Sonntag, 16. April 2006

Bussgeld für sonntägliche Wirtshausbesuche

Heute ist Sonntag. Ostersonntag um genau zu sein. Einer der höchsten kirchlichen Feiertage überhaupt. Und selbst in unserer durchsäkularisierten Gesellschaft sind Karfreitag und Ostermontag noch allgemeine Feiertage.

Trotz Feiertag: Wirtshausbesuche sind erlaubt. Den Kirchenbesuch erwartet man dagegen heute von niemandem mehr - nicht einmal mehr an Ostern oder Weihnachten.

Vor etwas mehr als 300 Jahren war das im Zürichgepiet noch ganz anders. Da musste man nicht nur an der eigentlichen Predigt teilnehmen; auch bei der Kinderlehre, der Unterweisung der noch nicht Erwachsenen, war Anwesenheit Pflicht. Sonntag für Sonntag.

Ins Wirtshaus während des Gottesdienstes - ein teurer Spass

Der Rechnung 1692/93 der Obervogtei Neuamt kann man entnehmen, dass damals die Wirtshäuser im benachbarten Kaiserstuhl bei den Jungen offensichtlich höher im Kurs standen als die Kirche. Bussen wie die folgende wurden häufig ausgesprochen:

5 lib. «Wider von einigen jungen leüthen wegen lauffens am sontag nach Keysserstul.»

Das muss eine Pauschale gewesen sein. Leider gibt es keine Angaben darüber, wie viele junge Leute (insgesamt?) 5 Pfund bezahlen mussten.

Sehr teuer wurde es für einen schon im Vorjahr wegen der Anstiftung zur Missachtung von Seuchenvorschriften belangten Amtsträger:

18 lib. «Joglj Baumgartner, weibel ze Weyach, wegen ergerlichen lebens in ganz schlechter besuchung der kinderlehren und lauffung nach Keyserstul in währung der selben am sontag.»

Um einen Eindruck von den Geldwerten zu geben: 1 Gulden (fl) = 2 Pfund (lib.) = 40 Schilling (ß). Futter für ein Pferd kostete 1679 pro Tag einen halben Gulden (fl). Die Jahre 1689 bis 1695 waren in der Ostschweiz ausgesprochene Hungerjahre mit vielen Missernten. Der Futterpreis verdoppelte sich nahezu. Ein Hase kostete im November 1690 2 lib.; sechzig Pfund Rindfleisch 10 lib. 10 ß. Eine solche Busse schmerzte den kleinen Landmann also durchaus. Zumal sich die wenigsten regelmässig Fleisch leisten konnten.

Ein Weibel hat Vorbild zu sein

Der Grund für die hohe Busse lag wohl in der Vertrauensstellung des Weibels, der eigentlich den Obervogt in seiner Aufgabe, für Ordnung zu sorgen, unterstützen sollte.

Zu der Meldepflicht eines Weibels hält das Zürcher Ratsmanual (Protokoll) vom 27. Oktober 1679 folgendes fest: «Den hh obervögten im Nöüwen Ambt ist gwallt gegeben, wann fehlbahre sachen in jhrer obervogtey vorgiengen und von dem undervogt und weibel nicht geleidet wurden, dieselben gebührend abzůstraffen oder gar jhrer diensten ein zeith lang still zů stellen.» [hh=herren]

So stellte die Obrigkeit sicher, dass ihre Amtsträger nicht beide Augen zudrückten, wo sie hätten Meldung erstatten sollen. Ob Joglj Baumgartner wegen seines «ergerlichen Lebens» vom Weibel-Amt suspendiert wurde, ist nicht bekannt. Die Busse dürfte ihn unabhängig davon geschmerzt haben.

Quellen
  • Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil. Rechte der Landschaft. Erster Band. Das Neuamt. Aarau 1996, p. 99ff & 96.
  • Bussgelder (Teil 2). Teure Flüche, Schlägereien und Wirtshausbesuche. Weiacher Geschichte(n) 26. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Januar 2002 – S. 19-20.

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