Donnerstag, 28. Juli 2011

Toter Pfarrer vor dem Regierungsrat

Das Staatsarchiv des Kantons Zürich hat den Auftrag, in den nächsten Jahren sämtliche Protokolle des Regierungsrates in digitaler Form aufzubereiten. Konkret heisst das: die von Hand geschriebenen Bände müssen gescannt und Seite für Seite transkribiert werden. Von Menschen. Denn nur so ist die nötige Qualität sicherzustellen.

Auf dem Weg zu einer vollständigen Sammlung kommen immer wieder Trouvaillen zum Vorschein: Fälle, in denen sich der Regierungsrat mit Weiach und den Weiachern befassen musste; vgl. die Themen der Jahre 1831 und 1832 in (WeiachBlog, 11. Juli 2010) oder den wegen Kompetenzüberschreitung gerüffelten Gemeinderat (WeiachBlog, 23. Januar 2011).

Der jüngste Fund ist der RRB 1837/0615 (ein Regierungsratsbeschluss, der damals noch nicht so abgekürzt und nummeriert wurde), welcher am 13. April 1837 erfolgte:

Anzeige von dem Tode des Herrn Pfarrer Joh. Heinrich Burkhard in Weyach

«Ein vom 8. d. M. datirtes Schreiben des Herrn Decan Zimmermann in Steinmaur, womit derselbe anzeigt, daß Herr Joh. Heinrich Burkhard, Pfarrer in Weiach plötzlich verstorben sey, wurde verlesen und ad acta zu legen beschloßen.»

Wie man der verwitterten Inschrift auf dem Grabstein Pfarrer Burkhards in der Weiacher Friedhofsmauer entnehmen kann, war der 8. April 1837 sein Todestag.

Dem Alten verhaftete Pfarrer - und die liberale Regierung

Jetzt kann man sich noch fragen, warum der Vorsteher des Pfarrkapitels ausgerechnet dem Regierungsrat - also der weltlichen Obrigkeit (und nicht dem Kirchenratsvorsitzenden) Meldung erstattete und weshalb diese nichts weiter tat, als das Schreiben zu den Akten zu legen.

Dekan Zimmermann handelte wohl aus altem Reflex heraus. Die Kollatur (das Recht, den Pfarrer zu bestimmen) lag für Weiach nämlich seit der Reformation bei der Regierung des Stadtstaates Zürich, dem Kleinen Rat, wie er noch wenige Jahre zuvor hiess.

Seit der liberalen Staatsumwälzung aber, die 1830 mit dem Ustertag begonnen hatte und 1831 mit der Annahme der neuen Verfassung rechtlich verankert wurde, durften die Kirchgemeinden nicht nur einen Dreiervorschlag bewerten, den die Regierung dann nach Gutdünken berücksichtigen oder ignorieren konnte. Die Kirchgemeindeversammlungen hatten nun das Recht, ihren Pfarrer zu wählen - ohne Einmischung von oben.

Quelle
  • RRB 1837/0615 - Anzeige von dem Tode des Herrn Pfarrer Joh. Heinrich Burkhard in Weyach. Signatur: StAZH MM 2.35, S. 190

Mittwoch, 27. Juli 2011

Wollte man Kies zu Wucherpreisen verkaufen?

Als achter Redner in der Kantonsratsdebatte vom 9. Oktober 1961 um die Beteiligung des Kantons an der Weiacher Kies AG meldete sich Kommissionsmitglied Max Winiger aus der Stadt Zürich zu Wort. Er gehört eher zum linken Spektrum und vertritt ähnliche Ansichten wie die Kommissionsminderheit (vgl. Votum Rudolf Wild):

«M. Winiger (Zürich) hat aus den Kommissionsberatungen den Eindruck erhalten, dass der Staat schwachen Unternehmen beistehen, von gutgehenden Firmen jedoch die Hände lassen sollte. Warum hat bis jetzt kein schweizerisches Unternehmen die Ausbeutung des Weiacherkieses übernommen? Wollte man etwa Kies zu einer Mangelware werden lassen und damit die Preise in die Höhe treiben? Es ist notwendig, dass der Staat sich am Kiesgeschäft beteiligt und dabei wertvolle Einblicke in die Kalkulationen gewinnt.»

Winiger mahnt hier also einen Fall von Marktversagen zu Lasten der öffentlichen Hand an. Er redet zwar nicht direkt von kartellistischen Absprachen, schliesst sie - wenn man dem Protokoll folgen darf - aber auch nicht aus.

Industrieller statt gewerblicher Ansatz macht den Unterschied

Die Hintergründe des Scheiterns der Gebrüder Aymonod (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 95, Gesamtausgabe S. 366) sind hier nicht erwähnt. Die Aymonods begründeten «die Verzögerung des Beginns mit der Ausbeutung im Hard mit den gedruckten Kiespreisen auf dem Platze Zürich und den hohen durch die grosse Entfernung entstehenden Kosten des Kiestransports.» (Gemeinderatsprotokoll Weiach vom 23. Dezember 1958)

Wer den Kies im industriellen Massstab abbauen und damit die Kosten senken konnte war im Vorteil. Deshalb war Holderbank Financière auch erst alarmiert als die Franz Haniel AG aus Basel ab Dezember 1960 in Weiach die Hände im Spiel hatte.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1792. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Dienstag, 26. Juli 2011

Weiterer Sargnagel gegen regierungsrätlichen Antrag

Redner Nummer 7 in der Kantonsratsdebatte vom 9. Oktober 1961 steuerte einen weiteren Sargnagel gegen das regierungsrätliche Vorhaben zur Beteiligung an der Weiacher Kies AG bei:

«E. Burkhart (Bassersdorf) ist überzeugt, dass der nötige Kies auch ohne finanzielle Beteiligung an der Haniel AG beschafft werden kann. Aus diesen Gründen, vor allem aber auch aus staatspolitischen Erwägungen, lehnt die Demokratische Fraktion die Vorlage ab.»

Kommissionsmitglied Ernst Burkhard sprach also auch gleich für einen Teil des wirtschaftsliberalen Spektrums, das heute von der FDP vertreten wird. Interessant ist, dass der staatspolitische Aspekt stärker gewichtet wird als Versorgungssicherheit und Preisvorteil.

Es wird immer wahrscheinlicher, dass der Antrag der Spezialkommission auf Ablehnung des regierungsrätlichen Beteiligungs-Vorhabens eine Mehrheit erhält. Der Optimismus der Geschäftsleitung der Haniel (vgl. WeiachBlog vom 12. Juli 2011), es werde im Kantonsrat kaum Opposition geben, erweist sich als verfrüht.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1792. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Montag, 25. Juli 2011

Kiesgruben in der Nähe von Bauplätzen!

Im Herbst 1961 debattierte der Zürcher Kantonsrat ausführlich über den regierungsrätlichen Antrag, den Kanton Zürich an der Haniel'schen Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach zu beteiligen (vgl. bereits veröffentlichte Artikel)

Als Redner Nummer 6 sprach am 9. Oktober 1961 Jules Egli aus Kempten (Gemeinde Wetzikon), ein weiteres Mitglied der vorberatenden Kommission:

«J. Egli (Kempten) bestätigt, dass die bisherigen Preise der Kieswerke zum Teil an Ausbeutung grenzten. Wenn man den zukünftigen Strassenbau mit dem bisher gelieferten Kies betreiben will, so heisst dies, mit qualitativ ungenügendem Material weiterzubauen. Das Werk Weiach wird im Vollausbau pro Jahr 200 000 m3 fördern können, wobei der Kanton schon nächstes Jahr 630 000 m3 Kies benötigt. Es sollten also so rasch wie möglich viele solcher Werke in der Nähe von Baustellen eröffnet werden. Man sollte das Beispiel Klotens, wo die Kiesaufbereitung direkt neben dem Bauplatz erfolgte, nachahmen. Dadurch können Millionen von Franken an Transportkosten eingespart werden. Die Vorlage des Regierungsrates hat bewirkt, dass die bisher eher passiven Kieswerke plötzlich aktiv geworden sind. Nun sollte aber die Regierung nichts überstürzen, vor allem aber nicht alles auf eine Karte setzen. In diesem Sinne beantragt der Votant, die Vorlage zurückzustellen und die Regierung zu beauftragen, auf Grund der jetzigen Verhältnisse im Rahmen einer öffentlichen Submission die nötigen Offerten einzuholen. Sollten diese Angebote qualitativ und quantitativ nicht genügen, so könnte der Rat auf Antrag des Regierungrates das Geschäft Weiach wieder aufgreifen.»

Auch bei Egli ist deutlich Skepsis gegenüber dem regierungsrätlichen Vorgehen zu registrieren. Immerhin lehnt er eine Beteiligung nicht rundweg ab und lässt diesen Weg noch offen. Er verlangt aber vorher andere Massnahmen - namentlich eine öffentliche Submission.

Nach zwei weiteren Voten in der Debatte meldete sich der Ratsvorsitzende E. Gugerli (Aesch) zu Wort:

«Der Vorsitzende stellt fest, der Antrag Egli sei ein Ordnungsantrag, der vorgängig behandelt werden müsse.

