Samstag, 31. Juli 2010

Vom Kühlhaus zur Garage

Da es in den letzten Wochen ja oft heiss gewesen ist, sei hier nun zum Ausgleich von der «eiskalten» Vergangenheit eines unscheinbaren Häuschens mitten im Dorfkern die Rede.

Es trägt die Versicherungsnummer 378 und steht an der Stadlerstrasse. Allerdings etwas zurückversetzt schräg hinter dem VOLG-Gebäude (Stadlerstrasse 4). Erbaut wurde es 1957 als Gemeinschaftskühlanlage (vgl. WeiachBlog vom 11. Januar 2007).


Auf dieser Aufnahme von Walter Zollinger, die in seine Jahreschronik 1959 Eingang gefunden hat (G-Ch Weiach 1959 - S. 12), ist das Kühlhaus von 1957 links im Hintergrund zu erkennen.

Hier eine Aufnahme des nicht mehr dem ursprünglichen Zweck dienenden Tiefkühl-Häuschen zwischen dem Volg und der Liegenschaft Wolf. (Aufnahme WeiachBlog vom 27. November 2004)

Und hier der Zustand nach dem Umbau. Vor zwei Jahren wurde das Häuschens in eine Autogarage verwandelt. Nun werden dort statt konservierter Lebensmittel fahrbare Untersätze und automobiles Zubehör aufbewahrt.

Wer hat heute schon keinen eigenen Tiefkühler zuhause und will noch zum Gemeinschaftskühlhaus pilgern? Niemand! Moderne Zeiten eben.

Weiterführender Artikel

Freitag, 30. Juli 2010

«Was der kilchen das nutzlichist syge»

«Jtem zween böß äcker, so der kilchen gehörig, niemand umb den zinß buwen». Dieser Missstand erscheint im «verzeichnuß ettlicher mißbrüchen und unordnungen, so sich zuo Wyach haltend» vom Februar 1596 an achter Stelle (vgl. WeiachBlog vom 18. Juli).

Ob mit dem Begriff «böß» schlechtes Ackerland gemeint war, das daher niemand pachten wollte? Jedenfalls wurde auch diese Klage flugs in einen Artikel verwandelt der den Obervögten die Mitsprache bei Kirchengut garantierte. In Artikel 9 der Gemeindeordnung wurde unter dem Titel «Kilchen Aecker» festgehalten:

«Wenn man der Kilchen Aecker und [recte: umb] Zinß verlihen will, soll das mit Rath der Obervögten beschehen und allwegen wol bedacht werden, was der Kilchen das nutzlichist sige.»

Eigentlich ist es klar, dass man beim Kirchengut das Interesse der Kirche an die oberste Stelle stellt. Wie man aber weiss, kann es durchaus vorkommen, dass der Verwalter ein Stück Land einem gibt, der dann eher einen Vorteil davon hat, als das Gemeinwesen dem es gehört. Diesem Phänomen sollte mit Artikel 9 entgegengewirkt werden. Ob die Bestimmung allerdings das eingangs geschilderte Problem löst, ist eine ganz andere Frage.

Quelle

Donnerstag, 29. Juli 2010

Rechnungsrevision zu teuer - darum nur noch alle zwei Jahre

Im gestrigen Beitrag war die Rede davon, dass die Obrigkeiten den Erlass der Weiacher Gemeindeordnung vom November 1596 zum Anlass nahmen, sich in Artikel 8 über die «Rechnung um das Gmein Gut» das Recht zur jährlichen Einsicht in die Gemeinderechnung zuzuschanzen:

«Die Dorfmeier sollent umb alles das, so si in nemmend und der Gmeind zugehört, es sige Zinß und ander Gefell, jerlich von [recte: vor] den Obervögten in Bisin der Grichtsherren ordentliche Rechnung geben.» (ZsR AF 4, S. 177)

Abmachung zwischen den Gerichtsherren

Wenn man in der Rechtsquellensammlung Neuamt nach weiteren Einträgen zum Thema Gemeinderecht sucht, findet man ein Dokument, das nur ein paar Monate später, am 21. März 1597, entstanden ist. Es handelt sich um eine Vereinbarung zwischen den beiden zürcherischen Obervögten des Neuamts als Vertreter der hohen Gerichtsbarkeit, sowie dem fürstbischöflich-konstanzischen Obervogt und dem Amtmann der Herren von Landsberg als Vertreter der niederen Gerichtsbarkeit. Der Artikel 13 mit der Überschrift «Rechnung von wegen der gantzen gmeind» lautet:

«Es söllen die gschwornen ald dorffmeiger zů Wyach jerlichen jnn gschrifft umb das jnnëmmen unnd ußgëben der gmeind vor beiden herren obervögten, ouch beiden grichtsherren dasëlbst ordenliche rëchnung gëben.» (RQNA 184)

Hier wird also die Anwesenheit aller drei Obrigkeiten erneut festgeschrieben und dazu präzisiert, was unter einer ordentlichen Rechnung zu verstehen ist: die schriftliche Form ist verbindlich und der jährliche Rhythmus auch.

