Wie war das Wetter vor 50 Jahren? Der frühere Weiacher Primarschullehrer Walter Zollinger schreibt in seiner Jahreschronik 1960:
«Juni: Gleich vom 1. bis 8. Juni kamen nun die fälligen Heuferien dran. Die Witterung war richtig sommerlich, immer ziemlich schwül und an den Nachmittagen sonnig, Temperaturen zwischen 25 und 30°, höchstens morgens etwas neblig oder bewölkt. Es konnte tatsächlich wacker vorwärts gemacht werden mit heuen. Dann aber gabs wieder eine zeitlang fast einen Stillstand; tagtäglich Wechsel zwischen Regenschauern, Gewittern bis zum 14.6. Von da an endlich wieder durchwegs schön bis zum 23. Juni. "Gut, so schwindet endlich das Heugras weg, es ist höchste Zeit dazu!" Die letzte Monatswoche begann mit einem Gewitter und argem Platzregen in der Nacht vom 23./24.6., dann bliebs unsicher, regnerisch oder doch mit kurzen Schauern durchsetzte und trübe Tage. Erst der 29. und 30. Juni waren wieder niederschlagslos, wenn auch zeitweise bewölkt.»
Wenn die Ferien sich nach dem Wetter richten
Heuferien! Das war die Konzession der Schule an die Bedürfnisse der bäuerlichen Familienbetriebe. Wenn es schon einmal schön war, mit leichtem Wind und starker Sonneneinstrahlung, dann mussten auch die schulpflichtigen Kinder anpacken. Sie hatten zwar schulfrei, aber nicht arbeitsfrei.
Erst 1963 wurden in Weiach die - gemäss Zollinger «jahrhundertalten» - Heuferien abgeschafft. Grund: «Man braucht auf den mechanisierten Bauernhöfen die Kinder kaum mehr zur Mitarbeit».
In der Jahreschronik 1963 liest sich dies wie folgt: «Für unser "Bauerndorf" neu ist, dass die Schulpflege sich entschlossen hat, die "Heuferien" aufzuheben und sich nun endgültig für Einführung der 5wöchigen Sommerferien aussprach, à la Stadt!». (G-Ch Weiach 1963)
Mit anderen Worten: Witterungsunabhängige Sommerferien gibt es in Weiach noch keine 50 Jahre!
Heuferien noch nicht ausgestorben
Dass man aber im Kanton Zürich auch im 21. Jahrhundert noch Gemeinden findet, welche «Heuferien» kennen, zeigt eine Zuschrift in der «Dorfposcht», dem Mitteilungsblatt der Gemeinde Thalheim an der Thur im Zürcher Weinland:
«Was schätzen Sie, wie viele Gemeinden im Kanton Zürich führen noch Heuferien durch? Es sind dies tatsächlich deren 16. Im Bezirk Andelfingen betrifft es die Gemeinden Ossingen, Thalheim a.d. Thur und Truttikon, im Bezirk Hinwil ist es die Gemeinde Fischenthal, im Bezirk Pfäffikon die Gemeinden Sternenberg, Wila und Wildberg und im Bezirk Winterthur betrifft es die Gemeinden Altikon, Bertschikon, Dinhard, Elgg, Ellikon a.d. Thur, Hagenbuch, Hofstetten, Rickenbach und Wiesendangen. Interessanterweise variieren die Daten dieser Ferien sogar innerhalb desselben Bezirks. Dieses Jahr z.B. sind in Ossingen und Truttikon die Heuferien vom 28.05. bis 8.6.2007, während in unserer Gemeinde diese eine Woche früher beginnen» (Dorfposcht Nr. 93, 21. Mai 2007).
Diese Art von zeitlicher Fixierung ist wohl als eine Art Kompromiss zwischen bäuerlicher Tradition und modernem, schulbürokratischen Planungs-Bedürfnis zu verstehen. Heuferien im klassischen Sinne sind dies nicht mehr.
Quellen
- Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1960 - S. 5. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1960].
- Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1963 - S. 14. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1963]
- Zollinger, W.: Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach. (Chronik Weiach. 1271-1971). 1. Aufl. 1972; 2. ergänzte Aufl. 1984; 3., überarbeitete Auflage, 2003, von Ulrich Brandenberger unter dem Titel: «Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes», Weiach 2003 - S. 56
- Heuferien. In: Dorfposcht. Mitteilungsblatt der Gemeinde Thalheim an der Thur, Nr. 93, Mai 2007.
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