E. Schellenberg (Zürich) lehnt den Rückweisungsantrag ab.

Regierungsrat Dr. P. Meierhans ersucht, den Antrag Egli abzulehnen, da das Geschäft jetzt reif sei.

Der Rat lehnt den Antrag Egli mit 67 gegen 12 Stimmen ab.
»

Immerhin ein Teilerfolg für den Regierungsrat. Aber ob das ausreichte und genügend Stimmen für die Beteiligung zusammenkommen würden?

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1791-1792, 1793. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Sonntag, 24. Juli 2011

Bäuerinnenfachkurs am Strickhof abgeschlossen

In der zweimal wöchentlich erscheinenden Fachzeitung «Schweizer Bauer» von gestern Samstag 23. Juli 2011 wurde unter dem Titel «Bäuerinnen haben viel praktische Intelligenz» der Abschluss des Bäuerinnenfachkurses an der zürcherischen Landwirtschaftsschule Strickhof Wülflingen gemeldet.

Zu den Absolventinnen aus der ganzen Ostschweiz (z.B. aus Uttwil TG oder Bäretswil ZH) gehört auch eine in Weiach wohnhafte Bauersfrau: Ramona Wiesendanger-Graf.

Der Bäuerinnenfachkurs ist Teil der Ausbildung zum Beruf Bäuerin mit eidg. Fachausweis, siehe auch www.landfrauen.ch.

Was dieser in Vollzeit zu absolvierende Semesterkurs so alles umfasst, verrät die Website des Strickhof:

«Der Kurs dauert 20 bis 21 Wochen, von Februar bis Juli. Die Ausbildung ist in einzelne, in sich abgeschlossene Lerneinheiten (Module) eingeteilt. Alle Module zusammen bilden den Fachkurs. Die Module werden während der Ausbildung mit einer Lernzielkontrolle abgeschlossen und zertifiziert. Bei mehr als 10 Prozent Abwesenheit in den einzelnen Modulen werden diese nicht zertifiziert. Die zertifizierten Module werden für die Berufsprüfung "Bäuerin mit Fachausweis" anerkannt. Der Fachausweis berechtigt zur Ausbildung von Lehrlingen "Fachfrau/Fachmann Hauswirtschaft" im 1. Lehrjahr und zum Bezug von Direktzahlungen.»

In diesen 5 Monaten werden total 600 Stunden Unterricht in folgenden Fächern absolviert:
- 3 Basismodule (hauswirtschaft.ch)
- 8 Aufbaumodule (landfrauen.ch)
- 2 Wahlpflichtmodule (landfrauen.ch)

Samstag, 23. Juli 2011

Urban Mining. Zur neuen Eberhard-Anlage in Weiach

Es sei schon klar, warum die Eberhard-Gruppe die Weiacher Kies gekauft habe, meinte Ende 2009 am Mitarbeiteranlass der Gemeinde Weiach ein Funktionär im Gespräch mit WeiachBlog. Die seien nicht so sehr am Kies interessiert, sondern vor allem am Loch das durch dessen Abbau entstanden sei. Am Auffüllen mit Aushub könne man nun noch einmal kräftig Geld verdienen.

«Pioniergeistiger Denkansatz»

Diese Absicht mag durchaus auch mitgespielt haben, aber wie man beim Sichten der auf Internet verfügbaren Unterlagen über die Firmenphilosophie schnell gewahr wird, hat die Führungscrew des Unternehmens auch noch an etwas anderes gedacht. Der Kauf der Weiacher Kies AG passt in die aufbauend auf diesen Blick in die Zukunft entwickelte Strategie.

In der Timeline der Firmengeschichte findet man dazu den folgenden Eintrag:

«2007 Urban mining. Ein pioniergeistiger Denkansatz der Eberhard Unternehmungen: Fragen und Antworten zum nachhaltigen Umgang mit natürlichen und urbanen Resourcen.»

Ansatz existiert schon länger, wird aber kaum umgesetzt

Die Idee hinter Urban mining ist einfach: Irgendwann einmal werden die natürlichen Kiesvorkommen in der Schweiz restlos abgebaut sein. Das heisst konkret: Kein Wandkies mehr. Damit dies nicht Transporte von weit her oder gar das Ende der Bautätigkeit bedeutet, muss man vermehrt rezykliertes Material einsetzen - sprich: statt den Kies aus dem Loch zu holen, holt man ihn nun von den Abbruchplätzen. Und warum soll man damit nicht schon heute anfangen? Verschiedene Bauherren verlangen heute schon explizit Recycling-Beton. Der qualitativ dem aus frischem Kies nicht nachsteht.

Der Begriff Urban mining stammt übrigens nicht von Eberhard. Er ist in der Wissenschafts-Community übrigens schon länger bekannt, vgl:

Eberhard schon länger im Baustoff-Recycling tätig

Die Eberhard Unternehmungen sind nicht erst seit gestern auf den Öko-Zug aufgesprungen. Da gibt es seit mehr als zwei Jahrzehnten konkrete Schritte (ebenfalls der Timeline entnommen):

«1990 (...) Lastwagen und Baumaschinen werden mit Russpartikelfiltern ausgerüstet.»

«1993 Die Eberhard Recycling AG eröffnet die erste und grösste Bodenwaschanlage Europas. Das neue Waschzeitalter für Grund und Boden beginnt.»

«1995 (...) Übernahme der EBIOX AG, führend in der biologischen Altlastsanierung.»

«1998 (...) In Rümlang entsteht das grösste BaustoffRecyclingZenter «Ebirec»»

Neue Baustoff-Recyclinganlage

In dieses Konzept passt auch die neueste bauliche Errungenschaft im Hard: eine in den Eberhard-Farben grün/gelb gehaltene Halle. Sie steht nördlich der Bahnlinie und westlich der seit den 60er-Jahren errichteten Betriebsgebäude der Weiacher Kies AG.

Den Mitteilungen für die Gemeinde Weiach vom Juni 2010 konnte man auf Seite 5 die dafür nötige Bauausschreibung der «Weiacher Kies AG, Im Hard, 8187 Weiach» entnehmen: «Neubau Baustoff-Recyclinganlage, im Hard, AV-Kat.-Nr. 593, Industriezone».

Auf Seite 8 war auch gleich die öffentliche «Auflage nach Art. 15 UVPV bzw. § 314 PBG» platziert. Denn für diesen Neubau brauchte es eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP):

«1. Im Sinne von Art. 15 der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPV) sowie § 314 Abs. 3 PBG werden vom 4. Juni 2010 bis 7. Juli 2010 öffentlich aufgelegt:
- Baugesuchunterlagen;
- Bericht über die Umweltverträglichkeit (UVB)

2. Die Auflage findet über die ganze Frist während den ordentlichen Schalteröffnungszeiten bei der Gemeindeverwaltung Weiach, Stadlerstrasse 7, 8187 Weiach, statt.

3. Während der Auflagefrist können zur Vorlage Einwendungen im Sinne von Art. 15 UVPV
erhoben werden. Die Einwendungen haben einen Antrag sowie dessen Begründung zu
enthalten. Sie sind schriftlich im Doppel bis am letzten Tag der Auflagefrist (Datum des Poststempels) der Gemeindeverwaltung Weiach, Stadlerstrasse 7, 8187 Weiach, einzureichen.

4. Innert der Auflagefrist kann im Sinne von § 315 PBG die Zustellung des baurechtlichen Entscheids verlangt werden. Dieses Begehren ist schriftlich bis am letzten Tag der Auflagefrist (Datum des Poststempels) bei der örtlichen Baubehörde einzureichen. Wer das Begehren nicht innert der Frist stellt, kann gegen den baurechtlichen Entscheid nicht mehr rekurrieren (Verwirkung).

Gemeinderat Weiach
».

Freitag, 22. Juli 2011

Haniel suchte im Juli 1961 Führungskräfte für Weiacher Kies

Auf http://retro.seals.ch/ sind über hundert wissenschaftliche und technische Zeitschriften in digitaler Form und volltextindexiert abgelegt.

Über die Suchfunktion findet man heraus, dass ab Ende Juni 1961 Kaderleute für den Bau und den Betrieb des neuen Kieswerks in Weiach auch mit Inseraten gesucht wurden:

«Haniel sucht für das Kieswerk Weiach techn. Betriebsleiter der in der Lage ist, ein Gross-Kieswerk, das nach den modernsten Gesichtspunkten erstellt wird, zu leiten.

Eintritt raschmöglichst.

