Mittwoch, 7. Juli 2010

«Weltwoche» von den Deutschen konfisziert

Am 1. September 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus. Die Schweizer Armee mobilisierte und stand an unserer Grenze. Auch in Weiach waren Truppen stationiert - zu Beginn des Aktivdienstes war dies die Kompanie I des Grenzfüsilierbataillons 269.

Unter dem Datum des 29.9.39 ist im Tagebuch des vorgesetzten Bataillonsstabs die folgende nachrichtendienstliche Mitteilung über die Situation im grenznahen Bereich nördlich des Rheins erhalten geblieben:

«Absender Kdo. II/269
Unterschrift: Beurer

An Kommando Bat. 269 z.H. Nof.

Gestern traf ich auf der Strasse im Abschn. Sutz einen Bekannten in Zivil, mit dem ich anno 14 als Füs. im gleichen Zuge III/71 war. Es handelt sich um Füs. Angst, Tramkond. Zch. der Folgendes aussagte:

Ich fuhr vor 14 Tagen mit dem Velo nach Rafz und passierte die Grenze mit einem grünen Passierschein des schw. Zolles. In Lottstetten konnte ich ohne Weiteres passieren, in Jestetten wurde ich auf den Posten genommen und gründlich untersucht. Sogar das Zeitungspapier, das ich als Einlagesohlen in den Schuhen trug, wurde gründlich gelesen. Man konfiszierte eine "Weltwoche" mit der Bemerkung: "Nun haben wir wieder was zum Lesen."

Zwischen Jestetten und der Schweizergrenze wohnte ich einer Patr. Ablösung bei. Der Abgelöste sagte dem Ablöser seinen Befehl und übergab ihm seine Munition, nämlich ganze 4 Patronen!!!

Auf den Feldern u. in den Dörfern sieht man nur alte Leute und Kinder. Was einigermassen gerade gewachsen ist, steckt in einer Uniform. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Grenze besetzt sei, irgendwelche Bauten habe ich nicht gesehen.

Obige Mitteilung wegen der Uebergabe der geringen Patr.Zahl hat mir eine Stunde später der Heerespolizeikorp Gz.Brig. 6 bestätigt. Zuweilen sollen die Patr. nur 2 Patr. pro Gew. haben.

Angst teilte mir noch mit, dass alle mit uralten "Flinten" ausgerüstet seien.
»

Eindrücklich, was die Pressezensur einer Diktatur in den peripheren Gebieten ihres Herrschaftsbereichs bewirken kann. Die Leute saugten regimeunabhängige Nachrichten offenbar so begierig auf wie ein trockener Schwamm das Wasser.

Quelle
  • Tagebuch des Stabes Gz. Füs. Bat. 269. Signatur Schweizerisches Bundesarchiv: BAR E5790 1869 Bd. 1

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