Walter Zollinger gab 1972 in seiner Monographie über die Geschichte von Weiach eine erste Zeitangabe, seit wann es diese Dienstleistung gibt:
«Bereits um 1800 hatte die Gemeinde ihre Stadtboten, die vor allem die amtliche Post für den Staat und das Militärwesen zu vermitteln hatten. Anno 1835 stellte Weiach dann einen eigenen Zürcher Freitagsboten in Jakob Meyer, der im einstigen Winzelnhof wohnte. Dieser führte auch private Aufträge nach und von der Stadt aus. Bei starkem Verkehr bewilligte man ihm ein Pferd. Später war es ein weiterer Gemeindebürger namens Griesser, der jetzt schon zweimal wöchentlich und per Fuhrwerk zur Stadt fuhr.» (Fassung nach Brandenberger 2009 - S. 50)
Schon vor 1800? Hinweis durch Zuname
Nun kann einer amtlichen Publikation aus der Zeit der Helvetik entnommen werden, dass es den Weiacher Zürich-Boten wohl schon im späten 18. Jahrhundert gegeben hat - nicht erst um 1800:
«Der von Elisabetha Heer von Märstetten, im Canton Thurgäu, dermahlen zu Weyach sich aufhaltend, der Paternität angeklagte Jakob Meyenhofer, Botten Sohn von Weyach, wird hierdurch von Seite des Distriktsgericht Bülach peremtorie & sub poena contumatie aufgefordert auf Mittwochen den 26. May a.c. Morgens um 7 Uhr vor dem Distriktsgericht zu Bülach zu erscheinen, und sich gegen diese Klage zu verantworten, ausbleibenden Falls in Contumatiam darüber abgesprochen werden wird. Geben vor dem Distriktsgericht Bülach den 28. Aprill 1802. Gerichts Canzley Bülach.» (Zürcherisches Wochen-Blatt, Nro. 38, Donnstag den 13. May 1802)
Mit anderen Worten: da bei dieser Vaterschaftsklage einer Thurgauerin vom (wohl volljährigen) Sohn eines Meyerhofer die Rede ist, der den lokal gebräuchlichen Zunamen «Botten» trägt, liegt der schriftliche Beweis vor, dass es das Boten-Amt bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gegeben haben muss.
Solche professions- bzw. amtsbezogene Namen bilden sich nämlich in aller Regel erst dann aus, wenn das Familienoberhaupt die fragliche Tätigkeit während längerer Zeit ausgeübt hat. Denn schliesslich musste jedermann klar sein, welcher Jakob Meyerhofer hier gemeint ist.
Peremtorie? Sub poena contumaciae?
Zu dem in dieser Vaterschaftsangelegenheit verwendeten Begriff «peremtorie» findet man im «Grossen Universal-Lexicon» des 18. Jahrhunderts von Johann Heinrich Zedler die Erklärung: «peremtorie heisst unverzüglich zum letzten mahl und ohne weitere Frist» (Sieben und zwanzigster Band, pag. 355)
Die Rechtsformel «sub poena contumaciae» war damals bei Gerichten sehr beliebt. Warum wird in Meyers Konversations-Lexikon von 1888 (Band 10, S. 52) erklärt:
«Kontumaz (lat. contumacia), in der Rechtssprache der Ungehorsam gegen eine gerichtliche Auflage oder Ladung. Der Ungehorsame heißt Kontumax. Folgen der Kontumaz sind in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten: Ausschluß (Präklusion) der betreffenden prozessualischen Handlung, welche Gegenstand der richterlichen Verfügung war, oder fingiertes Zugeständnis der in Frage stehenden Behauptung der Gegenpartei. So wird z. B. der Beklagte, welcher sich auf eine Klage in dem dazu gesetzten Termin nicht einläßt, »zur Strafe Ungehorsams« der Klage für geständig erachtet und nach dem Klagegesuch (»in contumaciam«) verurteilt.
Das Verfahren in solchem Fall wird Versäumnisverfahren genannt. Der Antrag der Gegenpartei, daß auf die Folgen der Kontumaz erkannt werden möge, heißt Ungehorsamsbeschuldigung (Kontumazklage), das dem entsprechend erteilte Erkenntnis Versäumnisurteil oder Kontumazialbescheid (s. Versäumnis). Im Strafverfahren wird das Kontumazialverfahren von der deutschen Strafprozeßordnung als das »Verfahren gegen Abwesende« (§ 318 ff.) bezeichnet und behandelt, das Verfahren gegen Abwesende, welche sich der Wehrpflicht entzogen haben, insbesondere § 470 (s. Ungehorsam). In einem andern Sinn bedeutet Kontumaz s. v. w. Quarantäne (s. d.). – Kontumazieren, wegen Nichterscheinens verurteilen.»
Vgl. dazu den Artikel Weiacher Geschichte(n) Nr. 11, welcher über eine Vorladung desselben Distriktgerichts Bülach berichtet, die am 28. Oktober 1800 in der «Züricher Zeitung» (heutige NZZ) publiziert wurde. Auch dort wurden diese beiden Rechtsbegriffe verwendet.
Das Verfahren gegen Abwesende war übrigens auch noch Jahrzehnte später beliebt. Das geht aus dem am 26. Oktober auf WeiachBlog publizierten Beitrag über die Scheidungsklage «Meierhofer Seidenruedis» deutlich hervor. Die Rechtsfolgen sind 1867 lediglich für den juristischen Laien verständlicher umschrieben als noch in den Jahren 1800 bzw. 1802.
Quellen und weiterführende Artikel
- Zürcherisches Wochen-Blatt, Nro. 38, Donnstag den 13. May 1802
- Ehefrau davongelaufen – eine Klage vor Distriktgericht (Teil 1). Weiacher Geschichte(n) Nr. 11. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Oktober 2000.
- Brandenberger, U.: Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes. Vierte, überarbeitete Auflage von Walter Zollingers «Weiach. 1271-1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach». Online-Ausgabe, Dezember 2009 - S. 50.
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