Offerten mit Lebenslauf, Referenzen und Gehaltsansprüchen sind zu richten an die Direktion der Franz Haniel AG, Parkweg 8, Basel.
» (Schweiz. Bauzeitung, 79. Jg Heft 26, 29. Juni 1961, S. 25)


Eintritt: sofort

In derselben Ausgabe der Schweizerischen Bauzeitung sucht Haniel auch gleich noch einen «Bauführer (Tiefbau-Techniker)». Und zwar «für die örtliche Bauleitung zur Erstellung eines grossen, modernen Kieswerkes in Weiach». Schweiz. Bauzeitung, 79. Jg Heft 26, 29. Juni 1961, S. 27

Donnerstag, 21. Juli 2011

Verstaatlichungstendenzen entgegentreten

Redner Nummer 5 in der Kantonsratsdebatte vom 9. Oktober 1961 zur Frage, ob sich der Kanton an der Weiacher Kies AG beteiligen solle, war Dr. Erich Krafft, ebenfalls Kommissionsmitglied und Sprachrohr seiner Fraktion:

«Dr. E. Krafft (Zürich) beantragt im Namen der Christlich-sozialen Fraktion, den Kredit abzulehnen. Die Fraktion anerkennt die Bemühungen des Kantons, genügend Kies zu erhalten, glaubt aber, dass der Weg über die Beteiligung an der Haniel AG falsch ist. Sie will vor allem der Tendenz zu weiteren Verstaatlichungen entgegentreten. Es ist ein Grundsatz unserer Ordnung, der Wirtschaft zu überlassen, was sie selbst leisten kann, und den Staat nur eingreifen zu lassen, wenn die Wirtschaft selbst dazu nicht mehr fähig ist. Die Funktion des Staates im Wirtschaftsleben ist nicht eine produzierende, sondern eine ordnende. Der Vergleich mit schweizerischen Anlagen im Ausland ist nicht stichhaltig; unsere Beteiligungen im Ausland erfordern keine finanzielle Mitwirkung seitens des Domizilstaates.»

In traditionell wirtschaftsliberaler Manier sind hier also auch die Christlich-Sozialen der Meinung, eine Beteiligung des Kantons wäre ein ordnungspolitischer Sündenfall. Es wird noch enger für den Vorschlag des Regierungsrates vom 25. Mai 1961.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1791. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Mittwoch, 20. Juli 2011

Werden 2011 überhaupt noch Nationalstrassen gebaut?

In der Kantonsratsdebatte vom 9. Oktober 1961 sprach als Vierter Hans Jucker aus Saland in der Tösstaler Gemeinde Bauma. Als Vertreter der BGB (heute: SVP) äusserte er sich wie schon die Freisinnigen klar ablehnend zum Antrag des Regierungsrates auf Beteiligung des Kantons Zürich an der Ausbeutung des Weiacher Kieses:

«H. Jucker (Saland) lehnt den Antrag des Regierungsrates im Namen der Bauern-, Gewerbe- und Bürger-Fraktion ab. Die Haniel AG wird auch ohne die staatliche Beteiligung ihr Kieswerk betreiben, so dass die Gemeinde Weiach auf alle Fälle zu ihren Einnahmen kommt. Der Referent kritisiert die Vertragsdauer von 50 Jahren. Werden dannzumal überhaupt noch Nationalstrassen gebaut werden?»

Ob der Herr Kantonsrat tatsächlich geglaubt hat, was er sagte? Immerhin muss man Autobahnen doch auch regelmässig reparieren. Daran denkt man allerdings beim Neubau in den seltensten Fällen - so offenbar auch hier.

Interessant ist hier, dass erstmals in der Debatte die Interessen der Gemeinde Weiach explizit erwähnt werden - ein klarer Hinweis auf die damals schon starken BGB-Wählersegmente im Zürcher Unterland.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1791. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Dienstag, 19. Juli 2011

Keine Beteiligung des Kantons: Einblick in Preisgestaltung reicht

Der Beitrag vom 16. Juli beleuchtete das Votum des Kommissionsmitglieds Rudolf Wild, der klar für die Beteiligung des Kantons an der unter Federführung der Franz Haniel AG aus Basel zu gründenden «Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach» Stellung bezog.

Der dritte Redner in der Kantonsratsdebatte vom 9. Oktober 1961, Hans Duttweiler, war ebenfalls ein Kommissionsmitglied, das gleichzeitig für die Freisinnigen sprach:

«Dr. H. Duttweiler (Zürich) ersucht die Regierung, ihren Standpunkt zu revidieren. Durch das Vorgehen der Regierung wurden nun plötzlich genügend Mengen Kies angeboten. Die Beteiligung des Staates an dieser Produktionsgesellschaft wäre nur dann gerechtfertigt, wenn das für den Nationalstrassenbau benötigte Kies auf keine andere Weise zu beschaffen wäre. Im übrigen ist die Stellung des Minderheitsaktionärs im schweizerischen Recht schwach. Der Kanton hätte nur wenig Möglichkeiten, seine Interessen wirksam durchzusetzen. Nachdem nun die anderen Lieferanten zugesichert haben, Einblick in ihre Preisgestaltung zu geben, wird auch die Haniel AG dies tun müssen. Damit erreicht aber der Kanton bereits ein Ziel, das er sich mit dieser Beteiligung gesetzt hatte. Die Freisinnige Fraktion wird gegen den Kredit stimmen.»

Die Freisinnigen waren also der Meinung, das ursprüngliche Ziel des Vorstosses der Regierung sei bereits erreicht, da nun genügend Kies angeboten werde und die Preisgestaltung transparent sei.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1791. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Montag, 18. Juli 2011

Kipper-Cam - Rekultivierung aus Sicht der Ladebrücke

«Kippen in der Grube Weiach». So lautet der Titel eines 140-Sekunden-Videos auf Youtube. Es wurde vor wenigen Tagen, am 11. Juli 2011, aufgenommen und noch am gleichen Tag von Youtube-User Alphawatch mit dem Kommentar: «12 m3 Aushub in Weiach deponiert» in der Kategorie Wissenschaft & Technik online gestellt:

http://youtu.be/_9GvqSQy0S8




Man sieht aus der Perspektive einer Lastwagenbrücke den «Endanflug» auf die Kiesgrube. Wie Aushub durch den bereits wiederaufgefüllten Teil der Südgrube gefahren, und dann in die Grube gekippt wird. Dort verdichtet ein Caterpillar-Trax das angelieferte Material.

Die Tags beschreiben den Inhalt recht gut: «Weiacher» «Kies» «Eberhard» «Baustelle» «Kiesgrube» «LKW» «Mercedes» «Kippen» «Weiach» «Caterpillar».

Das Video ist eine schöne Bestätigung des lokalen Volksmunds, der seit der 2009 erfolgten Übernahme der Weiacher Kies AG durch die Eberhard-Gruppe der Ansicht ist, Eberhard sei mehr am Loch (und der Möglichkeit dieses für gutes Geld aufzufüllen) interessiert, als am Kiesabbau selber. Die ockerfarbigen Schüttgüterwaggons sowie das Aufbereitungsgebäude sieht man nur im Hintergrund.

Sonntag, 17. Juli 2011

«Den Aerntesegen ganz verloren». Das Unwetter vom 17. Juli 1820

Sommerzeit ist Unwetterzeit. Vor allem Blitzschlag, Hagel und heftige Sturmwinde sind durch die aufgebauten Temperaturdifferenzen zwischen dem Boden und höheren Luftschichten unvermeidlich. Vor 192 Jahren war das natürlich nicht anders als heute.

Auch damals berichteten die Zeitungen schon über diese Extreme der Natur. So auch «Der aufrichtige und wohlerfahrne Schweizer-Bote. Welcher nach seiner Art einfältiglich erzält, was sich im lieben schweizerischen Vaterlande zugetragen, und was ausserdem die klugen Leute und die Narren in der Welt thun», wie die wöchentlich erscheinende, volksaufklärerische Zeitschrift des im Aargau ansässigen Magdeburgers Heinrich Zschokke für sich warb.

Norden und Osten des Kantons betroffen

In der Ausgabe vom 27. Juli 1820 berichtete der Schweizer-Bote unter der Rubrik «Vaterländische Nachrichten» über «Witterungswirkungen» im Kanton Zürich:

«Montag den 17. d. Abends um 7 Uhr war in Elgg ein heftiges Gewitter. Der Blitz fuhr in dem Flecken in eine Wohnung, die in Brand gerieth, und da sich das Feuer noch andern angebauten oder nahestehenden mittheilte, so wurden 7 Firsten, bisher das Obdach von 16, aus 57 Personen bestehenden Haushaltungen eingeäschert.»

[Hinweis: Elgg war damals offiziell ein Flecken, also ein Ort mit Marktrecht.]

«Zu gleicher Zeit leerte eine andere Gewitterwolke ihre Schloßen über die Fluren von Weyach, Glattfelden, Seglingen und Eglisau aus. In Glattfelden ist der Schade am stärksten, denn man kann sagen, alle Früchte des Weinstocks, der Bäume und der Felder wurden vernichtet. Die Roggenärnte war im Beginnen; desto trauriger für die Betroffenen, da sie den Aerntesegen ganz verloren und die schon vorgerückte Jahreszeit nichts als Rüben, Flachs und Buchweizen nachzupflanzen gestattet, auch der Weinstock und die Bäume sich schwerlich mehr werden auch nur in etwas erholen können.»

Unter Schlossen verstand man damals Hagelkörner, vgl. den Artikel Verderbliches Schlossengewitter (WeiachBlog, Nr. 208, 31. Mai 2006) über die Unwetter-Serie vom 29. Mai bis 1. Juni 1838.