Niedergerichtsherren beschweren sich vergeblich

Nur wenige Jahre später, spätestens im Frühling 1603, fanden die Niedergerichtsherren (der Fürstbischof und die Herren von Landsberg) aber, es gehe nicht an, dass sich Zürich das Recht gegeben habe, die Weiacher Gemeinderechnung zu kontrollieren. Dies stehe - wie in andern Dörfern des bischöflichen Amtes Kaiserstuhl - allein den Niedergerichtsherren zu. Punkt 6 ihrer Beschwerdeliste liest sich wie folgt:

«Zum sechsten. Müssent die geschwornen dorffmeyer zue Wiach den obervögten jm Neuwen Ambt alle zwey jahr jres einnemmens und außgebens rechnung thůn, welliches (als jnn den übrigen dörfferen des ambts Keiserstůll auch bruechig) den nideren gerichtzherren zůgehorig. Über solche rechnung, die beschehe gleich zů Zürich, Wyach oder an einem annderen ort, gat allwegen grosser kosten uff, dessen sich die unnderthanen nit wenig zů beschweren haben.» (RQNA 181b)

Interessant ist, dass die Gerichtsherren offensichtlich bereits nach wenigen Jahren auf die jährliche Rechnungsrevision verzichtet haben und die Rechnung nur noch alle zwei Jahre sehen wollten. Nicht zuletzt wegen der Reklamationen der Weyacher, es koste zu viel. Wohl nicht ganz zu Unrecht: immerhin mussten da vier hohe Herren samt ihren Reittieren verköstigt werden und die Dorfmeier hatten an diesem Tag einen Verdienstausfall.

Termine zusammenlegen

Die in der Folge am 30. Juni 1604 zwischen den gleichen Parteien wie im März 1597 geschlossene Vereinbarung erwähnt folgerichtig nichts mehr von jährlicher Rechnungsabnahme. Der Artikel 5 hält dafür aber ausdrücklich fest, man solle den Termin mit Amtsgeschäften zusammenlegen, für welche die Gerichtsherren und Dorfmeier sich sowieso treffen müssen:

«Zum fünfften, betreffend der geschwornen dorfmeyeren zů Wyach rechnungen, so sy umb jr jnnemmen und ußgeben zegëben habent: Söllint sölliche rechnungen vor den obervögten deß Nüwenampts als von der hohen oberkheit wegen jnnbysin der nideren grichtsherren gegëben, unnd das jnnemmen söllicher rechnungen allwegen uff die zyt angesehen werden, wann man sontst anndere gschefft auch zů verrichten hatt, damit destminder costens daruf gange.» (RQNA 181c)

Ein solcher Termin wäre beispielsweise das Mayen- bzw. das Herbstgericht gewesen.

Quellen
  • Offnung der Gmeind Weyach von Anno 1596 [14. Wintermonat 1596]. In: Zeitschrift für schweizerisches Recht, Alte Folge Bd. 4 (1855) – II. Rechtsquellen, S. 177. [vgl. RQNA 183: Gemeindeordnung].
  • SSRQ ZH Neuamt (RQNA): Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft; Erster Band: Das Neuamt; Aarau, 1996. [Bearbeiter: Thomas Weibel] - S. 398, 400, 408 und 412.

Mittwoch, 28. Juli 2010

Ordentliche Rechnungslegung verlangt

Die bisher besprochenen Artikel 1 bis 7 der Weiacher Gemeindeordnung von 1596 beruhen allesamt auf von den Einheimischen selber genannten Punkten, die im «verzeichnuß ettlicher mißbrüchen und unordnungen, so sich zuo Wyach haltend» aufgeführt sind (vgl. WeiachBlog vom 18. Juli). Nicht so die folgende Bestimmung.

Bei Artikel 8 nutzte die Obrigkeit die Gelegenheit, um noch einen weitern Nagel einzuschlagen. Nach den Punkten «Inzug gemeiner Zinsen» und «Zeeren uf Gmeind» behandelt er die «Rechnung um das Gmein Gut».

Die Gelegenheit beim Schopf gepackt

Das war schliesslich etwas vom Wenigen, was die Herren Obervögte kontrollieren durften, ohne den Vorwurf der Einmischung in die Gemeindehoheit zu provozieren. Wieso also dieses Recht nicht gleich in der Gemeindeordnung verankern? Et voilà:

«Die Dorfmeier sollent umb alles das, so si in nemmend und der Gmeind zugehört, es sige Zinß und ander Gefell, jerlich von [recte: vor] den Obervögten in Bisin der Grichtsherren ordentliche Rechnung geben.»

Mit den Obervögten sind die zürcherischen Amtsträger, die Obervögte des Neuamts, gemeint. Der Begriff der Gerichtsherren bezeichnet die Herren von Landsberg auf Schloss Schwarzwasserstelz, welche seit 1587 eine Hälfte des Niedergerichts in Weyach zum Lehen hatten, sowie der im Schloss Rötteln residierende Obervogt des Fürstbischofs von Konstanz, der als Lehengeber die andere Hälfte der Gerichtsherrschaft Weiach selber kontrollierte.

Waren die Gerichtsherren nur auf eigenes Begehren dabei?

Wie Thomas Weibel im Band Neuamt der Rechtsquellensammlung anmerkt, ist im Dokument mit der Dorsualnotiz «Ordnungen der gmeind Wyach», das er als Vorlage für seine Transkription verwendet hat, unter diesem Artikel 8 eine nachträglich gestrichene Bemerkung angebracht:

«Nota, die grichtsherren begërend, ouch darby zů synd.»

