Mittlerweile ist die Verordnung von der Gemeindeversammlung abgesegnet worden. Zur Durchsetzung all dieser neuen Vorschriften sucht sich der Gemeinderat nun Unterstützung in Form eines kommunalen «Ordnungshüters» - das Wort «Polizist» wollte man offenbar nicht in den Mund nehmen.
In den Mitteilungen ausgeschrieben
In den Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Augabe April 2012, war jedenfalls die folgende Stellenausschreibung abgedruckt:
«Per 01. Juni 2012 oder nach Vereinbarung wird einen Ordnungshüter / eine Ordnungshüterin gesucht, welche/r die Bestimmungen der neuen Polizeiverordnung sowie dem dazugehörenden Ordnungsbussenkatalog umsetzt und gegen Aussen vertritt. Bei Ordnungsverstössen sind Sie die Ansprechperson und klären die Situation vor Ort.
Ihr Profil:
- einwandfreier Leumund
- Durchsetzungsvermögen
- gesunder Menschenverstand
- gute Deutschkenntnisse
- wohnhaft in Weiach und in der Gemeinde verankert (von Vorteil, allerdings nicht zwingend)
Ihre Tätigkeit:
- Sie sind erste Ansprechperson bei Ordnungsverstössen.
- Sie rapportieren die Verstösse und haben die Kompetenz, gemeinderechtliche Ordnungsbussen auszusprechen.
- Sie arbeiten eng mit der Behörde zusammen.
Ihre Entschädigung:
- jährliche Warteentschädigung von CHF 300.00.
- jährliche Pauschalentschädigung von CHF 100.00 für die Erreichbarkeit /
Telefonentschädigung.
- Aufwandentschädigung gemäss Stundenrapport zum Gemeindestundenansatz (CHF 28.55).» (MGW April 2012, S. 6)
Abgesehen von der grammatikalischen Unzulänglichkeit gleich im ersten Satz wirft auch das Anforderungsprofil Fragen auf: Bezieht sich die Klammerbemerkung «von Vorteil, allerdings nicht zwingend» nur auf die Verankerung in der Gemeinde oder auch auf den Wohnort selber?
Der Gemeinderat hat wohl geahnt, dass es nicht so einfach sein würde, jemanden mit dieser Ausprägung zu finden. Bislang hat sich anscheinend noch niemand gemeldet, wie man einem Artikel im «Zürcher Unterländer» (Wie ein Dorf seinen Ordnungshüter sucht) entnehmen kann:
«Und das nicht etwa, weil in Weiach niemand über gesunden Menschenverstand verfügte.». Je kleiner das Dorf, desto eher wird die Nähe zum Nachbarn und die vom Gemeinderat explizit geforderte Verankerung zum potentiellen Problem.
Nach Gesetzesbuchstabe oder lieber zwei Augen zudrücken?
Heikel ist der Job auf jeden Fall. Dass es der Gemeindepolizist nicht einfach hat, konnte man vor drei Wochen einer Story des Boulevardblattes BLICK entnehmen: «Zu fleissig! Polizist gefeuert» war da zu lesen. Der Gemeindepolizist von Oberdorf (Kanton Baselland) wurde vom Gemeinderat «per sofort freigestellt», weil «diverse Beschwerden bei der Gemeinde eingegangen» seien. Der Gekündigte wehrte sich, er «habe doch nur pflichtbewusst seinen Job gemacht». Der Gemeindepräsident warf ihm in der «Basler Zeitung» Übereifer vor: «Wenn man mit Funkgerät und Klappmeter den Dienst antritt, ist das unverhältnismässig.»
Aufschlussreich sind auch die Kommentare auf BLICK online: «Die haben im Stellenbeschrieb wohl vergessen zu erwähnen dass man nicht alle im Dorf büssen darf, schreibt ein Leser aus Würenlos. Und einer aus Oberuzwil, doppelt nach. Das sei das Grundproblem jedes Gemeindepolizisten: «Wenn man einmal den falschen büsst, dann ist Feuer im Dach.». Leser aus Oberdorf selber sahen das anders: Ihr Polizist sei zu Recht entlassen worden. Er sei regelrecht auf die Jagd nach Verkehrs- und anderen Sündern gegangen und habe sich mit Pfefferspray, Schlagstock und Handschellen am Gürtel lächerlich gemacht.
Problem ist nicht neu
Dass es in früheren Jahrzehnten ebenfalls äusserst schwierig war, jemanden als Ordnungshüter zu gewinnen, kann man im Artikel Weiacher Geschichte(n) Nr. 110 nachlesen. Damals gab es noch eine Polizeistunde, der Nachachtung verschafft werden musste. Man kann sich vorstellen, was sich die Kontrolleure (die auch Anzeigen mit Bussenfolgen machen mussten) von Überhöcklern so alles anhören durften. Die Kontrollbeamten wechselten denn auch alle paar Monate, derart unbeliebt war dieses Amt.
Entscheidend ist und bleibt das Auftreten des Ordnungshüters. Da muss der Gemeinderat schon mithelfen und klar sagen wie er es haben will. Tenu, Ausrüstung und die gewünschte Art und Weise der Durchsetzung der kommunalen Polizeiverordnung und anderer Rechtsvorschriften müssen zusammen mit dem Stelleninhaber genau abgesprochen werden.
Ob man einen Wildpinkler, der im Wald seine Notdurft hinter einem Baum verrichtet wirklich büsst, das ist - obwohl in Art. 31 Polizeiverordnung ausdrücklich verboten - vor allem eine Ermessensfrage.
Quellen
- Brandenberger, U.: Staubplage, Hahnenzins und freilaufende Hühner. Womit sich der Gemeinderat vor acht Jahrzehnten herumschlagen musste. Weiacher Geschichte(n) Nr. 110 - Gesamtausgabe S. 445-446.
- 15 Bussen in einem Jahr. Zu fleissig! Polizist gefeuert. In: Blick Online, 5. April 2012
- Dorf sucht Ordnungshüterin. In: Tages-Anzeiger, 25. April 2012.
- Wie ein Dorf seinen Ordnungshüter sucht. In: Zürcher Unterländer, 25. April 2012.
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