Kulturen auf der Brachzelg fast komplett vernichtet

Auch die Weyacher haben am 17. Juli 1820 einen grossen Teil ihrer Ernte verloren. Das ergibt sich zwar aus obiger Darstellung des Schweizer-Boten nicht direkt. Wird aber klar, wenn man sie mit der entsprechenden Passage aus Pfr. Wipfs Exzerpten vergleicht:

«Am 17. Heumonat entleerten sich über einen grossen Teil des Kantons, besonders aber über der Gegend von Glattfelden, Weyach und Eglisau sehr heftige Gewitter, wobey der meiste Roggen und auch ein Teil des Korns sehr beschädigt wurden; die mit verschiedenen Sommerfrüchten angepflanzte Brachzelg gegen den Hard fast ganz verheert und sogar Frucht- und andere Bäume zerrissen.»

[Bemerkung: Zitat nach der Monographie Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes (4. Aufl. Juni 2011, S. 28). Es ist leider unklar, aus welchen Quellen Pfr. Wipf seine von Walter Zollinger verwendeten Exzerpte im Detail gezogen hat; es ist gut möglich, dass er aus den Originalquellen paraphrasiert hat.]

Hier wird im letzten Satzteil auf die Situation in Weyach eingegangen: die gegen Glattfelden hin gelegene Geländekammer wird als Gebiet mit sehr grossen Schäden bezeichnet.

Fruchttragende Bäume standen vor allem rund um den Dorfkern. Es müssen also - wenig verwunderlich bei einem so verheerenden Hagelschlag - auch heftige Böen aufgetreten sein, welche stark genug sind um solche Bäume zu schädigen.

Das Kirchturmdokument von 1820 - die Originalquelle?

Im Kirchturmdokument vom 9. August 1820 liest sich die obige Beschreibung in den Worten des damals in Weyach amtierenden Pfarrers Johann Heinrich Burkhard wie folgt:

«Auch ereigneten sich sint Anfang des Sommers dieses 1820. Jahres viele gefährliche Ungewitter, welche hin und wieder durch Entzündung, Sturmwind und Hagel grossen Schaden stifteten. – Am 17. Jul. Abends um 7 Uhr zog sich ein Ungewitter über hiesige Gegend zusammen, durch welches der meiste Roggen, auch ein Theil des Korns sehr beschädigt worden, viele Fruchtbäume und andere Bäume wurden zerrissen und die mit verschiedenen Sommerfrüchten angepflanzte Brachzelg gegen dem Hard fast ganz verheert. Besonders ergoss sich das Ungewitter über Glattfelden, wo beynahe alle Früchte des Feldes und des Weinstoks zerschlagen wurden.»

Quellen
  • Der aufrichtige und wohlerfahrne Schweizer-Bote. Nro. 30, 27. Juli 1820 - S. 234-235. [Vaterländische Nachrichten. Kanton Zürich. Witterungswirkungen]
  • Burkhard, J.H.: Kirchturmdokument N°5 vom 9. August 1820; zitiert nach: Zollinger, W: Kirchgemeinde Weiach. Turmdokumente. Abschrift der Originale [Msc. Ortsmuseum Weiach, ohne Signatur; Ringheft grün; 1967].
  • Brandenberger, U.: Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes. Vierte, überarbeitete Auflage von Walter Zollingers «Weiach. 1271-1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach». Aktuelle Online-Ausgabe Juni 2011 - S. 28.

Samstag, 16. Juli 2011

Beteiligung am Kiesabbau würde Einsparungen bringen

Im gestrigen Beitrag haben wir über den Standpunkt der Kommissionsmehrheit zur «Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach» (wie das Geschäft im Kantonsrat offiziell genannt wurde) berichtet. Man schrieb den 9. Oktober 1961 und die Debatte war eröffnet.

Das Kommissionsmitglied Rudolf Wild äusserte sich als zweiter Redner - und zwar offensichtlich (wenn auch nicht explizit erwähnt) als Vertreter der Kommissionsminderheit:

«R. Wild (Zürich) beanstandet, dass verschiedene Kommissionsmitglieder Beeinflussungsversuchen Aussenstehender ausgesetzt waren. Bei dieser Beteiligung des Kantons handelt es sich nicht um neue Wege, denn schon oft hat sich der Staat an wirtschaftlichen Unternehmen beteiligt. Die Haniel AG ist keine ausländische Gesellschaft, haben doch Verwaltungsrat und Geschäftsleitung ihren Sitz in der Schweiz. Er erinnert an die Abkommen der Kantone Graubünden und St. Gallen über die Pipelines, die in ihren Auswirkungen weit über die Beteiligung des Kantons an der Weiach AG hinausgehen. Nachdem gerade die bürgerlichen Fraktionen immer für einen Abbau der Staatsausgaben eintreten, haben sie hier Gelegenheit, ihren Willen zu beweisen, erwachsen doch dem Kanton aus dieser Beteiligung jährlich grosse Einsparungen. Durch diese Beteiligung wird kein neues Monopol geschaffen, wohl aber ein bestehendes gebrochen. Die übrigen Kieslieferanten werden nicht an die Wand gedrückt, da sie ja für alle andern Kieslieferungen nach wie vor in Frage kommen.»

Interessant, dass gleich im ersten Satz das intensive Lobbying negativ vermerkt wird. Man wird davon ausgehen dürfen, dass beide Lager (Haniel wie Holderbank; vgl. WeiachBlog vom 10. Juli) ihren Anteil an diesen «Beeinflussungsversuchen» hatten. Und offensichtlich war das damals noch nicht so alltäglich. Etwas Alltäglich-Selbstverständliches wäre nicht der Erwähnung wert empfunden worden.

Klar wird auch, dass Rudolf Wild eher dem linken Spektrum zuzurechnen ist, vgl. den Wink mit dem Zaunpfahl an die Bürgerlichen.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1790-1791. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Freitag, 15. Juli 2011

Kommissionsmehrheit will keine Kieswerk-Beteiligung

In den folgenden Tagen gibt WeiachBlog den vollen Text der Debatte um die Beteiligung des Kantons an der Weiacher Kies AG wieder, so wie sie im Protokoll des Kantonsrates 1959-1963 steht (siehe StAZH III AAg 1 38 LS: Register S. 3415 «Kies. Kiesausbeutung Weiach, Aktiengesellschaft, Staatsbeteiligung 1585, 1609, 1788, 1801». Vgl. für die ersten beiden Fundstellen: Kiesbeteiligung? Kantonsrat bildet Spezialkommission; WeiachBlog, Nr. 1008, 20. Juni 2011).

610 Beschluss des Kantonsrates über die Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach

Am Montag, 9. Oktober 1961 kam der Kantonsrat nach den Mitteilungen und der Abänderung der Taxordnungen für die Kantonsspitäler und kantonalen Heilanstalten zum Traktandum «Weiacher Kies»: Antrag des Regierungsrates vom 25. Mai 1961 und abgeänderter Antrag der Kommission vom 19. September 1961.

Schon aus diesem Titel kann man sich zusammenreimen, dass die Kommission dem Antrag des Regierungsrates nicht folgen wollte. Als erster Redner erläuterte der Präsident der Spezialkommission die Sachlage zum aktuellen Zeitpunkt aus ihrer Sicht sowie den Entscheid der Kommissionsmehrheit:

«H. Frei (Zürich), Präsident der vorberatenden Kommission, weist darauf hin, die Regierung schätze den zusätzlichen Bedarf an Kies für den Bau von Nationalstrassen für die nächsten 10 Jahre auf ca. 4 Millionen Kubikmeter und befürchte, sie werde die nötige Menge an qualitativ einwandfreiem Kies nicht erhalten. Heute schon muss teilweise qualitativ ungenügendes Kiesmaterial verarbeitet werden, weil die Lieferanten weder über die nötigen technischen Anlagen noch die Transportmittel verfügen. Um die notwendigen Mengen Kies sicherzustellen, will sich die Regierung an einer zu gründenden Aktiengesellschaft beteiligen, die von der Haniel AG Basel, einer Tochterfirma des grossen deutschen Konzerns Franz Haniel AG Dortmund, beherrscht wird.

[Bemerkung: Die Bezeichnung der Firma Haniel als AG (Aktiengesellschaft) mit Sitz in Dortmund zieht sich durch das ganze Protokoll dieser Debatte hindurch. Dies ist gleich zweifach inkorrekt, firmierte und firmiert die Firma doch als «Franz Haniel & Cie GmbH». Und ihren Sitz hat sie - damals wie heute - in Duisburg. Die Bezeichnung der Tochterfirma als AG (Franz Haniel AG, Basel) enspricht hingegen den Tatsachen. Und mit dieser Firma wollte der Regierungsrat formell auch den Vertrag abschliessen.]

Die Firma Aymonod, Pratteln, hat 1960 ihr Ausbeutungsrecht auf dem Gebiete der Gemeinde Weiach der Haniel AG abgetreten, nachdem es ihr nicht gelungen war, die nötigen Kiesbezüger zu finden. Ende letzten Jahres erhielt die Firma Haniel AG von der Gemeinde Weiach das Ausbeutungsrecht für weitere Landparzellen im Umfange von 12 Hektaren Kiesland.