Die Gerichtsherren wollten bei der Prüfung der Rechnung verständlicherweise auch dabei sein. Fragt sich, ob ihnen die Zürcher Ratsherren und Obervögte dieses Recht ohne ausdrücklich geäusserten Wunsch nicht zugestanden hätten. Möglich wär's.

Quellen
  • Offnung der Gmeind Weyach von Anno 1596 [14. Wintermonat 1596]. In: Zeitschrift für schweizerisches Recht, Alte Folge Bd. 4 (1855) – II. Rechtsquellen, S. 177. [vgl. RQNA 183: Gemeindeordnung].
  • SSRQ ZH Neuamt (RQNA): Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft; Erster Band: Das Neuamt; Aarau, 1996. [Bearbeiter: Thomas Weibel] - S. 410, Fn-b.

Dienstag, 27. Juli 2010

Wider die Spesenreiterei auf Gemeindekosten

«Uff die gemeind nützitt ohne wichtige ursachen verzehren». Dieser Wunsch erscheint im «verzeichnuß ettlicher mißbrüchen und unordnungen, so sich zuo Wyach haltend» vom Februar 1596 an siebter Stelle (vgl. WeiachBlog vom 18. Juli).

Was die Weiacher Gemeinderäte Ende des 16. Jahrhunderts sich alles auf Kosten des Gemeinwesens genehmigten, ist bislang nicht bekannt. Enteninseln wie in England werden es wohl nicht gewesen sein, schon eher das Bächtelen (vgl. Artikel von gestern).

Fertig mit Selbstbedienungsladen

Offensichtlich waren aber einzelne Einwohner und vor allem die Vertreter der Obrigkeit der Meinung, eigenmächtige Spesenausgaben auf Gemeindekosten gingen entschieden zu weit. Und so hielten sie in Artikel 7 der Gemeindeordnung unter dem Titel «Zeeren uf Gmeind» (d.h. Verköstigen auf Gemeindekosten) folgende Punkte fest:

«Weder die Dorfmeier, Gschworne, noch andere süllent für sich selbs und ohne der Gemeind Willen nützit witers (wie etwan hievor beschechen) uf die Gmeind verzeeren und Schulden machen. Welliche aber das darüber thete, und uf die Gmeind ohne der Oberkeit ald der Gmeind Wüßen und Willen etwas unnotwendiger Wiß verzeeren oder sontsten überflüßigen [kosten] uftriben wurde, der und dieselben sollen schuldig sin, das alles uß iren eignen Seklen zu bezalen und von der Gmeind Gut an solliche Zeerung nützit gegeben werden.»

Auch in diesem Artikel gibt es keine Bussandrohung. Aber es wird immerhin klipp und klar gesagt, dass ohne Genehmigung der Gemeinde oder der Obrigkeit in Wirtshäusern gemachte Spesen aus dem eigenen Sack zu bezahlen seien.

Quelle

Montag, 26. Juli 2010

Gemeindeeinnahmen dürfen nicht vertrunken werden

«Jtem, so ziecht man die gemeinen zinß nitt yn». Diese Klage erscheint im «verzeichnuß ettlicher mißbrüchen und unordnungen, so sich zuo Wyach haltend» vom Februar 1596 prominent an zweiter Stelle (vgl. WeiachBlog vom 18. Juli).

Verwunderlich ist das nicht, denn wo es um die Gemeindefinanzen geht, da hört in der Regel der Spass auf. Als Artikel 6 der Weiacher Gemeindeordnung schrieb die hohe Obrigkeit daher unter dem Titel «Jnzug gemeiner Zinsen» vor:

«Die Dorfmeier sollend der Gmeind fallende Zinß, was das ist an Kernen und Gelt jerlich geflissen inzüchen und darumb jerlich Rechnung geben, auch solliche Zinß nit vertrunken, sonder an der Gmeind Nutz verwendt werden.»

Interessanterweise gibt es in diesem Artikel keine Bussandrohung. Eigentlich sollte es ja klar sein, dass man die dem Gemeinwesen zustehenden fälligen Zinsen an Naturalien und Geld ordnungsgemäss einkassiert. Und dass man diese nicht in Alkohol umwandelt und vertrinkt.

Nun gab es aber in vielen Gemeinden (und offenbar auch in Weyach) den Brauch, die Überschüsse der Gemeindekasse am Bächtelistag, dem 2. Januar zu «verbächtelen», womit vor allem Umsetzung in Ess- und Trinkbares gemeint ist. Gegen diese Art von Selbstbedienung führten die Obrigkeiten einen jahrhundertelangen Kampf.

Quellen

Sonntag, 25. Juli 2010

Busse für das Fehlen an der Gemeindeversammlung

«Ungehorsamme von wegen der gmeindt unnd gemeinwerchs». Diese Klage erscheint im «verzeichnuß ettlicher mißbrüchen und unordnungen, so sich zuo Wyach haltend» vom Februar 1596 an sechster Stelle (vgl. WeiachBlog vom 18. Juli).

Die Abgeordneten des Rates der Stadt Zürich führten den Punkt «Gmeind» als Artikel 5 auf: «Wenn man an ein Gmeind bietet, welcher dann nüt erschint und keine eehaften Ursachen sines Ußblibens hat, der soll der Gmeind drig Schilling Buß verfallen sin.»

