man zwar für 1955 keinen Eintrag, dafür aber für die drei vorangehenden Jahre:

1952: «Auch die regelmässig veranstaltete Sylvesterfeier in der Kirche, an der neben einer Ansprache des Ortspfarrers auf Grund eines Bibeltextes, jeweilen eine Uebersicht der kirchl. Handlungen [Kasualien wie Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen] und der durchgeführten Kollekten u. Sammlungen gegeben wird, ist immer gut besucht. Kirchenchor und Männerchor wirken an dieser Jahresschlussfeier regelmässig mit.» 1953: «31. Dez.: Sylvesterfeier in der Kirche, abends 8 Uhr.» 1954: «am 31. Dez. wie immer, die Sylvester-Abendfeier in der Kirche unter Mitwirkung beider Chöre.» Also jeweils das traditionelle Programm, das sich heute vor allem insofern verändert hat, als es die beiden Chöre nicht mehr gibt.

Eine ganze Stunde läuten

Etwas später folgte dann der traditionelle Jahresübergang. Nicht mit Partytreiben und Feuerwerk wie in der Stadt seit einigen Jahren üblich, aber auch mit vollem Geläut.

«Wenn am Altjahrabend die Glocken dem scheidenden Jahr den letzten Gruss gewidmet haben und die Kirchenuhr zwölf Mal geschlagen hat, hebt alsbald das Glockenspiel von neuem an; es grüsst das neue Jahr. Während heute gewöhnlich etwa eine halbe Stunde lang das volle Geläute ertönt, dehnte man früher [um das Jahr 1709 am Zürichsee] diesen ehernen Gruss eine ganze Stunde aus», berichtet Emil Stauber in seinem zweibändigen Werk über Sitten und Bräuche im Kanton Zürich aus der ersten Hälfte der 1920er-Jahre (siehe Quellenangabe).

Da ist man heute schon etwas bescheidener: Für die Verabschiedung des alten und die Begrüssung des neuen Jahres wird in Weiach je eine Viertelstunde geläutet. Von 23:45 bis 00:15 - unterbrochen durch die zwölf Stundenschläge. In den Zeiten vor 1957 war das eine anstrengende Angelegenheit; das Geläute war vorher nämlich nicht mit elektrischem Antrieb und Zeitschaltung ausge­rüstet. Die Helfer des Sigristen (meistens Familienangehörige) mussten diese Arbeit übernehmen. Zum Jahreswechsel war sie besonders anstrengend. Erst recht vor 300 Jahren.

Obligatorische Glückwunschbriefe

Gegen Ende des Jahres wünscht man sich auch heute noch ein gutes neues Jahr. Meistens freiwillig. In früheren Zeiten war das für die Schulkinder eine obligatorische Angelegenheit: «Bis gegen das Ende des vorigen [19.] Jahrhunderts mussten in vielen Schulen, wenigstens auf der Land­schaft, die Schüler am Silvester einen Glückwunschbrief an die Eltern von der Tafel in der Schule oder nach Diktat des Lehrers schreiben.» (Stauber 1924 – S. 104ff.)

Putzen nur bis zum Altjahrläuten erlaubt

An Silvester schrieben die Kinder nicht nur Glückwunschkarten an die Eltern. Da sorgte man mit ihrer Mithilfe auch eifrig für die kommenden Festtage vor. Beinahe in jeder Familie wurden für die Ta­ge nach der Jahreswende grosse Mengen an «Tirggeli, Küechli und Anken­weggen für den eigenen Ge­brauch und zum Ver­schenken» gebacken. «Nach vollendeter Bachete wurde noch wacker geputzt in den Häusern. Wenn es aber das alte Jahr ausläutete, durfte nach Ansicht der Alten niemand mehr einen Besen an­rühren; bis am Berchtoldstag [2. Januar] durfte man nicht wischen, sonst wische man das Glück hinaus.» (Stauber 1924 – S. 104ff.)

Quellen:
Stauber, Emil: Sitten und Bräuche im Kanton Zürich, In: Neujahrsblatt der Hülfsgesellschaft in Zürich. I. Teil, 122. Njbl. Zürich 1922; II. Teil 124. Njbl. Zürich 1924.

Weiterlesen in:
«Helse» an Neujahr, Fäschte am Bärchtelistag. Bräuche zum Jahresanfang gestern und heute. Weiacher Geschichte(n) Nr. 50. (im Druck veröffentlicht in den «Mitteilungen für die Gemeinde Weiach», Januar 2004 – S. 13-18.)

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