Am 15. April 1961 genehmigte die Gemeindeversammlung Weiach den Vertrag zwischen der Firma Haniel AG und der Gemeinde Weiach, wodurch ersterer ein Ausbeutungsrecht über eine Fläche von total 16 Hektaren mit einer Laufzeit von 50 Jahren eingeräumt wurde.

Am 16. Januar 1961 ersuchte eine Schweizer Firma die Gemeinde Weiach um eine Ausbeutungskonzession, ohne aber eine definitive Antwort zu erhalten.

In diese Verhandlung schaltete sich der Regierungsrat ein, indem er der Firma Haniel vorschlug, sich an der zu gründenden Aktiengesellschaft zu beteiligen. Nachdem die Bemühungen des Kantons, die Aktienmehrheit zu erhalten, gescheitert waren, begnügte er sich mit einem Anteil von 40% des Aktienkapitals. Dafür musste er sich allerdings verpflichten, seinen gesamten Bedarf an Wandkies, Betonkies und Sand für den Nationalstrassenbau zu marktkonformen Preisen von Haniel zu beziehen. Im weiteren verpflichtete sich der Kanton, jedes Jahr bis zum 31. Januar den erforderlichen Jahresbedarf zu melden.

Als Folge dieses Vertragsabschlusses ist nun aber das übrige Kiesgewerbe beunruhigt und erklärt sich bereit, dem Kanton genügend Kies für den Nationalstrassenbau zu liefern. Dabei erwiesen sich die Befürchtungen des Kantons, keine ausreichenden Lieferungen zu erhalten, als weitgehend unbegründet. So haben die Firma Holderbank AG in Hüntwangen ein Areal mit 15 Millionen m3 Kies und die Firma Bader in Zürich ein solches von 10 Millionen m3 in Glattfelden erworben. Ein grösseres Unternehmen der Baubranche in Zürich hat sich für den Eigenbedarf im Rafzerfeld Kiesland gesichert. Alle diese Firmen sind bereit, dem Kanton zu angemessenen Preisen Kies zu liefern.

Die Kommissionsmehrheit lehnt die Beteiligung des Kantons an dieser Aktiengesellschaft ab, weil der vom Kanton gewünschte Erfolg sicher ausbleiben würde; den Preis bestimmt nämlich die Aktienmehrheit. Auch könnten sich die von der Regierung einzugehenden Verpflichtungen je nach der wirtschaftlichen oder politischen Lage ausserordentlich belastend auswirken. Es ist auch nicht erwünscht, dass sich der Kanton an einer Firma finanziell beteiligt und damit gegenüber den anderen Kieslieferanten in eine zweideutige Lage gerät. Solche Eingriffe des Staates in die private Wirtschaft werden im allgemeinen von den Stimmbürgern nicht geschätzt. Hingegen steht es der Baudirektion selbstverständlich frei, mit der Firma Haniel Lieferverträge für Kies abzuschliessen, sofern Konkurrenzpreise festgelegt werden.

Zusammenfassend führt der Referent aus, dass eine Beteiligung staatspolitisch unerwünscht sei und einen starken Eingriff in die freie Marktwirtschaft bedeute, den das Zürcher Volk ablehne.

Die Beteiligung des Kantons würde übrigens zweifellos das erwünschte Mitspracherecht bei der Preisgestaltung nicht bringen. In Anbetracht der Minderheitsstellung des Kantons ist die Beteiligung unerwünscht, um so mehr als er nur Verpflichtungen und grosse Risiken übernehmen müsste und in seiner späteren Handlungsfreiheit eingeschränkt würde.

Aus staatspolitischen Überlegungen, aber auch im Sinne eines gesunden Gewerbeschutzes empfiehlt die Kommission, den Kredit nicht zu bewilligen.
»

Ein klares Votum gegen eine Beteiligung. Da eine solche Kommission sich aus allen massgeblichen Parteien zusammensetzt, zeichnete sich hier eine ernstzunehmende Oppositionsbewegung ab. Etwas, was die Leitung der Franz Haniel AG, Basel in ihrem Bericht an den Verwaltungsrat (vgl. WeiachBlog vom 12. Juli 2011) nicht unbedingt erwartet hatte.

Wie würde sich der Kantonsrat als Ganzes dazu stellen? Das zeigte sich in der nun folgenden Debatte. Die einzelnen Voten werden ausgiebig Gelegenheit bieten, die oben ausgeführten Erwägungen der Kommission zu beleuchten, weshalb an dieser Stelle darauf verzichtet wird.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1788-1790. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Donnerstag, 14. Juli 2011

Juliwetter 1961: Tagelange Belästigung durch Mottbrand

Der Sommer vor 50 Jahren war nicht durchgehend warm und sonnig. Der Juli wartete mit einer ziemlich verregneten Woche auf, welche die Bauern offenbar überhaupt eingeplant hatten. Zunächst lief noch alles im courant normal:

«Juli. Das warme und sonnige Wetter setzt sich bis zum 12.7. fort. Das Thermometer stieg an den Nachmittagen bis zu 27° (meist allerdings so zwischen 18 und 24° liegend). Man plangte bereits wieder auf Regen und freute sich darum köstlich an der "herrlichen" Regennacht vom 12./13.7. - Bereits beginnen die ersten Bauern mit ausfahren der frühen Kartoffelsorten. Sie werden gleich "frisch vom Felde" weg mit Lastwagen abgeholt.»

Superschlauer Jungbauer

Dann aber schlug des Regenwetter erbarmungslos zu: «Schlimmer ist die Woche vom 13. bis 20.7., kein Tag ohne Regengüsse oder ganze Regennächte, kaum einmal ein Sonnenblick. Tausende von Emdschöchli liegen durchnässt und braunschwarz herum. Zuletzt muss dieses sog. "Emd", weil unbrauchbar geworden, in den Stubengraben hinabgeführt und ausgeleert werden. Einem superschlau sich glaubenden jungen Bauern fiel es, weil bequemer, ein, einen Riesenhaufen solchen Mistes am Mühlebach droben anzuzünden. Der mottete dann tagelang und wir Oberdörfler konnten uns des "feinen" Brandgeruchs "erfreuen", bis es einer nun aber wirklich klugen Hausfrau einfiel, einmal "unter Licht" mit einer Giesskanne hinzugehen und den Mottenhaufen etlichemale zu überschütten, dass die Glut erlosch. Der Mühlebach lieferte das Wasser ja in der Nähe. Das Tun des Bauern mutete einen fast so an, wie das der Brasilianer, als sie einen Teil ihres überschüssigen Kaffeeertrages verbrannten oder ins Meer schütteten!!»

Die Tirade gegen den superschlauen Jungbauern ist typisch für Walter Zollinger, der sich nach Aussage von etlichen ältern Weiachern ziemlich echauffieren konnte, wenn ihn etwas ärgerte. Immerhin hat er den Superschlauen nicht auch noch gleich mit Namen in seiner Jahreschronik verewigt, so dass diesem ein unfreiwilliges Outing wohl für immer erspart bleibt.

Was man sich angesichts dieser Schilderung eines tagelang mottenden Brandes vor 50 Jahren dann doch fragt ist, weshalb die Oberdörfler sich lieber über den Gestank ärgerten, als kurz den Feuerwehrkommandanten anzurufen und ihn zu bitten, für Abhilfe zu sorgen.

Surrende Bindemäher

Nach dem Dampfablassen führt Zollinger seine Schilderung weiter - wie wenn nichts gewesen wäre: «Aber vom 27. an bessert's wieder zu einer sonnigen und recht warmen Woche. Jetzt surrt der Bindemäher von Acker zu Acker und alle Felder bieten einen prächtigen Anblick, voller Garben und Puppen! Es geht nun "unghür" zu im Hard unten. Mit Ende Monat ist die Erntearbeit zur Hauptsache ebenfalls beendet. Man ist darum über den regnerischen Nachmittag und Abend des 28.7. gar nicht ungehalten; er kam eher recht erwünscht. Am 30. Juli um Mitternacht kracht sogar noch ein Gewitter über unsere Gegend hinweg.»

Quellen
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1961 - S. 5. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1961].

  • Der Stubengraben ist älter als der Chaibengraben. WeiachBlog Nr. 451, 9. Mai 2007.

Mittwoch, 13. Juli 2011

Haniel fühlt sich durch Holderbanks Angriff bestätigt

Der gestern veröffentlichte Auszug aus einem Aktenband des Haniel-Archivs in Duisburg hat bereits erstaunliche Erkenntnisse zur Vorgeschichte der Weiacher Kies AG zutage gefördert (vgl. WeiachBlog vom 12. Juli 2011).