Nur eehafte Gründe gelten

Mit dem Wort eehaft sind Gründe gemeint, die in höherer Gewalt liegen oder zumindest von der Obrigkeit als Entschuldigungsgrund anerkannt wurden. Mit der Anwesenheitspflicht an Gemeindeversammlungen konnte man sicherstellen, dass nicht Minderheiten über wichtige Angelegenheiten beschlossen. Weiter konnte dann niemand behaupten, man habe ihn nicht informiert oder hinter seinem Rücken etwas durchgedrückt.

Immerhin war die Busse von nur 3 Schilling schon fast ein Discountpreis - jedenfalls verglichen mit den anderen Bussen-Ansätzen, wie für Ungehorsam gegenüber dem Feuerschauer, was bis zu 10 Pfund kosten konnte. Im Staate Zürich galten nämlich folgende Relationen: 1 Gulden = 2 Pfund = 40 Schilling = 15 Batzen = 60 Kreuzer.

Quellen

Samstag, 24. Juli 2010

«Grosße gefahr mit dem führ»

«Grosße gefahr mit dem führ, luogt niemand darzuo». Diese Klage erscheint im «verzeichnuß ettlicher mißbrüchen und unordnungen, so sich zuo Wyach haltend» vom Februar 1596 an neunter Stelle (vgl. WeiachBlog vom 18. Juli).

Die noblen Herren aus der Stadt Zürich handelten den Punkt «Feuer» aber bereits unter Artikel 4 der Gemeindeordnung ab. Für sie waren die vielen Dorfbrände Grund genug zu energischem Handeln. Denn bei der damaligen Konstruktionstechnik, den verwendeten Baumaterialien (Holz, Stroh und Lehm) und den rudimentären Löschtechniken nahm ein Brand sehr schnell katastrophale Ausmasse an. Und deshalb nahmen sie in diesem Punkt explizit die Geschworenen in die Pflicht:

«Si die Geschwornen söllent auch jerlich im Dorf von einem Hus zum anderen umbhin gaan, die Oefen, Herdstatten und andere Ort, alda man führet, besichtigen, und wo si fundend, daß es Führshalb gefährlich und nit wol versorget were, alsdann si an zechen Pfund Pfenning Buß gebieten und heißen, das ze enderen, zu verbeßern, und dermaß zemachen, das man Führshalb ohn Sorg sin möge.»

Einigen Lesern des WeiachBlog mögen diese Bestimmungen bekannt vorkommen. Sie wurden denn auch schon einmal veröffentlicht. Und zwar am 14. November 2006 unter dem Titel «Kommunale Feuerschau vor 400 Jahren» (genau genommen wären es damals exakt 410 Jahre gewesen).

Einzig die Transkription ist nicht dieselbe. Bei der obigen handelt es sich um die von Friedrich Ott (publiziert 1855), bei der von 2006 um die von Thomas Weibel (veröffentlicht 1996).

Quellen

Freitag, 23. Juli 2010

Den Bach vor dem Haus selber im Zaum halten

«Der bach wirt nitt synen furt geleittet, laufft allenthalben uß». Diese Klage erscheint im «verzeichnuß ettlicher mißbrüchen und unordnungen, so sich zuo Wyach haltend» vom Februar 1596 an elfter Stelle (vgl. WeiachBlog vom 18. Juli).

Die Regierungsvertreter aus der Stadt Zürich führten den Punkt «Dorf Bach» schon als Artikel 3 auf und betonten explizit die Eigenverantwortung eines jeden Haus- und Grundbesitzers:

«Ein jeder soll schuldig sin, vor sinem Huß und an sinen Gütern den Bach in Eeren ze haben und im rechten furt und ganz [gemeint: gang] zu erhalten. Wellicher aber das nit thete und der Bach durch eines Sumnuß ander Lüten an dem Jren zu Schäden usluffe, der sol den Schaden abtragen und darzu ein Pfund Gelts zu Buß verfallen sin, uf welches dann die Geschwornen ir Ufsehen haben.»

Versäumnisse sind im Schadenfall kostspielig

Die Busse konnte beim vergleichsweise bescheidenen Betrag von 1 Pfund angesetzt werden, da die eigentliche Strafe darin bestand, einem weiter unten am Bachlauf liegenden Anstösser den ganzen Schaden ersetzen zu müssen, sollte die Untersuchung des Vorfalles zum Schluss kommen, sein Versäumnis (z.B. Nicht herausgeschaufeltes, angeschwemmtes Material im Bachbett) habe einen Schaden letztlich verursacht. Versicherungen, die Elementarschäden abdeckten, gab es noch nicht. Und selbst da könnte eine präventive Schadenminderungspflicht stipuliert werden.

Dass man die Aufforderung, das Bachbett in Ordnung zu halten immer wieder erneuern musste, zeigt u.a. das Protokoll der Gemeindeversammlung vom 30. September 1807, welches bestimmt, dass «die Dorfbäch bey 1 Fr. Buß ausgeschart werden» - und zwar durch die Anstösser (vgl. dazu Weiacher Geschichte(n) Nr. 93).

