Der öffentliche Verkehr in der Schweiz ist eine tolle Sache. Jedenfalls dann, wenn mit den Anschlüssen alles klappt. Leider sind da aber die unvermeidlichen Verspätungen und ihre Nebenwirkungen für den Kunden. Wenn es keine Bancomaten und keine Taxis gäbe, dann hätte der 7. Januar für einige Unterländer jedenfalls mit einem stundenlangen Fussmarsch durch die Kälte begonnen.
S-Bahn wartet Schnellzug-Anschluss ab
Aber alles der Reihe nach. Gestern nacht, Zürich HB, 23:37 in der S5 nach Norden. Reguläre Abfahrtszeit. Eine quäkende Stimme aus dem Lautsprecher. Ein Mitarbeiter der Betriebsleitzentrale Zürich bittet um Verständnis für die Wartezeit – man wolle den Anschluss an einen verspäteten Schnellzug sicherstellen. Routine, schon fast Alltag. Kein Problem. Es freut mich ja selber, wenn ich von weither komme und mir der letzte Zug nachhause nicht quasi vor der Nase abfährt. Dass ich ein paar Minuten später ins Bett komme, was soll’s? Das Postauto wartet ja. Dachte ich.
Postauto wartet nicht (mehr)
00:07 Uhr. Die S5 ist endlich in Bülach, ich komme aus der Bahnhofunterführung heraus. Am Busbahnhof ist weit und breit kein Postauto mehr zu sehen. Dafür steht sie unübersehbar da, die Ankündigung per Plakat: Anschlüsse würden nur noch abgewartet, wenn der Bus spätestens um 07 bzw. 37 Minuten nach der vollen Stunde abfahren könne. Auf jeder der vier Haltekanten ein Ständer mit dieser Mitteilung. Zur Sicherheit vorn und hinten je eine davon befestigt. Und alles regendicht verpackt wie eine Haltestellentafel.
Diese Verlautbarung von Postauto Zürich hatte ich Tage zuvor zwar schon gelesen, sie aber nicht so verstanden, dass das auch für die letzte Verbindung gilt. Für die Fahrten der ZVV-Linie 515 untertags mit Wendepunkt in Kaiserstuhl und erneutem Anschluss in Bülach macht diese Regelung ja Sinn. Aber jetzt?
Nabelschnur der letzten Instanz: das Taxi
Wenn man in einer kalten Winternacht auf dem leeren Busbahnhof steht, weil der letzte Bus ganz einfach abgefahren ist (statt noch zwei, drei Minuten zuzuwarten, wie das bisher Usanz war), dann kann man wirklich nur noch den Kopf schütteln, sich mit ebenfalls Gestrandeten über die offenbar erfolgte knallharte Praxisänderung ärgern, Geld abheben, dann ein Taxi bestellen und schliesslich den geforderten Preis bezahlen. In der Hoffnung, die Kosten ersetzt zu bekommen.
Das war heute kein Problem – der Kundendienst der SBB im Hauptbahnhof Zürich war kulant und ersetzte mir die 46 Franken anstandslos und ohne weitere Abklärungen.
Soll das jetzt immer so laufen?
Also alles in Ordnung? Nein. Überhaupt nicht. Denn die nächste Verspätung kommt bestimmt. Da möchte man schon wissen, ob dieses Spielchen im neuen Jahr jetzt zum Normalfall wird. Wäre dem so, dann wäre meine Meldung Fahrplanwechsel. Kaum Änderungen vom 11. Dezember ziemlich relativiert.
Die Gemeinden entlang der Linie 515 bezahlen zusammen jedes Jahr mehrere Hunderttausend Franken für ebendiese Grundversorgung. Man sollte doch meinen, dass sie ein Anrecht auf einwandfreie Leistungserbringung hätten. Und dazu gehört meines Erachtens auch, dass der letzte Bus wartet, bis alle Züge eingetroffen sind - auch die mit Verspätung. Wie gross diese sein darf, darüber kann man ja reden.
Ausserdem ist das letzte Nacht praktizierte Verfahren ein ökologischer Schwachsinn. Oder wie würden Sie das nennen, wenn dem pünktlich abgefahrenen letzten Bus noch mehrere Taxis hinterherfahren? Wirtschaftsförderung für Taxiunternehmen? Ist es für die SBB und Postauto Zürich billiger, statt der Überstunden ihrer Chauffeure die Taxikosten zu begleichen?
Ist das gar der Beginn eines systematisch und mit Hintergedanken betriebenen Leistungsabbaus? Oder pointierter gefragt: Spekuliert man darauf, dass die Passagiere sich mit der Zeit halt selber behelfen und wieder auf's eigene Auto umsteigen? SBB Cargo macht ja vor wie das geht.
WeiachBlog bleibt dran – die Recherche ist eröffnet.
1 Kommentar:
Auch auf ein e-mail mit dem Link auf diesen Artikel und spätere telefonische Nachfrage hat sich seitens des ZVV überhaupt nichts getan. Null Reaktion.
Stehengelassen wird man aber weiterhin, wie man diesem Artikel vom 9. Dezember entnehmen kann.
Wird da auf Kosten der Chauffeure gespart?
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