Der Leiter des Archivs hat in diesem aus hektographierten Blättern bestehenden Band ein paar Seiten weiter geblättert und auf S. 117 das nachstehende, handschriftlich mit Tinte um das Datum «13.4.61» ergänzte, «Exposé zuhanden des Verwaltungsrates (Sitzung vom 21.4.61)» der Franz Haniel AG Basel gefunden. Der Titel tönt wenig spektakulär. Der Inhalt ist es umso mehr:

Betr.: Kiesausbeutungs-Projekt WEIACH

«In seiner Sitzung vom 13. Dezember 1960 hat der Verwaltungsrat die Geschäftsführung unserer Firma bekanntlich ermächtigt, ein Kiesausbeutungsrecht von der Gemeinde Weiach mit Fr. 30'000.-- käuflich zu erwerben. Der Vertragsabschluss ist daraufhin noch am selben Tage zustande gekommen. Bereits tags darauf, also am 14. Dezember, hat auch Holderbank-Financière ihr Interesse am nämlichen Grundstück bei der Gemeinde Weiach angemeldet. Um drohende Spannungen nach Möglichkeit zu vermeiden, haben wir uns sofort zu einer geeigneten Zusammenarbeit mit Holderbank bereit erklärt; Holderbank ist auf unser Anerbieten jedoch nicht eingetreten, lag ihr offenbar doch mehr daran, uns gänzlich aus diesem Geschäft auszubooten. Zu diesem Zwecke hat Holderbank, wie bekannt ist, sogar bei Herrn Dr. Reusch persönlich [Dr. Hermann Reusch, Vorstandsvorsitzender der Gutehoffnungshütte von 1947-1966] gegen uns interveniert. Diese Intervention hat uns veranlasst, das Projekt in Weiach mit umso grösserer Energie voranzutreiben, hat es uns doch bewiesen, dass wir mit diesem Ausbeutungsvertrag ein hochinteressantes Geschäft in Händen haben. Dies ergibt sich speziell auch im Hinblick auf die Tatsache, dass die Stadt Zürich und ihre Umgebung schon seit langem an einem akuten Kiesmangel leidet, der sich von Jahr zu Jahr verschärft. Diese Gegend hat in der Schweiz die intensivste Bautätigkeit zu verzeichnen.

In der Folge haben wir von einer Anfrage für Kieslieferungen Kenntnis erhalten, die der Kanton Zürich zur Deckung seines Bedarfes für den Nationalstrassenbau pro 1962 hat ergehen lassen. Wir haben erfahren, dass sich kein einziges bestehendes Kieswerk für diese Lieferungen interessiert hat, mit Ausnahme eines unabhängigen Ingenieurbüros, das dem Kanton eine Offerte für Kies aus Landquart (104 km von Zürich entfernt) unterbreitet hat. Das dazu benötigte Kieswerk hätte aber auf Grund der Bestellung des Kantons erstellt werden müssen. Aus diesen Gründen haben wir uns selbst sehr intensiv um diesen Auftrag bemüht, was am 16. März d.J. zu einem Gespräch mit dem zürcherischen Regierungspräsidenten, Herrn Regierungsrat Meierhans, geführt hat. Unser Verwaltungsratspräsident, Herr Dr. Scherrer, hat sich freundlicherweise bereit erklärt, an dieser Sitzung teilzunehmen. Wir haben dabei erfahren, dass der Kanton Zürich am Kiesvorkommen in Weiach grösstes Interesse hat, weil er als Bauherr für den Nationalstrassenbau auch die Verantwortung für die hinreichende Kiesbeschaffung trägt. Wir haben uns ohne weiteres bereit erklärt, dem Kanton Zürich die benötigten Mengen Kies zur Verfügung zu stellen. Bei dieser Gelegenheit haben wir auch erfahren, dass sich der Weiacher-Kies durch seine Frostbeständigkeit qualitatitv besonders auszeichnet, weshalb er gerade für den Strassenbau bestens geeignet ist (keine Autobahnaufbrüche).
»

Quelle
  • Haniel Archiv, Duisburg, Signatur: ZABW:201, S. 117.
Für die Genehmigung zur Veröffentlichung dankt WeiachBlog dem Leiter des Haniel-Archivs, Herrn Dr. Ulrich Kirchner.

Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Dienstag, 12. Juli 2011

Trotz Spionage kein Direktangriff: Haniel hält sich still

Um das Weiacher Kiesvorkommen wurde vor rund 50 Jahren offenbar mit Haken und Ösen gekämpft. Diesen Eindruck gewinnt man, wenn man den nächsten Abschnitt «Politische Gesichtspunkte» im gestern schon zitierten Dokument aus dem Frühjahr 1961 an den Verwaltungsrat der Franz Haniel AG Basel liest:

«Wie Ihnen bekannt sein wird, ist über die Frage der Beteiligung des Kantons Zürich an der Weiacher Kies AG. eine heftige Zeitungspolemik entstanden, deren Urheber ganz offensichtlich Holderbank ist. Diese Urheberschaft darf deshalb mit grösster Sicherheit angenommen werden, weil verschiedene Sätze in den Zeitungsartikeln mit solchen identisch sind, die im Brief an Herrn Dr. Reusch vom Dezember v.J. enthalten waren. Wir wissen auch aus vertraulichen Informationen des Kantons, dass von dieser Seite gegen uns opponiert wird. Als Holderbanks Verbündeter hat auch der Schweiz. Kiesverband eine mehr als zweifelhafte Tätigkeit gegen uns entfaltet. Es ist zweifellos richtig, dass sich Haniel in dieser Sache ruhig verhält, umsomehr als unsere Firma an sich bis heute noch keinen ehrenrührigen Angriffen ausgesetzt war. Auch die Herren des Kantons Zürich haben sich dieser Meinung angeschlossen und uns geraten, möglichst nichts zu unternehmen. Es war anzunehmen, dass im Kantonsparlament gegen die Beteiligung des Kantons an der Weiacher Kies AG. eine Opposition entstehen werde. Wir glauben aber zuversichtlich, dass der Kanton sein Vorhaben mit so vielen stichhaltigen Argumenten begründen kann, dass die Vorlage angenommen werden muss. Wir haben diesbezüglich auch verschiedene Parlamentarier aller Richtungen nach ihrer Meinung befragt und durchwegs die Antwort erhalten, dass sie die Vorlage unterstützen werden. Im übrigen ist es bezeichnend für die Hilflosigkeit der Opposition, dass sie im Kampf gegen unser projektiertes Werk zum Mittel des Diebstahls greifen muss (Diebstahl der Kiesmuster aus unserer Versuchsbohrung).

Sollte die Beteiligung des Kantons trotz allem doch abgelehnt werden, wird der Kanton Zürich seinen Kiesbedarf für den Nationalstrassenbau sofort öffentlich ausschreiben. Selbstverständlich würden wir uns dann im Rahmen dieser Ausschreibung um die Aufträge bewerben. Mit den dann eingehenden Aufträgen des Kantons würden wir unsere weitere Planung in Uebereinstimmung bringen.
» (Haniel Archiv, Duisburg, ZABW:201, S. 113)

Dazu zwei Bemerkungen:

1. Bei dem oben erwähnten «Dr. Reusch» handelt es sich um Hermann Reusch, den Vorstandsvorsitzenden der Gutehoffnungshütte (GHH) von 1947-1966. Dieses Unternehmen war ab 1808 so eng mit dem wirtschaftlichen Erfolg und der Geschichte der Familie Haniel verknüpft, dass das Kürzel GHH im Volksmund scherzhaft mit «Gehört Hauptsächlich Haniel» übersetzt wurde.

2. Der Vorwurf der Franz Haniel AG, ihre Gegenspieler (das Schweizer Kiesgewerbe unter Führung von Holderbank) hätten einen Diebstahl in Auftrag gegeben, um an Informationen zur Weiacher Kiesqualität zu gelangen, wiegt schwer. Nicht überprüft wurde durch WeiachBlog bislang, ob der in diesem internen Dokument angedeutete Fall von Industriespionage zur Anzeige gebracht wurde und welche Weiterungen die Angelegenheit hatte.

Quelle
  • Auszug aus: Haniel Archiv, Duisburg, Signatur: ZABW:201, S. 113.
Für die Genehmigung zur Veröffentlichung auf WeiachBlog sei Herrn Dr. Ulrich Kirchner, Leiter des Haniel-Archivs, an dieser Stelle herzlich gedankt.

Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

Montag, 11. Juli 2011

Beträchtliche Reserven für Konkurrenzkampf

Die Franz Haniel & Cie. GmbH aus Duisburg war seit der Gründung der Weiacher Kies AG im Jahre 1961 bis 2004 der wichtigste wirtschaftliche Partner der Gemeinde Weiach. Dies lässt sich bei der enormen Bedeutung der Kiesabbauentschädigungen für die Finanzlage der Gemeinde kaum bestreiten.

Wenn man das Machtgefälle berücksichtigt, wäre die Frage, ob und inwieweit das deutsche Grossunternehmen seine Stellung ausnutzte oder nicht, einer genaueren Prüfung durchaus würdig. Hier soll es aber vor allem um die mit der Gründung verbundenen Aspekte gehen.

Formal verantwortlich für die Führung der Weiacher Kies AG war zwar die (Jahrzehnte zuvor bereits gegründete; vgl. Quellen und Literatur) schweizerische Niederlassung und 100%ige Tochter des Konzerns, die Franz Haniel AG Basel. Doch es ist klar, dass die strategischen Entscheide im Ruhrgebiet gefällt wurden.