Quelle und weiterführender Artikel

Donnerstag, 22. Juli 2010

Anstösser müssen die Strassen in Stand setzen

«Die strasßen werden nit jnn eehren gehalten». Diese Klage erscheint im «verzeichnuß ettlicher mißbrüchen und unordnungen, so sich zuo Wyach haltend» vom Februar 1596 an fünfter Stelle (vgl. WeiachBlog vom 18. Juli).

Die Obrigkeit zu Zürich führte den Punkt «Straßen» bereits an zweiter Stelle auf und nahm besonders die im Dorfgericht Einsitzenden in die Pflicht:

«Die Geschwornen sollent bei iren Treüwen Ufsehens und Acht habend, daß die Straßen in Ehren gehalten werdint, also daß man die unklagbar wol faren, riten und gan möge. Wo aber hieran Mangel were, so sollent si mit denen, die von ihren Güttern wegen anstößig und die Straßen in Eeren ze halten schuldig sind, verschaffen und inen gebieten lassen, die Straßen unverzogenlich ze machen. Und wer das nit thette, der soll unseren Herren zechen Pfund Pfenning ze Buß verfallen sin. Si die Geschwornen sollent auch verschaffen, daß das Wasser uß den Straßen und uß den Zelgen geleitet und grichtet werde.»

Kollektiver Widerstand wird besonders teuer

Ein besonders wichtiger Aspekt ist die Verpflichtung der Strassenanstösser zum Unterhalt. Wenn also wieder einmal einer der damals noch nicht tiefergelegten Bäche sein Bett verliess und Teile der Strasse weg- und Schlaglöcher ausspülte, dann mussten die Leute vor ihren Grundstücken selber Hand anlegen.

Da es nicht gerade eine angenehme Aufgabe ist, Säumige zu dieser Fronarbeit anzuhalten, kam es auch vor, dass es die Geschworenen dem Frieden zuliebe vorzogen, nichts zu machen. Was z.B. Mitte des 18. Jahrhunderts dazu führte, dass Pfarrer Hartmann Escher die Gemeinde bei der Obrigkeit anzeigte, weil sie den Strassenunterhalt vernachlässigte und trotz seiner Intervention keine Anstalten machte, dies zu ändern. Dieses kollektive Desinteresse führte schliesslich zu einer Busse von 120 Pfund - eine exorbitant hohe Summe (vgl. WeiachBlog vom 19. Juni 2006).

Quelle und weiterführender Artikel

Mittwoch, 21. Juli 2010

Das Amt des Brunnenmeisters ist über 400 Jahre alt

«Erstlichen, so laßt man die gemeinen brünnen abgan»! Diese an die Obrigkeit in Zürich gerichtete Klage wird im «verzeichnuß ettlicher mißbrüchen und unordnungen, so sich zuo Wyach haltend» vom Februar 1596 (vgl. WeiachBlog vom 18. Juli 2010) gleich als erster Punkt aufgeführt.

Der Bedeutung der Wasserversorgung entsprechend und dem Unordnungsverzeichnis folgend ist der erste Artikel der Gemeindeordnung vom November 1596 denn auch mit «Antreffend die Brunnen» überschrieben. Er lautet in der Transkription von Friedrich Ott (vgl. WeiachBlog vom 19. Juli) wie folgt:

«Diewil Lüt und Vech vil daran gelegen, das in ald [d.h. oder] bi einem Dorf gute Brunnen sigind, so soll ein Gmeind zwen Mann verordnen, welliche Sorg zu den Gmeinen Brunnen habint, das dieselben ohn Abgang wesentlich in Eeren erhalten und jeder Zit suber gehalten werdint.»

Die beiden mit dem Amt des Brunnenmeisters betrauten Männer mussten also auch dafür sorgen, dass Schmutz verursachende Arbeiten z.B. an Nebenbrunnen (den sogenannten "Sudeltrögen") oder in Gelten verrichtet wurden. Wer sich nicht daran hielt, von ihnen erwischt oder angezeigt wurde, zahlte eine Busse.

Zehn Batzen «ze bůß» für Brunnensünder

«Und welche Personen, Wyb ald Mann, jung oder alt, si findend als erfahrend, so die Brunnen verunsüberet und verwustet oder etwas gehandlet, so den Brunnen Schaden und Nachtheil bringt, es sige an Tüchlen, Brunnen Bett oder Stud ald in ander Weg, dieselben sollent si einem Weibel leiden und angeben und sölliche Personen ein jede zechen Bazen unseren Herren ze Buß verfallen sin. Und söllent die zwen Verordneten einen Eid schweren, das alles flißig ußzerichten und umb si jerlich an der Gmeind ein Frag gehalten werden.» [Ein tüchel ist eine hölzerne Wasserröhre, eine stud der Brunnenstock.]

Dem Weibel als Vertreter der Obrigkeit wurden die Fehlbaren von den Brunnenmeistern «geleidet», also bei ihm angezeigt. An einer jährlichen Versammlung der Gemeinde wurde ausserdem jeweils mittels Umfrage ermittelt, ob man mit der Arbeit der Brunnenmeister zufrieden sei.

Auf diese Bestimmungen wurde anlässlich von Gemeindeversammlungen und dem alljährlichen Jahrgericht immer wieder hingewiesen (vgl. dazu Weiacher Geschichte(n) Nr. 30).

