Dass Volksfeste und andere Festivitäten aus sittenstrenger Weltsicht nicht zu den wünschbaren Anlässen im Leben zählen, das hatte im Staate Zürich jahrhundertealte Tradition - nicht umsonst wurden regelmässig sogenannte «Sittenmandate» erlassen.
So ist es denn auch nicht verwunderlich, wenn unter Punkt 15 des Kirchenvisitationsberichts zur Periode 1912-1923 der Weiacher Pfarrer Kilchsperger auch zu den Volksvergnügungen und ihren Folgen für die Sonntagsruhe Stellung nimmt:
«Ad 15. Über viel Feste u. Volcksvergnügungen können wir uns in unserer stillen Landgemeinde nicht beklagen, doch sind der Anlässe in den Nachbargemeinde übergenug u. werden zu Fuss u. per Rad auch von hier aus besucht. Die Schiessvereine halten sich an die bestehenden Vorschriften ohne freilich dann stark in der Kirche vertreten zu sein. Flugblätter über Sonntagsheiligung werden mehrmals verteilt u. in Predigt u. Kinderlehre gegen die Entweihung des Sonntags, wie gegen das Fasnachtstreiben entschieden Stellung genommen, doch oft will es scheinen ohne grossen, sichtbaren Erfolg.»
Schiessen während der Predigt verboten
Interessant, wie hier indirekt pfarrherrliche Kritik an der Praxis geübt wird, den Tag des Herrn für Schützenfeste zu nutzen. Die Vorschriften über das Schiessen am Sonntag besagten, dass während Gottesdienste keine Schussabgabe erfolgen durfte.
Insgesamt nichts Neues unter der Sonne. Schon Jahrhunderte zuvor wurde vergeblich versucht, die sonntäglichen Besuche in Nachbargemeinden einzudämmen, wie man im Artikel Nr. 25 der Weiacher Geschichte(n) nachlesen kann (S. 41 der Gesamtausgabe).
So führt die Neuamts-Rechnung 1692/93 eine Busse von 5 Pfund auf, die erneut «von einigen jungen leüthen wegen lauffens am sontag nach Keysserstul» einkassiert worden sei. Kaiserstuhler Wirtshäuser standen bei einigen jungen Leuten offensichtlich höher im Kurs als die Kirche. (vgl. dazu auch den Artikel Bussgeld für sonntägliche Wirtshausbesuche, WeiachBlog, 16. April 2006)
Zu viel Ablenkung und Gleichgültigkeit
Unter dem Punkt «III. Sonn- u. Festtagsfeier. Gottesdienste.» geht Kilchsperger ebenfalls auf das Verhältnis zum Sonntag ein:
«Ad 23. Die Sonntagsruhe ist eher besser als früher, doch dürften manche Bauern gewisse Arbeiten schon am Samstag erledigen. Eine gewisse Gleichgültigkeit hält manche Bewohner vom Besuch des Gottesdienstes ab. Auch hindern Turnübungen u. Turnfeste, Sportsveranstaltungen, Vergnügungsfahrten viel junges Volk an einer rechten Feier des Sonntags. Wohl wird in Wort u. Schrift dagegen gearbeitet, aber was hilfts? Es muss ein neuer Geist, ein neuer Hunger nach Gottes Wort u. ein Verlangen nach Seelenruhe kommen!»
Nur wenn es dann Schwärmer vom Schlage eines Prediger Hebeisens sind (vgl. WeiachBlog Nr. 718), dann ist's auch wieder nicht recht.
Weitere Artikel zum Thema Visitationsbericht
vgl. die Übersichtsseite auf dem Portal der Weiacher Geschichte(n)
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