Weiacher Vorhaben konservativ kalkuliert

Die bewegte Geschichte des Konzerns zeigt vor allem eines: dass stetiger Wandel die einzige Konstante ist. Diese geistige Beweglichkeit ist wohl der Hauptgrund, dass das Unternehmen über 250 Jahre überlebt hat. Es existiert heute nur noch, weil sich seine Form und die Tätigkeitsfelder mehrfach radikal verändert haben. Und weil genaue Marktbeobachtung sowie das Eingehen sorgfältig kalkulierter Risiken durch die von Franz Haniels Erben eingesetzten Statthalter zu guten Ergebnissen führten.

Der folgende Ausschnitt aus einem Dokument der Franz Haniel AG Basel (wohl an den Verwaltungsrat gerichtet) zeigt, dass vor 50 Jahren im Hinblick auf den erwarteten Preiskampf besonders konservativ kalkuliert wurde:

«Im Moment ist es leider gänzlich ausgeschlossen, eine genaue Kalkulation [für das geplante Weiacher Kieswerk] zu erstellen. In den oben aufgeführten Zahlen sind jedoch so viele Sicherheiten enthalten, dass sie nur als Richtwerte dienen können. Wir haben dadurch aber auch die Sicherheit, dass uns im Falle eines Konkurrenzkampfes beträchtliche Reserven zur Verfügung stehen. Ausserdem haben verschiedene Kieswerke ab 1. Juli 1961 ihre Preise für Wandmaterial ab Werk um Fr. 2.-- erhöht, was für unsere Rechnung eine zusätzliche Reserve bedeutet.» (Haniel Archiv, Duisburg, ZABW:201, S. 113)

Quellen und Literatur
  • Auszug aus: Haniel Archiv, Duisburg, Signatur: ZABW:201, S. 113.
  • «1924 Gründung der Franz Haniel AG in Basel um Zugriff auf die Kohlemärkte in der Schweiz zu bekommen.» (Quelle: Timeline zur Geschichte der Franz Haniel & Cie GmbH von www.MarCollect.de aus dem Jahre 2008)
  • Bestätigt wird dies durch eine Diplomarbeit der Universität Köln (Kim Holger Opel: Die Goldmarkeröffnungsbilanz 1924 der Franz Haniel & Cie. GmbH im Lichte zeitgenössischer Bilanztheorien. Diplomarbeit im Fach Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Vorgelegt in der Diplomprüfung im Studiengang Betriebswirtschaftslehre der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät an der Universität zu Köln, Köln 2005) entnehmen kann, muss die Franz Haniel AG in Basel bereits Mitte der 1920er-Jahre gegründet worden sein. Vergleiche S. 69, wo über die Zeit von 1925 bis 1929 gesagt wird: «Zum anderen war es die Politik des Generaldirektors Welker, das Vertriebsnetz des Unternehmens durch Gründungen und Zukäufe von Gesellschaften im In- und Ausland (z.B. die A.M Schmidt AG in Riga, die Franz Haniel AG in Basel oder die Aktieselkabet Kjobenhavns Brændsls Kompagni in Kopenhagen) auszubauen.»
Für die Genehmigung zur Veröffentlichung auf WeiachBlog sei Herrn Dr. Ulrich Kirchner, Leiter des Haniel-Archivs, an dieser Stelle herzlich gedankt.

Sonntag, 10. Juli 2011

Kapitaler deutscher Hecht mischt Schweizer Teich auf

Die Basellandschäftler Firma Gebrüder Aymonod war im Schweizer Baustoffgeschäft ein kleiner Fisch. Deshalb interessierte sich auch kaum jemand für deren Aktivitäten auf Weiacher Boden.

Ab November 1960 änderte sich das schlagartig. Wie man der «Erwiderung» von Gemeindepräsident Meierhofer entnehmen kann, wollten die Aymonods ihr Abbaurecht abtreten. Der kapitalkräftige neue Interessent liess Probebohrungen vornehmen und deren Resultate waren offenbar so überzeugend, dass er gleich eine Vervierfachung des Abbauperimeters von 4 auf 16 Hektaren wünschte.

Haniel: Gigant aus dem Ruhrgebiet

Der plötzlich im wohlgeordneten Schweizer Karpfenteich auftauchende kapitale Hecht wurde als Bedrohung empfunden. Denn die Interessentin, die Franz Haniel AG Basel, war die schweizerische Niederlassung und 100%ige Tochterfirma der Franz Haniel & Cie GmbH, eines mächtigen Familienunternehmens aus Duisburg. Der 1756 als Handelshaus gegründete, bald im Bergbau und der Verhüttung tätige und bis heute im Wesentlichen von der Gründerfamilie Haniel kontrollierte Mischkonzern war schon vor 50 Jahren ein Schwergewicht.

Haniel hat aktuell rund 50'000 Mitarbeiter und figuriert auch heute noch unter den 250 grössten Unternehmen der Welt. Bezüglich Umsatz liegt die Franz Haniel & Cie GmbH auf Platz 188 der Fortune Global 500 von 2009 (zum Vergleich: Canon ist auf Platz 190, Novartis auf 183), unter den deutschen Unternehmen auf Platz 19. Noch auf der Fortune 500-Liste von 2002 war Haniel wesentlich weiter hinten klassiert: Platz 269.

Holderbank: Lokaler Platzhirsch

Auch der direkte Konkurrent ist namentlich bekannt. Aufgrund verschiedener Indizien (im Kantonsratsprotokoll und in Akten aus dem Haniel-Archiv) muss angenommen werden, dass die Ende Juni 1961 via Medien verabreichte Schelte an die Adresse der Gemeinde Weiach vor allem von der Holderbank Financière Glarus ausgegangen ist. Auch die Opposition gegen die vom Regierungsrat angestrebte Beteiligung des Kantons Zürich an dem von Haniel aufgezogenen Weiacher Kiesunternehmen wurde offenbar von Holderbank orchestriert.

Die 1912 als «Aargauische Portlandcementfabrik Holderbank-Wildegg» gegründete und vor 50 Jahren durch die Industriellen-Familie Schmidheiny kontrollierte Firma Holderbank ist heute unter dem Namen Holcim bekannt. Der international tätige Zement- und Baustoffkonzern ist wie Haniel auf der Fortune 500-Liste vertreten (2009: weltweit Nr. 393, Platz 13 in der Schweiz).

Hiermit wären die Hauptkontrahenten in der rund um die Gründung der Weiacher Kies AG vor 50 Jahren entstandenen Auseinandersetzung kurz vorgestellt.

Dienstag, 5. Juli 2011

Getreide vom Gelbrost befallen

Gelbrost oder Streifenrost (mit wissenschaftlichem Namen: Puccinia striiformis) ist eine Pilzart, die Getreide und andere Gräser befällt. Sie führt zu massiven Mindererträgen und nimmt vor allem bei atlantischer Witterung (feucht, 10-15°C) überhand.

Vor 50 Jahren war dieser Schädling auch bei den Weiacher Bauern ein Thema, wenn auch nicht ein so grosses wie anderwärts, wenn man Walter Zollinger in seiner Jahreschronik 1961 folgen will:

«Der Minderertrag beim Getreide sodann ist der, auch bei uns in leichterm Grade aufgetretenen "Gelbrostkrankheit" beim Winterweizen zuzuschreiben.»

Gleich unter diesem Satz, der den Rückgang in den meisten landwirtschaftlichen Produkten kommentiert, hat Zollinger einen Zeitungsausschnitt eingeklebt (leider wie bei ihm üblich ohne Quellenangabe):

«Die Gelbrostepidemie 1961»

«Auf Winterweizen ist dieses Jahr der Gelbrost bereits Mitte April stellenweise sehr stark aufgetreten und heute noch im Zunehmen begriffen. Das frühe Auftreten ist sehr wahrscheinlich auf den milden Winter zurückzuführen, doch ist auch das im letzten Jahre vielerorts beobachtete Auftreten des Ausfallweizens daran schuld, da sich der Gelbrostpilz auf dem Ausfallweizen halten kann.

Die Bekämpfung des Gelbrostes bietet Schwierigkeiten. Indirekte Bekämpfungsmaßnahmen stützen sich vor allem auf die Vernichtung des Ausfallgetreides nach der Getreideernte und auf den Anbau resistenter Sorten, die jedoch wegen des Auftretens neuer Gelbrostrassen immer wieder gefährdet werden.

Die Bekämpfung mit chemischen Präparaten ist heute noch nicht restlos gelöst. Auf Grund zweijähriger Versuche konnte festgestellt werden, daß ein einziges Präparat (Sabitane, Maag, Dielsdorf) eine gewisse Wirkung zeigte, doch muß dieses Mittel noch weiter geprüft werden. Erschwerend für die direkte Bekämpfung ist das außerordentlich frühe Auftreten des Gelbrostes und das in den letzten Tagen intensive Wachstum des Getreides, so daß auf alle Fälle mit einer mehrmaligen Behandlung gerechnet werden müßte. In der Presse sind verschiedene Artikel über die chemische Bekämpfung des Gelbrostes erschienen; es muß ausdrücklich festgehalten werden, daß das oben erwähnte Präparat erst provisorisch bewilligt worden ist.