Quelle und weiterführender Artikel

Dienstag, 20. Juli 2010

Fehlerhaftes Eidgenössisches Gebäude- und Wohnungsregister

Das Bundesamt für Statistik führt das Eidgenössische Gebäude- und Wohnungsregister (GWR), das die Basisdaten zu Gebäuden und Wohnungen enthält.

Gemäss der Website map.geo.admin.ch wird das Register «für Statistik-, Forschungs- und Planungszwecke genutzt und dient den Kantonen und Gemeinden für den Vollzug von gesetzlichen Aufgaben. Die Nachführung erfolgt in Koordination mit der Bau- und Wohnbaustatistik. Jedes Gebäude und jede Wohnung verfügt über eine schweizweit eindeutige und einmalige Identifikationsnummer (EGID bzw. EWID) sowie über eine geokodierte, nach der SNV-Norm 612040 standardisierte Adresse. Parzellennummern, Gebäudenummern und metrische Gebäudekoordinaten erlauben eine exakte geografische Lokalisierung der Gebäude.» Tönt alles ganz korrekt. Doch schauen wir genauer hin.

EGID-Datenpunkte auf der Karte

Wie das dann auf einer Karte aussieht? Für das Zentrum der Gemeinde Weiach erfährt man das über diesen Link: Dorfkern Weiach.


Wer nun allerdings wissen will, welche Daten zu den orangen Punkten abgelegt sind, der muss auf der Site http://map.housing-stat.ch/ nachsehen. Mauszeiger über dem Punkt positionieren und es erscheint ein Fenster mit den Objektdaten.

Gartenhäuschen oder Wohnhaus?

So findet man heraus, dass anscheinend selbst das Gartenhäuschen auf der Parzelle Chälenstrasse 23 einen eidgenössischen Gebäudeidentifikator (EGID) hat:

EGID 37589
Gemeinde 102 Weiach
Gebäudebezeichnung [keine]
Strasse und Hausnummer Büelstrasse 6
PLZ und Ort 8187 Weiach
Gebäudekoordinaten 674998.000/267641.000


Die Koordinaten des orangen Punktes sind auf den Millimeter genau angegeben. Doch EGID, Strasse/Hausnummer und Koordinaten passen bei diesem Datensatz überhaupt nicht zusammen. Das Gartenhäuschen gibt es; es wurde offiziell mit Baubewilligung erstellt. An der Adresse Büelstrasse 6 existiert aber auch ein Gebäude, gar ein Wohnhaus - nur kein oranger Punkt auf der Karte. Fragt sich also, wer da ein Ghürsch im Fadezeinli hat.

Seltsame Gebäudebezeichnungen

Und das ist nicht die einzige Merkwürdigkeit. Wenn man sich einige im öffentlichen Besitz stehende Gebäude ansieht, z.B. das Alte Schulhaus (EGID 210089745, Schulweg 2), die Pfarrscheune (EGID 210089726, Büelstrasse 19) oder das Gemeindehaus (EGID 2274575, Stadlerstrasse 7), dann liest man bei all diesen Objekten mit einigem Erstaunen ein und dieselbe Gebäudebezeichnung: «Garage». Was da wohl alles parkiert wird?

Um die Ehre der Datenbank nicht ganz in Frage zu stellen, sei hier auch ein auf den ersten Blick korrektes Beispiel erwähnt: das Baumgartner-Jucker-Haus (EGID 37594). Dieses zum Mehrfamilienhaus ausgebaute alte Bauernhaus mit Scheune wird unter zwei Datensätzen geführt, einmal mit der Adresse Büelstrasse 20 und einmal mit Stadlerstrasse 11, je nach Lage des Wohnungseingangs. Hoffentlich stimmt die EGID.

Montag, 19. Juli 2010

Die Präambel zur Gemeindeordnung von 1596

Eine Präambel gibt Auskunft über die Motivation für den Erlass von Rechtsvorschriften und Erlassen. Sie gibt dem Darunterstehenden auch die nötige Legitimität (vgl. auch den Wikipedia-Artikel).

Nachstehend werden die beiden im Druck erschienenen Fassungen der Einleitung zur ersten Weiacher Gemeindeordnung vollständig wiedergegeben. Damit soll ein Eindruck vermittelt werden, wie unterschiedliche Vorlagen und Transkriptionsregeln das Erscheinungsbild eines Textes verändern: F. Ott im 19. Jahrhundert und Th. Weibel im 20. Jahrhundert.

In den späteren Artikeln dieser WeiachBlog-Serie zur Gemeindeordnung vom 14. November 1596 wird die Transkription von Weibel nur noch insoweit zitiert, als sie materiell von derjenigen von Ott abweicht.

Unterschiedliche Transkriptionen 

Friedrich Ott transkribierte seine Quelle (mutmasslich eine Zürcher Abschrift aus dem 18. Jahrhundert) Mitte des 19. Jahrhunderts wie folgt:

