Freitag, 19. Mai 2006

Kirchen im Dutzend

Nein, im Dutzend sind sie nicht billiger. Und vor allem sind sie keine Massenware, die Kirchen im Zürcherland. Es gibt zwar Ähnlichkeiten, aber wohl keine zwei bis ins Detail identischen Kirchen.

Vor einigen Tagen bin ich auf eine mir bisher unbekannte Publikation gestossen: ein schwarz-weiss bebildertes Verzeichnis der evangelisch-reformierten Kirchen des Kantons Zürich. Herausgegeben hat es der Sigristen-Kantonalverband Zürich im September 1975.

Sigristen (in anderen Landesgegenden Mesmer, in Deutschland auch Küster genannt) sind die guten Geister, ohne die nicht nur unsere Kirchen voller Staub und Spinnweben wären, sondern auch viele liturgische Handlungen, wie Abendmahl und Taufen nicht einmal halb so problemlos abliefen wie man sich das gewohnt ist. Sigristen wirken im Hintergrund und so ist es auch nicht verwunderlich, dass in der Festschrift zum 50-jährigen Bestehen ihres Kantonalverbandes die Stätten ihres Wirkens und nicht sie selber abgebildet sind.

Von Pfarrer Brennwald eigenhändig erbaut?

Natürlich fehlt in dem 141 Seiten starken Büchlein auch die Kirche von Weiach nicht. Links neben dem Bild steht die Erklärung:

«Erbaut 1706 durch Pfr. Heinrich, Brennwald, Pfarrer ab 1693 in Weiach. Letzte und umfassendste Renovation 1966-1968. Die Turmuhr wurde 1856 von der Firma Mäder, Andelfingen, erstellt. Von der Glockengiesserei Keller, Zürich-Unterstrass, wurde 1842 das Geläute gegossen in: as 690 kg, c’’ 340 kg und es’’ 195 kg. Die Orgel, mit 16 Registern, aus dem Jahre 1969, stammt aus der Werkstatt von Neidhart, St. Martin NE. 300 Sitzplätze.»

Nun müssen dazu einige Bemerkungen angebracht werden.

Es stimmt, dass die Kirche in der Amtszeit von Pfr. Brennwald gebaut wurde. Aber ob er wirklich als Baumeister gelten darf? Im Kirchturmdokument von 1706 bezeichnet er sich zwar selbst als «dieses bauwes directore und quästore». Inwiefern ihm die Bauleitung oblag oder ob diese nicht eher dem Festungsbaumeister Hans Caspar Werdmüller zukam (vgl. WeiachBlog vom 13. März über den «Kunstführer durch die Schweiz»), wird hier nicht weiter erörtert.

Turmuhr von 1856?

Auch die Angabe über die Turmuhr ist mit Vorsicht zu geniessen, wie die folgende Passage von Zollinger zeigt: «Im Jahre 1856 wurde die Turmuhr unter Benützung der alten Zeiger, Gewichte und des Zifferblattes von Uhrmacher Joh. Rud. Frech aus Wiedikon renoviert.» Die heutige Turmuhr stammt zwar tatsächlich von der Turmuhrenfabrik Mäder in Andelfingen, wurde aber erst 1929 eingebaut, wenn man der Mehrzahl der gedruckten Quellen Glauben schenken will.

Geläute und Orgel

Ob die Glocken wirklich schon 1842 gegossen wurden? Der Auftrag dazu ist wohl in diesem Jahr erteilt worden. Nach Zollinger 1972 war es nämlich am 22. Januar 1842 [recte: 1843; vgl. WeiachBlog Nr. 1582 v. 17. September 2020] als «beim Läuten die grösste Glocke von 1682 plötzlich gesprungen» sei. Die Jahrzahl auf den Glocken ist - nach allem was ich bisher weiss - klar 1843. Das ist also entweder ein Fall von Vordatierung (im Wissen darum, dass die Glockenweihe 1843 stattfinden würde) oder der Guss war erst im Jahre 1843 vollendet.

Die Stimmung des Geläutes wurde am 2. Mai bereits in WeiachBlog erwähnt (vgl. den Artikel «Musterhafte Langlebigkeit: Kirchenglocken»). Im Gegensatz zu vielen anderen Publikationen sind hier die individuellen Gewichte der drei Glocken aufgeführt (Maurer erwähnt nur ein Gesamtgewicht von 1200 kg, 25 kg weniger als die Summe der obigen Zahlen).

Auch über die Orgel gibt es weitere bereits publizierte Informationen. Zu nennen ist insbesondere das Büchlein «Eine neue Orgel für die Kirche Weiach» (Autor: Emil Maurer. Hrsg.: Kirchenpflege Weiach, 1966). In der Reihe Weiacher Geschichte(n) kamen die Orgeln zur Sprache, besonders die Vorgängerin der heutigen (vgl. den Artikel Nr. 68 mit dem Titel «Zeitgeschmack und Holzwurmsorgen»).

Quellen

  • Zürcher Kirchen. Verzeichnis der evangelisch-reformierten Kirchen des Kantons Zürich. Erschienen im Eigenverlag des Sigristen-Kantonalverbandes Zürich zum Jubiläum seines 50-jährigen Bestehens im September 1975 – S. 136.
  • Zollinger, W.: Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach. (Chronik Weiach. 1271-1971). 1. Aufl. 1972, 2., ergänzte Aufl. 1984 (ebenfalls abgedruckt in: Brandenberger, U.: Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes. Dritte, überarbeitete Auflage von Walter Zollingers «Weiach. 1271-1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach». Oktober 2003 - S. 38 und 40/41.)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Kirchenglocken machen leider vorallem viel Lärm - vorallem während der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten!

Wiachiana-Verlag hat gesagt…

Wer direkt neben einer Kirche seinen Wohnsitz wählt ist selber schuld. Die
Dasselbe gilt - mutatis mutandis - für die Wohnsitznahme an stark befahrenen Strassen, unter Flugschneisen, etc.
Also: Wegziehen oder Klappe halten.

Wer Glockengeläut als Lärm bezeichnet und aktiv dagegen kämpft, der ist meines Erachtens als Feind des christlichen Abendlandes zu bezeichnen. Und wie ein Feind zu behandeln.