Die Versuche zur Weiterführung dieses Präparates und die in der Praxis gesammelten Erfahrungen werden zeigen, ob die chemische Bekämpfung des Gelbrostes durchgeführt werden kann. (Mitg. von der Eidg. Landw. Versuchsanstalt Zürich-Oerlikon)
»

Den Pflanzenschutzmittel-Experten gefragt

Vom Handelsnamen Sabitane findet man heute im Internet keine Spur. Um Genaueres über das Schicksal dieses Produkts herauszufinden habe ich mich mit Gijs van den Hurk, Inhaber der Risikoberatungsfirma ToxRe in Grüningen ZH, in Verbindung gesetzt.

Seine erste Vermutung ging schon einmal in die richtige Richtung: «Vor 50 Jahren gab es nur eine einzige Firma die Anti-Rost-Produkte verkaufte: Uniroyal. Maag hat dieses Produkt wohl für die Schweiz übernommen und testen lassen.» (zur Geschichte von Maag siehe die Website der heutigen Besitzerin Syngenta).

So schnell gab er sich dann aber nicht zufrieden und meldete sich einige Tage später wieder:

«Nach vielen Stunden Suchen, habe ich endlich das Produkt "Sabitane" gefunden. Es betrifft eine Kombination von zwei nicht-systemischen fungiziden Wirkstoffen (Myclobutanil + Dinocap), die durch die amerikanische Firma Rohm&Haas entwickelt wurde und damals vermutlich der Firma Maag AG in der Schweiz - zur Weiterentwicklung und Verkauf auf dem schweizerischen Markt - unter dem Name "Sabithane*" angeboten wurde. Rohm&Haas gehört jetzt zu Dow Agroscience.

Die Patente für beide Fungizid-Wirkstoffe sind vermutlich schon abgelaufen (Myclobutanil: 1986-2006; Dinocap 1965-1985) und "Sabithane" wurde von einer Kombination von zwei systemischen Wirkstoffen ersetzt (Azoxystrobin + Cyproconazol), die heute von Syngenta unter dem Handelsnamen "Amistar Xtra*" in der Schweiz vermarktet wird.
» [* steht für: eingetragenes Handelszeichen].

Vielen Dank, Gijs!

Mit Soundex schneller finden

Das Beispiel zeigt wieder einmal deutlich, dass Soundex-basierte Suchalgorithmen (wie von WeiachBlog schon vor 5 Jahren, am 20. Juni 2006 vorgeschlagen) schon eine wesentliche Beschleunigung der Recherche bedeuten können. Dann hätte man den Link vom verschriebenen «Sabitane» auf das homophone «Sabithane» schnell gefunden.

Quellen


[Veröffentlicht am 11. Juli 2011]

Freitag, 1. Juli 2011

«Staatlich geförderte Ueberfremdung»? Replik des Gemeindepräsidenten

Dass der im Bergbau gross gewordene deutsche Familienkonzern Haniel Anfang 1961 den Kiesabbauvertrag der Gebrüder Aymonod erben konnte, störte einige Schweizer Unternehmer ganz gewaltig.

Noch mehr missfiel ihnen, dass der Regierungsrat des Kantons Zürich bei der zu gründenden Weiacher Kies AG gar als Minderheitsaktionär einsteigen und dem Kanton damit Kieslieferungen für den Autobahnbau sichern wollte (vgl. den Beitrag von gestern und die dort aufgelisteten weiterführenden Artikel).

Die Gegenkampagne nahm merklich an Fahrt auf, als diese Gruppierung beschloss, den überfremdungspolitischen Zweihänder aus dem Medienarsenal zu nehmen und damit auf die Gemeinde Weiach einzudreschen (vgl. WeiachBlog vom 30.6.2011).

Vorwürfe, ausgerechnet ein Gemeinwesen leiste dem Ausverkauf der Heimat Vorschub, konnten die politisch Verantwortlichen nicht auf sich sitzen lassen. Der damalige Weiacher Gemeindepräsident Albert Meierhofer-Nauer zeichnete als Verfasser einer Erwiderung. Sie erschien unter anderem im «Zürichbieter» vom 13. Juli 1961 (fett gehaltene Stellen wie in der Originalvorlage):

Erwiderung

«Ende Juni und anfangs Juli 1961 sind in einem Teil der zürcherischen Presse Artikel der SPK und der SFP erschienen unter dem Titel «Weiacher Kies im wirtschaftspolitischen Blickfeld» oder «Staatlich geförderte Ueberfremdung», die mich persönlich veranlassen, den Lesern einige Richtigstellungen zu unterbreiten:

Seit 1957 bestand ein Vertrag der Gemeinde Weiach mit der schweizerischen Firma Aymonod, Muttenz und Pratteln BL, für das Ausbeutungsrecht von ca. 4 ha Kiesboden. Jahre vergingen, es war den Vertragspartnern nicht möglich, auch bei Grossfirmen in Zürich Interesse für Kieslieferungen von Weiach zu wecken. Familiäre Verhältnisse der genannten Firma führten dazu, sich nach andern Interessenten umzusehen. Im Laufe des Monats November 1960 ersuchte die Firma Aymonod um Zession ihres Vertrages an die Firma Franz Haniel AG., Basel (Firma schweizerischen Rechtes). Der Gemeinderat Weiach war mit der Abtretung an die Firma Haniel einverstanden und räumte dieser Firma das Recht ein, Bohrungen vorzunehmen, um über die Qualität des Kiesmaterials Aufschluss zu erhalten, aber auch informiert zu sein über die vorhandene Tiefe des Lagers. Die erste Vertragspartnerin (Firma Aymonod) hatte die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Gemeinde Weiach in jeder Weise erfüllt, trotz des für sie negativen Ausbeutungsergebnisses. Das Ergebnis der Kiesuntersuchungen war ein gutes. Es wurde nur gewünscht, dass die Fläche zur Ausbeutung wesentlich vergrössert werde.

Während Verhandlungen mit der kantonalen Baudirektion über die Erteilung der erforderlichen Schürfbewilligung bereits soweit gefördert waren, um abgeschlossen werden zu können, machten sich andere schweizerische Firmen heran und zeigten in ganz auffälliger Weise ihr Interesse an den Kiesvorkommen in Weiach.

Da für den Gemeinderat die vertraglichen Bindungen der Gemeinde bestanden, konnte aus rechtlichen Gründen, aber auch aus Gründen des moralischen Anstandes keine andere Firma berücksichtigt werden.

Schon bei diesen Verhandlungen mit den verspätet aufgetretenen Interessenten haben wir erklärt, wie sonderbar es sei, dass nun plötzlich, nachdem Resultate vorlagen, der Weiacher Kies ins Blickfeld der Oeffentlichkeit rückte. Ebenso sonderbar ist es, dass jetzt besonderes Interesse vorhanden zu sein scheint, weil sich die Basler Firma für Lieferungen in erster Linie an den Kanton Zürich bereit erklärt hat.

Es ist also wirklich kein Grund vorhanden, der Gemeinde Weiach Moral predigen zu müssen wegen Ueberfremdung des Schweizer Bodens, denn der Boden bleibt Eigentum der Gemeinde. Vielmehr ist zu befürchten, dass nunmehr wilde Spekulation von seiten schweizerischer Unternehmungen unsere Fürsorge für die Erhaltung des kulturfähigen Landes zunichte machen, weil diese sich nun bemühen, Privatland aufzukaufen.

Es berührt sonderbar, dass sich um unser Kiesvorkommen vor Bekanntwerden des Bohrungsergebnisses niemand kümmerte. Jedenfalls sind Belehrungen für gewisse andere eher angebracht! Wieviel besser wäre es auch für die Presse, wenn sie sich richtig und objektiv informieren und dann ihre Belehrungen entsprechend formulieren würde, damit sie Früchte brächte für Menschlichkeit und geraden, aufrechten Schweizersinn!

A. Meierhofer, Gemeindepräsident
»

Wer zu spät kommt...

Viel ist dem nicht mehr beizufügen. Ausser vielleicht das: die Firma Haniel sah nicht nur den kommenden Absatzmarkt im richtigen Licht, sie hatte auch Erfahrung mit Abbautechnik im industriellen Massstab und hat überdies die Zeichen der Zeit bezüglich Transportlogistik erkannt.

Dass der Kies von Weiach per Bahn auf die Autobahnbaustellen der N3 von Zürich-Brunau Richtung Walensee geliefert wurde (und nicht per Lastwagen), war nicht nur ein Anliegen der Kantonsregierung, welche von «Kiesbombern» verursachte Lärmbelastung und verstopfte Strassen befürchtete. Kiestransport mittels Eisenbahnzügen kostete ganz einfach weniger. Klotzen statt kleckern lohnte sich auch finanziell.

Die Schweizer Konkurrenz hat diese Entwicklung schlicht verschlafen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.