Sonntag, 24. Oktober 2010

Die Normalität im Wahnsinn des Krieges

Aktuell sind die Hinterlassenschaften von zwei Weltkriegen und dem Kalten Krieg wieder in den Schlagzeilen. Tausende von sogenannten Kampfbauten (Bunker und Festungen) sollen in den nächsten Jahren rückgebaut werden, sagt das VBS (vgl. NZZ vom Freitag, 22. Oktober 2010).

Ebenfalls letzten Freitag brachte der «Zürcher Unterländer» einen Artikel von Katrin Brunner, der an den heute noch sichtbaren Zeugen des 2. Weltkriegs anknüpft und eine people story daraus macht. «Schweizer Soldaten suchten die Normalität im Wahnsinn», lautet der Untertitel. Viele Bunker und Stellungen am Zürcher Rhein wurden nämlich von Aktivdienst-Soldaten gebaut. Und die wollten nicht immerzu an den drohenden Überfall durch Hitlers Truppen denken. Man lebte ja schliesslich auch noch.

Grenztruppen im Einsatz

Schon vor den ersten Kampfhandlungen zwischen Deutschland und Polen am 1. September hatte der Bundesrat die Grenztruppen mobilisiert:

«29. August 1939: Ein warmer und heiterer Tag. Die Nacht war mondhell. So steht es im Tagebuch der ersten Kompanie des Grenzfüsilierbataillons 269. Am Tag zuvor war um 9 Uhr das Verlesen mit anschliessendem Materialfassen. Nachmittags rückte die Truppe nach Weiach aus, um in der Nacht mit Grabungsarbeiten an Schützengräben, Bunkern und Panzersperren anzufangen. Der Feind sollte vom geschäftigen Treiben der Schweizer möglichst nichts mitbekommen.»

So normal wie möglich, bitte

Aus einigen etwas ausführlicher als befohlen gestalteten Einträgen in den offiziellen Kommandantentagebüchern wissen wir, was die Soldaten taten um sich das Leben so erträglich wie möglich zu gestalten. Unter dem Zwischentitel «Bissige Gäste» nimmt Brunner auf die praktischen Aspekte des Küchendienstes Bezug:

«13. September 1939: Zur Verwertung von Rüstabfällen und Essensresten kaufte sich die erste Kompanie des Bataillons 269 ein Schwein für 107,20 Franken. Bereits am Abend machte «Jda» aber ihren Stall zur Sau und büxte aus in Richtung Wald, wo sie nur mit grösster Mühe wieder eingefangen wurde.»

Anfangs nur Nachtarbeit

Dann stellt die Journalistin aber wieder den Hauptauftrag der Truppe ins Zentrum: «Ansonsten stellten sich beim Bau der Befestigungsanlagen keine grösseren Probleme, obwohl es oft an Material fehlte und das Vorhandene auch mal Mängel aufwies. Die Tagesabläufe waren in den ersten Wochen des Aktivdienstes fest vorgeschrieben. So meldet das Kompanietagebuch Arbeiten an der Verteidigungslinie zwischen Mitternacht und 4.30 Uhr. Danach zurück ins Quartier, wo es um 6 Uhr Frühstück gab. Bis 10 Uhr hatten die Soldaten Ruhe. Dann wurden die Waffen gepflegt. Der Nachmittag verging wieder mit Ausruhen und diversen Arbeiten rund ums Quartier. Um 20 Uhr ging es unter anderem wieder ans «Erstellen von Drahthindernissen». Vermehrt wurde nun auch bei Tag an den Stellungen gearbeitet.»

Ewiger Regen, kleines Jagdglück und ein Festessen

Dem Tagebuchführer der Kompanie I/269 verdanken wir weitere amüsante Vorkommnisse, die von Brunner in ihrem Artikel aufgenommen wurden:

«Bei Wind und ewigem Regen wird bei Weiach im Oktober 1939 eine Baracke erstellt. Dabei fangen die Männer einen Siebenschläfer und quartieren das vermeintlich putzige Tierchen im Büro des Kommandanten ein. Etwas später bricht auch dieses Tier, aus und es dauert etwas, bis das bissige Pelzknäuel wieder im Käfig ist.

5. November 1939: Schwein Jda erfüllt ihren Dienst am Vaterland und wird zu Wurst und Voressen verarbeitet. Um 22 Uhr sind vom Rafzerfeld her Fliegerlärm und Maschinengewehrsalven hörbar.
»

Was beim in der Gegend von Weiach stationierten Grenzfüsilierbataillon 269 während dieser Zeit trotz (oder gerade wegen) latenter Kriegsgefahr sonst noch so an Zwischenmenschlichem passierte, kann man den nachstehend aufgeführten Beiträgen entnehmen.

Quelle und weiterführende Artikel

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