Montag, 17. April 2006

17 Ausflüge zu den alten Römern in der Schweiz

Am Gründonnerstag war ich wieder einmal in einem Bücher-Brocky. Mit klarem Ziel: die Helvetica-Abteilung nach Büchern durchzusehen, die Weiach in irgendeiner Form erwähnen.

Und bingo! Bin ich doch prompt über ein schmales, 200 Seiten umfassendes Bändchen mit grünem Plastikeinband gestolpert, das ich bisher nicht kannte. Den Reiseführer eines englischsprachigen Autors: 17 Ausflüge zu den alten Römern in der Schweiz von Jerome H. Farnum aus dem Jahre 1972.

Für Autotouristen geschrieben

In der Einleitung (Zu diesem Führer) legt der Autor die Beweggründe dar, das Büchlein zu schreiben: «Viele Überreste sind in Führern und auf Karten vermerkt, doch scheint es keine Beschreibung zu geben, die den Besucher darüber informiert, was er an einem freien Tag oder Wochenende besichtigen kann. Mein Wunsch war es, diese Lücke zu schließen.». Das ist ihm gelungen. Wenn auch im Stil der 70er-Jahre.

Der 4. Ausflug ist nämlich auf Autotouristen ausgelegt. Er trägt den Titel: «Von Zurzach nach Schaffhausen: Die Wachttürme bei Rümikon, Weiach und Ellikon, die Brücke über den Volkenbach und die Römerstraße bei Neunkirch».



Der Text zum Rümiker Wachtturm ist von diesem Bild begleitet, das eine mögliche Konstruktion eines solchen Wachtturms zeigt, samt Graben und Palisadenzaun.

Abgesehen von einem Bild auf der Trajansäule (Dakier-Feldzug, 113 n. Chr.) in Rom haben wir - ausser den Abmessungen der Fundamente, deren Tiefe und einigen Ziegelresten - wenige Hinweise darauf, wie die in der Spätantike zur Zeit Kaiser Valentinians I. um 374 n. Chr. an der Rheinlinie erbauten Wachttürme genau ausgesehen haben.

Wachtturm bei Weiach

Zur Weiacher Textstelle. Der Cicerone hat den Besuch beim Wachtturm von Rümikon (Kt. Aargau) beendet und wendet sich nun rheinaufwärts Richtung Kanton Zürich:

«Nun kehrt man zum Wagen zurück und folgt der Hauptstraße in östlicher Richtung durch Kaiserstuhl und Weiach. Etwa 2,5 Kilometer nach Weiach zweigt links ein Feldweg ab und führt dem Ostrand eines kleinen Wäldchens entlang. Auf diesem Feldweg überquert man die Bahngeleise, erreicht nach weiteren hundert Metern eine Straßenkreuzung und biegt dort links zum Wald hin ab».

Diesen Weg, der übrigens direkt an der Gemeindegrenze zwischen Weiach und Glattfelden liegt, kann man heute nicht mehr durchgehend befahren. Der Niveau-Übergang beim Bahnhof Zweidlen wurde nämlich schon vor geraumer Zeit aufgehoben.

Heute muss man kurz vor dem Autobahnteilstück (Umfahrung Glattfelden, A50) die Ausfahrt nach Rheinsfelden nehmen und dann Richtung Eglisau weiterfahren. Kurz nach der Bahnunterführung links abbiegen und bis zum Waldrand weiterfahren.

Dort Auto abstellen. Denn die weiteren von Farnum als befahrbar beschriebenen Teilstücke, insbesondere im Wald, sind durch den Gemeinderat Weiach mit einem Fahrverbot für Motorfahrzeuge aller Art belegt worden. Der Fussmarsch ist daher heute um einiges länger als von Farnum angegeben:

«Beim Wegweiser mit der Aufschrift «Römischer Wachtturm» wendet man sich nach links und bei den nächsten zwei Gabelungen nach rechts. Am Ende des Weges parken wir am Steilufer, das den Blick über den ganzen Fluß freigibt. Ein Fußpfad führt links stromabwärts zu den 150 Meter entfernten Fundamenten des Wachtturmes (Landeskarte 1:50 000, Blatt 215, 676.400/269.400).

Dieser Wachtturm gehört zu den kleineren Warten, deren Seiten nur acht Meter lang sind. Er wurde kürzlich ausgegraben und restauriert. Es sind jedoch nur die Fundamente erhalten, und so findet sich kein sichtbarer Eingang. Dieser Eingang muß sich auf der Flußseite befunden haben. Auf den drei anderen Seiten des Wachtturmes lag ein breiter, tiefer Graben mit einer Palisade. Von besonderem Interesse ist hier eine Metallplatte, die alle Festungen und Wachttürme zwischen Basel und der österreichischen Grenze bezeichnet. Es können nicht mehr alle diese Festungen und Wachttürme besichtigt werden, doch beweist ihre große Zahl die gewaltigen Anstrengungen der Römer zur Sicherung ihrer nördlichen Imperiumsgrenze
».

Die Zeitangabe "kürzlich ausgegraben" bezieht sich auf die Entstehungszeit des Buches anfangs der 70er-Jahre. Die Restaurierung des Wachtturms im Hard durch die Kantonsarchäologie erfolgte 1968/69.

Bei den Ausgrabungen wurde festgestellt, dass Raubgräber die Fundamente teils massiv zerstört haben. Ob der Wachtturm im Weiacher Hard so aussah wie der oben abgebildete ist unbekannt. Ein Ziegeldach hat er wahrscheinlich nicht gehabt. Der Altertumsforscher Ferdinand Keller (1800-1881) schrieb nämlich 100 Jahre vor Farnum: «Aus der gänzlichen Abwesenheit von Dachziegelfragmenten lässt sich schliessen, dass der Thurm unbedeckt war.»

[Kommentar: Dieser letzte Abschnitt wurde am 27. April umgeschrieben. Grund: In der am 17. April veröffentlichten Version habe ich behauptet, man habe viele Ziegelreste gefunden. Das stimmt nicht, wie man der älteren Literatur entnehmen kann. cf.: Keller, F.: Die römischen Warten, Speculae, längs des linken Rheinufers vom Bodensee bis Basel. In: Anzeiger für Schweizerische Alterthumskunde (ASA), 1871 – S. 237-248. Kapitel 7. Warte bei Weiach.]

Für ein Bild des Grundrisses dieses Wachtturms siehe WeiachBlog vom 25. Februar 2006: Temporinis Aufstieg und Niedergang der römischen Welt.

Anreise per Bahn

Natürlich kann man auch mit der Bahn anreisen. Am SBB-Bahnhof Zweidlen halten alle Züge der ZVV-Linie S41. Von dort sind es nur wenige hundert Meter bis zur Römerwarte im Hardwald auf Gemeindegebiet von Weiach (wie oben beschrieben), aber auch nur wenige Schritte bis zu einem weiteren Wachtturm-Fundament am Westrand des Werksgeländes des Kraftwerks Eglisau.

Quelle
  • Farnum, J.H.: 17 Ausflüge zu den alten Römern in der Schweiz. (Übersetzt aus dem Englischen von Heidi Meyer-Küng). Reihe Hallwag Führer, Bern 1972. Mit einem Anhang: "The Romans and Switzerland" ISBN 3-444-10094-9 - S. 49-50 (Bild S. 48)

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