Gestern abend hat mich der Leiter der Pfadi Weiach, Frank «Gufae» Kissling, gefragt, woher der Flurname «Verfluchter Platz» stamme.
Dieser Name bezeichnet den Ort im Weiacher Hardwald, an dem man die 1969 durch die Kantonsarchäologie konservierten Fundamente eines römischen Wachtturms aus der Spätantike findet (um 374 n.Chr. erbaut; vgl. die WeiachBlog-Artikel vom 25. Februar, 13. März und 17. April).
Ortsbeschreibung von 1850 als Quelle
Eine mögliche Erklärung ist - wie so vieles - in der «Ortsbeschreibung von 1850» enthalten. Dabei handelt es sich um eines der wertvollsten und bedeutendsten Dokumente zur neueren Geschichte der Gemeinde Weiach, das folgerichtig auch in den bisherigen Monographien zur Ortsgeschichte (Zollinger 1972; 2. Aufl. 1984, vollständig überarbeitete 3. Aufl.: Brandenberger 2003) einen prominenten Platz einnimmt.
Die fadengehefteten Blätter des in gestochen scharfer deutscher Schrift verfassten Textes geben nicht nur ein gutes Abbild der wirtschaftlichen Verhältnisse in Weiach um die Mitte des 19. Jahrhunderts, sondern enthalten auch einige Trouvaillen kulturhistorischer Art, so z.B. Einsprengsel über Sagenerzählungen zu den Weinbergen im Abschnitt «Weinbau», oder eben die Erklärung für den Ende des 19. Jahrhunderts verschwundenen und nur dank den Aktivitäten der Archäologen bewahrten Flurnamen «verfluchter Platz» für den Standort der Römerwarte im Hardwald.
Die Erklärung zum Flurnamen findet man im Abschnitt «Waldbau», der von alt Zunftgerichtspräsident Baumgartner verfasst wurde. Er beschreibt den Zustand der Wälder und kommt auch auf den Hardwald zu sprechen.
Ursache: verfehlter Cultur-Plan
«Etwa 5-6 Juchart sind grösstentheils mit Gras und Waldunkraut bewachsen, was von einem verfehlten Cultur-Plane herrührt, den man vor 80 Jahren mit diesem Reviere anstellte: dasselbe wurde nämlich spärlich umgehackt und mit Frucht angepflanzt; allein das unvertilgte Unkraut überwucherte alsbald die gute Saat und eine Erndte nach der andern schlug der Massen fehl, dass man jeder weitern Cultur des Bodens überdrüssig wurde, die Schuld dem letztern gab und ihn den "verfluchten Platz" nannte, welchen Namen er bis zur Stunde trägt und tragen wird, bis eine vernünftige auf Beobachtung der nöthigen Vorschriften und auf Erfahrung gegründete Anpflanzung demselben einen andern Namen abgewinnen wird. Das zu bewerkstelligen dürfte eine zwei bis dreijährige Bebauung erst mit Cartoffeln, sodann mit Getreide vorzunehmen sein, wobei das Land von seinem Fluche gereinigt und sodann mit Kiefersaamen besäet würde; denn an dem Fortkommen dieser Holzart ist um so weniger zu zweifeln, als unmittelbar neben diesem Reviere ein sehr kräftiger Aufwuchs dieser Holzgattung sich findet, der zu den schönsten Hoffnungen berechtigt.
Diese Ansicht bleibt zwar unwidersprochen, doch ist es bis dahin nicht zum Angriff gekommen, was leider die traurige Aussicht eröffnet, dass der schuldlose Boden noch eine Zeit lang auch in das gegenwärtige Geschlecht hinein seinen angeerbten Namen tragen wird, von dem ihn zu befreien, indess ernstlich angestrebt wird.»
Vom Verschwinden und Wiederaufleben eines Namens
Als Ferdinand Keller 1866 die Hügel im Hardwald ausgraben liess und dabei in dem am Rheinbord gelegenen grossen Hügel auf die «Trümmer eines römischen Wachtthurmes» stiess, war der Flurname offensichtlich noch bekannt.
Der Wunsch von Zunftgerichtspräsident Baumgartner, den Platz von seinem unvorteilhaften Namen zu befreien, scheint erst in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts in Erfüllung gegangen zu sein, schreibt doch der Archäologe Heierli in einem Bericht aus dem Jahre 1907 über die Hügel im Hardwald:
«Der zuletzt genannte Hügel heißt der "verfluchte Platz". Er wurde von F. Keller teilweise untersucht; nachher wuchs Gras und Laubwerk über denselben, Bäume erhoben sich u. sogar der alte Name ging bei der jüngern Generation verloren.»
Aber nicht für lange. Denn nach der Ausgrabung Ende der 1960er-Jahre konservierte die Kantonsarchäologie mit den Fundamenten sozusagen auch gleich den alten Flurnamen. Durch die Erwähnung in den Tageszeitungen, vor allem jedoch in der Dorfchronik von Zollinger (1972) feierte der Name im Gedächtnis der Weiacher seine Wiederauferstehung.
Heute wird er wenigstens nicht mehr mit schlechtem Boden in Verbindung gebracht. Sondern eher unspezifisch mit Hexen und Zauberei, wie die von «Gufae» betreuten Pfadfinder vermuteten.
Quellen
- Ortsbeschreibung Weiach Anno 1850/51. Verfasser: Pfr. Konrad Hirzel, a. Zunftgerichtspräsident Baumgartner, Vieharzt Hs. Hch. Willi, Schulpfl. Joh. Baumgartner. Original aus Turmkugel, 1967 herausgenommen. Abschrift: W. Zollinger, a. Lehrer.
- Heierli, J.: Die römische Warte von Weiach-Zürich. Bericht von J. Heierli an den Vorstand der Schweizerischen Gesellschaft für die Erhaltung historischer Kunstdenkmäler. Zürich 1907 [Vermerk: Recu le 27 août 1907 (N°1148); Fundort: Eidgenössisches Archiv für Denkmalpflege,Bern, Signatur: Confoed. helvet. Monum. histor. No. 14904e]
- Ueberreste der römischen Rheingrenze. In: Zürichbieter, 12. August 1969.
- Furrer, G.: Restaurierung des spätrömischen Wachtturms bei Weiach. In: Neue Zürcher Zeitung, Mittwoch, 13. August 1969, Abendausgabe Nr. 493 – S. 15.
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