Freitag, 29. Oktober 2010

Wo der «Sternen» und die Ziegelhütte standen

In der Graphischen Sammlung der Zentralbibliothek Zürich liegt PAS 547, ein Band mit kolorierten Handskizzen des Kartenzeichners Heinrich Keller d.Ä. (1778-1862).

Diesem fleissigen Kartographen und Panoramazeichner verdanken wir den frühesten erhalten gebliebenen topographischen Plan des Ortskerns von Weyach, der auch die Proportionen massstäblich ziemlich korrekt abbildet.

Ungewöhnliche Signaturen

Wenn man Blatt 66 des genannten Bandes PAS 547 genau unter die Lupe nimmt, dann entdeckt man neben den Quadraten, die die gewöhnlichen Wohnhäuser bezeichnen, auch Signaturen wie ein «Pf». Diese Abkürzung steht für das Pfarrhaus, das gleich neben der Kirche liegt:

Oder einen ausgefransten grünen Punkt direkt am zentralen Dorfplatz und daneben die Bezeichnung «Linden». Da muss damals wohl ein markanter Baum gestanden haben. War es die alte Dorflinde von der Walter Zollinger erzählt?

«Nach Aussage ältester Gemeindebürger soll einst eine Linde gegenüber der Alten Post (an der alten Zürcherstrasse) gestanden haben», schreibt er in seiner Monographie «Weiach 1271-1971» (vgl. 4. Auflage, S. 33). Nach Kellers Plänchen zu schliessen, dürften Zollingers Gewährsleute recht gehabt haben.

Gebäude von öffentlichem Interesse

Und dann sind da noch weitere, seltsame Signaturen: zwei übereinander liegende Winkel sowie ein Dreieck, dessen nach Süden zeigende Spitze einen Grundstrich aufweist. Wie beim Pfarrhaus handelt es sich bei diesen beiden Objekten um Häuser mit obrigkeitlichem Privileg.

Die beiden Winkel stehen für die Ziegelhütte, welche an der Verzweigung Büelstrasse/Luppenstrasse am Platz des heutigen Gebäudes Luppenstrasse 2 stand. Diese Ziegelhütte ist seit dem Spätmittelalter bezeugt (wenn auch nicht sicher ist, dass sie immer am selben Platz stand) und hatte ein obrigkeitlich garantiertes Monopol. Im Austausch dafür musste der Ziegler seine Produkte zu verbilligtem Preis u.a. an die Stadt Kaiserstuhl liefern.

Wann hat der «Sternen» gezügelt?

Das Dreieck mit Grundstrich steht für den «Sternen», während Jahrhunderten das einzige mit obrigkeitlichem Tavernenrecht ausgestattete Wirtshaus in Weiach. Diese Signatur findet man auf der Kellerschen Karten-Skizze nicht an der Hauptstrasse (Basel-Winterthur), wo man sie heute erwarten würde, sondern am früheren zentralen Dorfplatz: der heutigen weichenartigen Verzweigung von Oberdorfstrasse, Alter Post-Strasse und Winkelstrasse.

Der «Sternen» stand damals auf dem Platz zwischen Winkelstrasse und Oberdorfstrasse, wo heute das Bauernhaus Oberdorfstrasse 7 zu finden ist. Dieses Gebäude wurde gemäss kantonaler Gebäudeversicherung in seinen tragenden Teilen im Jahre 1801 errichtet.

Wenn man diese Information mit einem Auszug aus der Schrift «Die zürcherischen Tavernenrechte» von Edwin Hauser aus dem Jahre 1935 kombiniert, dann wird klar, dass man dieses Haus eigentlich auch «Zum alten Sternen» nennen könnte:

«Verlegung bewilligt: Der Regierungsrat bewilligt am 5. November 1829 den Gebrüdern Hans Ulrich, Hans Jakob und Johannes Schenkel in Weiach, ihre Taverne von ihrer bisherigen, zu einer Wirtschaft nicht geeigneten Wohnung auf ein an der Landstrasse nach Kaiserstuhl neu zu erbauendes Haus zu verlegen.»

Das Baujahr des heutigen «Sternen» (Stadlerstrasse 2) ist also in seinen Grundzügen auf das Jahr 1830 oder kurz danach zu veranschlagen.

Aus all diesen Informationen ergibt sich, dass Kellers Weyacher Plänchen wohl vor 1830 entstanden ist. Vielleicht 1828, denn das in ähnlichem Stil gezeichnete Plänchen von Glattfelden hat er selber auf den 10. Juni 1828 datiert.

Quellen und weiterführende Literatur
  • Keller, Heinrich: Weyach. Signatur: ZBZ PAS 547 fol. 66
  • Billeter, Gustav: Die ehehaften Tavernenrechte im Kanton Zürich. Diss. Univ. Zürich, 1928.
  • Hauser, Edwin: Die zürcherischen Tavernenrechte: Übersicht für die Finanzdirektion und das Staatsarchiv zusammengestellt vom Adjunkten des Staatsarchivs. Zürich 1935
  • Brandenberger, Ulrich: Weiach. Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes. Vierte, überarbeitete Auflage von Walter Zollingers «Weiach. 1271-1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach». Online-Ausgabe Dezember 2009 - S. 33.

Keine Kommentare: