Mittwoch, 13. Januar 2010

Junge Deutsche und Österreicherinnen importiert

Im WeiachBlog-Artikel vom 3. Oktober 2009 sind die Inhalte der Einleitungen zu den Chroniken 1952-1967 wiedergegeben.

Gemeint sind die Jahreschroniken - unpublizierte, nur in Form von Typoskripten im Ortsmuseum Weiach und in der Zentralbibliothek Zürich einsehbare, ebenfalls von Walter Zollinger verfasste Dokumente - nicht die «Chronik 1271-1971», von der am 29. Dezember 2009 im WeiachBlog die Rede war (Von Gesamtausgaben und Chroniken).

Die Einleitung zum Jahr 1960 habe ich wie folgt zusammengefasst: «Demographische Entwicklung. Gastarbeiter, Einheiratung von deutschen und österreichischen Bauernmädchen, Folgen der Motorisierung – Seelenlosigkeit?». Doch bilden Sie sich selber ein Urteil:

«Die nachfolgende Chronik 1960 scheint nun doch etwas umfangreicher geworden zu sein, als ihre Vorgänger. Es „läuft“ also endlich doch etwas mehr als früher. Ob dieses Mehr aber dem Dorf und seinen alteingesessenen Bewohnern zur Freude und der heranwachsenden Jugend vor allem zum Vorteil gereicht, ist eine andere Frage.

Der in den letzten Jahren mehr und mehr einsetzende Zuzug auswärtiger Familien, vor allem der Fremdarbeiter oder wie es jetzt heisst, der „Gastarbeiter“, vermag die dörfliche Einheit doch nach und nach gewiss zu verändern.

Die Einheirat einer ganzen Reihe von deutschen und österreichischen jungen Frauen in ehedem währschafte Weiacher Bauernfamilien (weil deren Söhne leider unter unsern einheimischen Töchtern ja keine mehr finden, die Bäuerinnen werden wollen) muss doch den Charakterzug der kommenden Generation ganz bestimmt beeinflussen.

Die zunehmende Motorisierung, nicht nur des Verkehrs, sondern vor allem auch der landwirtschaftlichen Betriebe, entzieht den jungen Bauern samt seiner Familie mehr und mehr dem Verwachsensein mit Grund und Boden. Es gibt doch ohne weiteres ein anderes Gefühl, wenn man beim Pflügen, Säen, Mähen u.s.w. mit beiden Füssen auf dem festen, heimatlichen Boden steht u. geht, als so vom hohen Stahlsitz einer Maschine herab gleichmütig zuzusehen, wie die Körnlein in die Furchen rieseln oder wie Halmreihe um Halmreihe automatisch umgelegt wird.

Unwillkürlich kommt einem da ein Vers Huggenbergers zu Sinn:

„Vordem ward dem Mähder sein Recht;
keck schritt einher der letzte Knecht!
…………………………………………..
Jetzo muss er sich weidlich schicken,
muss hasten u. laufen, muss flicken u. zwicken!“

Die Arbeit des Bauern wird so gleichsam „seelenlos“, so fürcht ich sehr!
»

Der als «Bauerndichter» bekanntgewordene Alfred Huggenberger (1867-1960) wuchs in der Zürcher Gemeinde Bertschikon östlich Winterthur auf und arbeitete zeitlebens in der Landwirtschaft.

Schon vor 50 Jahren war es also für junge Bauern alles andere als einfach, eine Frau zu finden. Da hat sich kaum etwas verändert.

Anmerkung: Geschrieben hat Zollinger den Text spätestens im Sommer 1962, als er das Typoskript fertigstellte und bei der Zentralbibliothek einreichte. Bis 1987 blieb es dort unter Verschluss und ist seither für die Forschung zugänglich.

Quelle
  • Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1960 - S. 2.
  • vgl. für die vollständige Sammlung: Zollinger, W.: Jahreschroniken Weiach 1952-1967. Originale: Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach [Jahrgang].

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