Freitag, 18. Juni 2010

Eine Lehranstalt für Seidenweberinnen

War man anfangs des 19. Jahrhunderts in Weiach noch auf die Seidenspinnerei beschränkt (vgl. WeiachBlog vom 17. Juni 2010), so machte sich die Gemeinde um 1844 an den Aufbau einer eigenen Seidenproduktion über die komplette Wertschöpfungskette hinweg, vom Kokon bis zum fertigen Stoff.

Erkundigungen wurden eingeholt, Maulbeerbäume gepflanzt und Raupen gezüchtet. Zu den treibenden Kräfte in dieser Angelegenheit gehörten die führenden Mitglieder des 1846 gegründeten Landwirtschaftlichen Gemeindevereins. Einer von ihnen, der Weiacher Pfarrer Hans Konrad Hirzel konnte bereits am Sängerfest des Bezirks Regensberg von 1851 eine «aus selbst gezogener Seide verfertigte Fahne» stiften.

Gross aufgezogene Produktionskapazität

Wie gross die Weyacher die Angelegenheit schliesslich aufzogen, zeigt die folgende Passage aus der 1940 publizierten Dissertation von Helene Baltensberger zum Armenwesen im Kanton Zürich:

«In Weiach wurde 1853 eine Lehranstalt für Seidenweberinnen mit ca. 40 Stühlen errichtet, die später durch Private übernommen wurde und durch die die Seidenweberei eine ziemliche Verbreitung fand. Ein gleicher Versuch wurde 1852 in Turbenthal gemacht. Lehrgeld und Webstühle wurden durch das Armengut bezahlt.» (S. 55)

Ob das Turbenthaler Modell die Weyacher inspiriert hat? Ausgeschlossen ist das nicht. Genausowenig wie die Finanzierung der Anschaffungskosten aus dem Armengut.

Gezielt Zusatzverdienst schaffen

1847 hatte man beispielsweise bereits 20 Jucharten Eichenwald im Hard gerodet und in 80 Vierlingsteilen an arme Familien verpachtet. Von dieser Hilfe zur Selbsthilfe mittels Pachtland, das aus dem Besitz der politischen Gemeinde ins Armengut transferiert wurde, versprachen sich die Steuerzahler tiefere Kosten.

Erste Erfolge dieser Wirtschaftsförderungsmassnahmen zeigten sich 1854, als man über 40 Webstühle zählte, an welchen monatlich an die 800 Franken verdient wurden.

War die Lehranstalt im «Seidenhof» untergebracht?

Stellt sich noch die Frage, wo man diese rund 40 Webstühle aufgestellt hat. Solche Maschinen brauchen ja nicht grad wenig Platz - schon eine allein füllt schnell einmal ein halbes Zimmer.

Wo die Lehranstalt sich befunden hat, darüber kann man ohne genauere Kenntnis allfällig noch vorhandener Hinweise in den Gemeindeversammlungs- und Gemeinderatsprotokollen jener Jahre nur spekulieren.

Vielleicht war die Angelegenheit von Anfang an so aufgezogen worden, dass die angeschafften Webstühle dezentral in den Stuben der Lernenden aufgestellt wurden - und nur die für die Ausbildung nötigen Stühle an einem zentralen Ort standen. Etwa im 1836 erstellten Alten Schulhaus?

Dass es sich bei dieser Lokalität um den auf der Wildkarte eingezeichneten «Seidenhof» gehandelt hat, ist eher unwahrscheinlich, denn ein mitten im Dorf gelegenes einzelnes Wohnhaus mit diesem Namen wird bereits in Friedrich Vogels «Neuem Orts-Lexikon des Kantons Zürich» von 1841 erwähnt. Interessanterweise wird in dem ebenfalls von Vogel herausgegebenen Ortslexikon aus dem Jahre 1835 der Seidenhof noch nicht aufgeführt.

Quellen
  • Baltensberger, Helene: Das Armenwesen des Kantons Zürich vom Armengesetz von 1836 bis zu den Revisionsbestrebungen der 60er Jahre. Diss. Volksw. Univ. Zürich. Verlag E. Lang, 1940.
  • Brandenberger, U.: Ziegel, Kohle, Geschirr, Seide und Wagenräder. Fünf Blicke auf ehemals blühende Handwerkszweige. Weiacher Geschichte(n) 57. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, August 2004 – S. 12-14.
  • Brandenberger, U.: Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes. Dritte, überarbeitete Auflage von Walter Zollingers «Weiach. 1271-1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach». Oktober 2003 – S. 43.

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