Mittwoch, 13. Oktober 2010

Reprint von Nüschelers «Gotteshäusern»

Print-on-demand ist seit der Mitte der 90er-Jahre zu einer Selbstverständlichkeit geworden (vgl. den Wikipedia-Artikel Book-on-demand). Da man die Bücher jeweils nur in sehr kleinen Auflagen druckt um die Lagerkosten tief zu halten - oder sogar nur in einem einzigen Exemplar, wenn gerade jemand bestellt hat, können auch bislang kommerziell völlig uninteressante Werke aufgelegt werden.

Auch Reprints sind möglich. Also Bücher, die längst vergriffen, aber dennoch ab und zu von Interesse sind. Eines dieser Werke ist «Die Gotteshäuser der Schweiz. Historisch-antiquarische Forschungen» von Arnold Nüscheler (1811-1897).

Leider ein Etikettenschwindel

Die ersten drei Hefte sind 1864, 1867 und 1873 bei «Orell, Füssli und Comp.» in Zürich erschienen. (vgl. die bei Google Books abrufbaren in einem Band vereinigten Hefte 1 und 2; die Kirche Weiach ist erwähnt in Heft 2, S. 15).

Die Neuauflage 2010 durch den «Europäischen Hochschulverlag GmbH & Co KG, Bremen» trägt den vollmundigen Titel «Alle Gotteshäuser der Schweiz bis zum Jahre 1860».

Und der Umschlagtext legt gleich noch ein Brikett nach: «Diese einzigartige Bibliographie aus dem Jahre 1864 beschreibt alle seinerzeitigen Gotteshäuser in der gesamten Schweiz mit ihrer Geschichte, ihren Besonderheiten und vielen wissenswerten Details.»

Von nahe besehen ist diese Werbebotschaft das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt ist bzw. werden soll. Weder handelt es sich um eine eigentliche Bibliographie, in der man Bücher zum Thema erwarten würde, noch enthält der vorliegende Nachdruck «alle seinerzeitigen Gotteshäuser in der gesamten Schweiz». Der Reprint umfasst nämlich lediglich die beiden ersten Hefte aus den Jahren 1864 und 1867, die sich mit Teilen der Bistümer Chur und Konstanz befassen. Die Westschweiz fehlt völlig. Bei dieser Sachlage von der «gesamten Schweiz» zu sprechen ist Etikettenschwindel.

Insgesamt entsteht der Eindruck eines überhasteten, von keinerlei Sachkenntnis beleckten verlegerischen Schnellschusses.

Was alles in einen Reprint eingebaut werden müsste...

Es bleibt zu hoffen, dass es dereinst einmal eine wirkliche Gesamtausgabe der Nüscheler'schen «Gotteshäuser» als Reprint geben wird. Dazu müsste man aber seriöser recherchieren. Spätere «Hefte» sind nämlich nicht nur als Separata, sondern vor allem als Teil von etablierten historischen Publikationen erschienen, wie schon eine simple Suche nach «Arnold Nüscheler» auf NEBIS ergibt.

Selbstständig bei Orell, Füssli und Comp. publiziert:
  • Heft 1: Bisthum Chur. Zürich, 1864
  • Heft 2, Abth. 1: Bisthum Constanz: Archidiaconate Breisgau, Klettgau, vor dem Schwarzwald und Thurgau. Zürich, 1867
  • Heft 3, Abth. 2: Bisthum Constanz: Archidiaconat Zürichgau. Zürich, 1873

In «Der Geschichtsfreund» beim Verlag von Matt, Stans, erschienen:

  • Bisthum Constanz: Archidiakonat Aargau: Dekanat Cham (Bremgarten). In: Der Geschichtsfreund, Bd. 39 (1884), S. 75-144.
  • Bisthum Constanz: Archidiakonat Aargau: Dekanat Cham (Bremgarten), zweite Abteilung. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 40 (1885), S. 3-82.
  • Bisthum Constanz: Archidiakonat Aargau: (Dekanat Luzern), erste Abtheilung. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 44 (1889), S. 1-78.
  • Bisthum Constanz: Archidiakonat Aargau: (Dekanat Luzern), zweite Abtheilung. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 45 (1890), S. 285-336.
  • Bisthum Constanz: Archidiakonat Aargau: (Dekanat Luzern), dritte Abtheilung. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 46 (1891), S. 45-107.
  • Bisthum Constanz: Archidiakonat Aargau: (Dekanat Luzern), vierte Abtheilung. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 47 (1892), S. 117-224.
  • Bisthum Constanz: Archidiakonat Aargau: (Dekanat Luzern), fünfte und letzte Abtheilung. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 48 (1893), S. 1-80.

In «Argovia» beim Verlag Sauerländer, Aarau, erschienen:

  • Die Aargauischen Gotteshäuser in den ehmaligen Dekanaten Frickgau und Sisgau, Bisthum Basel. In: Argovia, Bd. 23 (1892), S. 121-241.
  • Die Aargauischen Gotteshäuser in den Dekanaten Hochdorf, Mellingen, Aarau und Willisau, Bisthums Konstanz. In: Argovia, Bd. 26 (1895), S. 1-129.
  • Die Aargauischen Gotteshäuser in den Dekanaten Hochdorf, Mellingen, Aarau und Willisau, Bisthums Konstanz (Fortsetzung). Argovia, Bd. 28 (1900), S. 1-66.
Weitergeführt wurde Nüschelers Werk von Konrad Lütolf, vgl.:
  • Kapitel Hochdorf. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 57 (1902), S. 93-128.
  • Dekanat Sursee. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 60 (1905), S. 163-231.
  • Dekanat Willisau. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 61 (1906), S. 221-267.

Ebenfalls zu einer Gesamtausgabe müsste ein gutes Stichwortverzeichnis gehören. Zum Beispiel das von August Waldburger verfasste 68-seitige «Register zu Dr. Arnold Nüscheler "Die Gotteshäuser der Schweiz"», das 1900 als Beilage zum «Anzeiger für Schweizerische Geschichte» erschienen ist.

Separatdrucke sind gemäss dem Online-Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek zwischen 1884 und 1893 auch beim Verlag Benziger & Co. in Einsiedeln erschienen.

Das alles müsste man also einmal seriös sichten und abklären, ob noch weitere, hier nicht aufgeführte Drucke existieren.

Aber obacht! Auch wenn man nun all diese Seiten zwischen Buchdeckeln vereinte - der 2010 vom Europäischen Hochschulverlag in der norddeutschen Tiefebene gewählte Titel bleibt Illusion. «Alle seinerzeitigen Gotteshäuser in der gesamten Schweiz» sind es dann immer noch nicht.

Quellen

  • Nüscheler, A.: Die Gotteshäuser der Schweiz. Historisch-antiquarische Forschungen. Zürich, 1864-1873; Aarau, 1892-1900; Stans, 1884-1906; Bern, 1900. (Details im Text oben)
  • Nüscheler, A.: Alle Gotteshäuser der Schweiz bis zum Jahre 1860. Europäischer Hochschulverlag GmbH & Co KG, Bremen - 2010. ISBN: 978-3-86741-310-7

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