Sonntag, 3. Januar 2010

Verlotterung durch Lotteriewesen

Schon vor über 505 Jahren war der Staat nicht wählerisch, wenn es um das Erschliessen von Finanzierungsquellen ging.

So bediente man sich zur Deckung der Kosten des grossen Freischiessens von 1504 unter anderem der wohl aus Italien stammenden Sitte der Glückshäfen, einer Tombola mit der sich die Kaufleute unverkäuflicher Handelsware zu entledigen pflegten. Am letzten Tag des Schiessens wurde der Glückshafen geschlossen und «uff des heilgen krütz abend zů herbst», also am 16. September 1504, fand das «usnemen der zedlen us dem glückshafen» statt – die öffentliche Ziehung.

Vergl. dazu Weiacher Geschichte(n) Nr. 58: Lotterie-Fieber vor 500 Jahren. Weiacher im Glückshafenrodel des Freischiessens zu Zürich von 1504. (Gesamtausgabe, S. 160-161, wo auch erklärt wird, was der Unterschied zwischen Lotterie, Lotto und Tombola ist.)

Staatliche Verbote gegen Glücksspiele

Mit Glückshäfen war leicht viel Geld zu machen. Schon 1495 nutzte dies ein Wirt in Dietikon aus, der einen privaten Hafen organisierte und so von der Spiellust seiner Landsleute profitierte.

Noch heute sind die Schweizer passionierte Spieler: «Pro Jahr werden in der Schweiz mit Lotterien, Losen und Wetten sowie in den Casinos über zwei Milliarden verspielt – pro Einwohner mehr als in jedem andern Land Europas.» (Cash, 19. Mai 2004). Glücksspiele – vor allem wenn es dabei um Geldgewinne ging – wurden daher nach 1550 in der Eidgenossenschaft weitherum verboten.

Tombola ist bewilligungspflichtig

Lotto im Säli, Tombola an der Abendunterhaltung des Turnfestes. Das ist gang und gäbe. Und auch hier geht es darum, unter Ausnutzung der Spiellust die eigene Kasse zu füllen, sei es die von Vereinen (oder gar die von Privaten). Wenig verwunderlich, dass sich die kirchlichen Sittenwächter auch dieses Lotterbettes annahmen.

Unter Punkt 16 des Kirchenvisitationsberichts zur Periode 1912-1923 äussert sich der Weiacher Pfarrer Kilchsperger kurz und knapp:

«Ad 16. Das Lotteriewesen ist in unserer Bauernbevölkerung nicht zu Hause, u. sollten kirchl. u. gemeinnützige Kreise den "Lottergeist" nicht wecken oder bestärken.»

Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung musste bei der Polizeidirektion eine Bewilligung einholen, wer eine Tombola ausrichten wollte. In den Beständen des Staatsarchivs des Kantons Zürich findet man entsprechend unter der Signatur Z 6.5219 die Akten zum Bewilligungsgesuch des Turnvereins Weiach aus dem Jahre 1944.

Weitere Artikel zum Thema Visitationsbericht

vgl. die Übersichtsseite auf dem Portal der Weiacher Geschichte(n)

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