«Als ein Gmeind zu Wyach im Nüwen Amt bißher dhein verschribne Offnung gehept und die Jar har under inen allerlei Mißbrüch und Unordnungen ingerissen, welliche, wo hierinnen nit insehens bescheche, einer ganzen Gmeind zu großem Verderben gereicht, Sind uf Anhalten der Eltisten und Ehrbaren in der Gmeind durch unserer gnedigen Herren von Zürich als der hohen Oberkeit Verordnete, mit Namen Herr Johann Keller, Burgermeister, Junker Gerold Escher, Junker Felix Keller und Herr Hans Heinrich Keller, beid Obervögt im Nüwen Ambt, item Junker Wilhelm Escher und Herr Hartmann Schwerzenbach, alle des Raths der Stadt Zürich, nach Erkundigung der alten Brüchen und Harkommens der Gmeind Wyach Richen und Amen ze gutem folgende Ordnungen gemachet und gestelt worden, deren si sich nun hinfüro gebruchen und halten söllint, welliche hienach geschribenen Ordnungen uf Sonntag den vierzehenden Tag Wintermonats im Jar von der Geburth Christi gezelt fünfzehenhundert nünzig und sechse einer ganzen Gmeind Wyach in der Kilchen daselbs von einem Artikel zum anderen offentlich vorgeläsen und von inen gemeinlich mit Dank zu gefallen uf- und angenommen worden Sind...».

Thomas Weibel stützte sich Ende des 20. Jahrhunderts auf ein Dokument in der StAZH-Archivabteilung A 99.7 Fasz. Weiach [inexistente Signatur!; vgl. Nr. 1684]:

«Als ein gmeind zů Wyach jm Nüwen Ampt bißhar dhein verschribne offnung gehept, unnd die jar har unnder jnen allerley mißbrüch unnd unordnungen jngerißen, welliche, wo hier jnnen nit jnsehens bescheche, einer gantzen gmeind zů großem verderben gereicht, sind uff anhalten der eltisten und ehrbaren jnn der gmeind durch unserer gnedigen herren von Zürich als der hohen oberkeit verordnete, mitt nammen: Herr Johann Keller, burgermeister, jungkherr Gerold Escher, jungkherr Felix Keller und herr Hanß Heinrich Keller, beid obervögt jm Nüwen Ampt, jtem jungkherr Wilhelm Escher unnd Herr Hartman Schwertzenbach, all deß raths der statt Zürich, nach erkhundigung der alten brüchen und harkhommens der gmeind Wyach, rychen unnd armen ze gůtem, volgende ordnungen gemachet unnd gestelt worden, deren sy sich nun hinfüro gebruchen unnd halten söllint. Welliche hienach geschribnen ordnungen uff sontag, den vierzechenden tag wintermonats 1596, einer gantzen gmeind Wyach jnn der kilchen daselbs von einem articel zum anndern offentlich vorgeläßen, unnd von jnen gmeinlich mitt danck zů gefallen uf- unnd angenommen worden sind...».

Akzeptanz trotz Einfluss der Escher

Bemerkenswert ist, wie stark unter den vom Rat Abgeordneten der ursprünglich aus Kaiserstuhl stammende und im Spätmittelalter in Weiach als Grundbesitzer einflussreiche Familienclan der Escher vertreten ist. 

Wichtig für die Akzeptanz durch die Gemeinde war die Tatsache, dass die Initiative zur Niederschrift von den Vertretern der Gemeinde selber («uff anhalten der eltisten und ehrbaren jnn der gmeind») kam. Und weiter, dass die Obrigkeit Rücksicht auf den Ortsgebrauch genommen hatte («erkhundigung der alten brüchen und harkhommens der gmeind Wyach») und erst dann ihre Verordnung erstellt hatten - wenn auch mit Anleihen am Recht benachbarter Ämter im Zürichbiet.

Literatur

Sonntag, 18. Juli 2010

«Unordnungen so sich zuo Wyach haltend»

Die im WeiachBlog-Artikel vom 15. Juli geschilderten Zwistigkeiten zwischen den Einwohnern der Gemeinde Weiach führten Ende des 16. Jahrhunderts dazu, dass man sich Hilfe von der hohen Obrigkeit holen musste.

Am 19. Februar 1596 kamen die Weiacher Hans Rüdlinger, Klaus Meierhofer und Jakob Korrodi mit hochrangigen Vertretern des Rates der Stadt Zürich zusammen, darunter der Bürgermeister höchstpersönlich, sowie die amtierenden Obervögte des Neuamts und ihre Amtsvorgänger.

Lange Mängelliste erstellt

Von diesem Treffen sind Verhandlungsnotizen erhalten geblieben (StAZH A 135.3 Nr. 156). Weiter wurde ein «verzeichnuß ettlicher mißbrüchen und unordnungen so sich zuo Wyach haltend» erstellt:

«[1.] Erstlichen, so laßt man die gemeinen brünnen abgan.
[2.] Jtem, so ziecht man die gemeinen zinß nitt yn.
[3.] Unglycheit mit dem ackarig.
[4.] a- Jtem uff die mülj ist von deß predicanten pfruond wegen nach nützid wie aber uff andere güeter geschlagen und angelegt. -a
[5.] Die strasßen werden nit jnn eehren gehalten.
[6.] Ungehorsamme von wegen der gmeindt unnd gemeinwerchs.
[7.] Uff die gemeind nützitt ohne wichtige ursachen verzehren.
[8.] Jtem zween böß äcker, so der kilchen gehörig, niemand umb den zinß buwen.
[9.] Grosße gefahr mit dem führ, luogt niemand darzuo.
[10.] Unordnung und gespan von wegen deß wuocher stiers.
[11.] Der bach wirt nitt synen furt geleittet, laufft allenthalben uß.
[12.] Gespan von wegen deß überriß der bäumen.
[13.] Die hirten brennend eychen umb.
[14.] Grund und boden wirt verkoufft und nit anzeigt.
[15.] Wann zwüschendt zweyen ein hag gemacht wirt jm veld, setzt man den hag jnn die march, solte rad wytte geben werden.»

Der Punkt 4 mit der Klage, der Müller im Oberdorf zahle nichts an den Unterhalt der 1591 eingerichteten Pfarrstelle, ist durchgestrichen (Bezeichnung: a- -a) und wird in der Gemeindeordnung nicht erwähnt.

Grundlage für die erste schriftlich fixierte Gemeindeordnung

Ansonsten bilden diese Traktanden die Grundlage der im November 1596 erlassenen Gemeindeordnung und werden dort Punkt für Punkt abgehandelt (vgl. WeiachBlog vom 14. Juli).

In den Sitzungsunterlagen wurde angemerkt, dass «Hans Rüedlinger und Claus Meygerhoffer» zu diesen Punkten «ußfüerlichern und wytern bericht thuon» würden. Weiter wurde festgehalten, diese Mängel seien «zuo abschaffung by herren seckelmeister Schwertzenbach zuo Zürich anzuobringen» (StAZH A 135.3 Nr. 156a, Papier). Matthias Schwerzenbach, der bei dem Treffen ebenfalls dabei war, hatte bis 1594 die Funktion eines Obervogts im Neuamt inne, kannte also die Verhältnisse bestens.

Quellen

Samstag, 17. Juli 2010

Familiengottesdienst vor 50 Jahren

Heute vor 50 Jahren, so berichtet Walter Zollinger in seiner Chronik des Jahres 1960, fand in Weiach eine ganz besondere Form von Gottesdienst statt, jedenfalls schien sie ihm offensichtlich erwähnenswert:

«17. Juli sogen. "Familiengottesdienst", d.h. Kinderlehre und Sonntagsschule fallen aus; dafür sind die Eltern aufgefordert, zusammen mit den Kindern den Vorm.-Gottesdienst zu besuchen.» (G-Ch Weiach 1960, S. 11)

Kinder, Jugendliche, Erwachsene - alle im selben Gottesdienst. Da musste sich der dazumalige Weiacher Pfarrer Willi Ryhiner (zuweilen auch zu «Rihyner» verschrieben) schon etwas Besonderes einfallen lassen, sollten alle etwas davon haben (vgl. auch Pfarrer Ryhiners Amtseinsetzung. WeiachBlog, 21. Januar 2007).

Nach dem Wikipedia-Artikel «Familiengottesdienst» versteht man darunter heute einen zielgruppenorientierten kirchlichen Anlass «der sich in wesentlichen Gestaltungselementen an Kindern ausrichtet, die gemeinsam mit Geschwistern, Eltern, Freunden und Verwandten eingeladen sind.»

Damit versuche man «den Spagat zwischen Kinderevangelisation und der Erwachsenen-Generation». Familiengottesdienste seien daher häufig eine Mischung aus den Formen Predigt-, Jugend- und Kindergottesdienst.

Diese Art von Gottesdienst finde «klassischerweise an einem Sonntag als Ersatz für den Predigtgottesdienst statt». Wie damals in der Weiacher Kirche.

Quellen
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1960 - S. 11. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1960].
  • Wikipedia-Artikel Familiengottesdienst, abgerufen am 14. Juli 2010, 16:00 (Permanenter Link)

Freitag, 16. Juli 2010

Der Obervogt durfte nicht dreinreden

Dass die Gemeindeautonomie früher höher gehalten wurde als heute, belegt der folgende Abschnitt aus dem dreibändigen Standardwerk «Geschichte des Kantons Zürich» von 1997:

«Den im Spätmittelalter entstandenen Gemeinden beliess Zürich einen hohen Grad von Selbstverwaltung, so dass sie in der Gestaltung ihrer inneren Verhältnisse weitgehend autonom waren. [Fn 128: von Wyss: Abhandlungen zur Geschichte des öffentlichen Rechts, p. 89ff.] Hauptsächlich ging es dabei um die Nutzung der Allmenden, die Anlage von Feldwegen und Brunnen, die Verwaltung des Gemeindeguts und die Aufnahme neuer Bürger und Hintersassen. Den Land- und Obervögten, in den Gerichtsherrschaften auch den Gerichtsherren, stand im wesentlichen nur ein Kontrollrecht zu, das sich vorwiegend auf die Rechnungsführung erstreckte. Im übrigen schritt die Obrigkeit in der Regel nur dann ein, wenn die Untertanen dies wünschten oder wenn in einer Gemeinde zwei Fraktionen miteinander stritten. So wandten sich etwa 1596 die «Ältesten und Ehrbaren» der Gemeinde Weiach mit einer Liste von «Missbräuchen und Unordnungen», die sich in der Gemeinde eingeschlichen hätten, an den Obervogt des Neuamts, worauf eine Ratskommission der auch ein Bürgermeister angehörte, eine Gemeindeordnung ausarbeitete. Diese wurde anschliessend in der Kirche von Weiach verlesen und von den Dorfbewohnern mit Dank angenommen.» [Fn 129: RQNA p. 406ff.]

Wenn man das oben Ausgeführte einmal mit dem heutigen Zustand vergleicht, wo die Gemeinderäte bald nur noch als verlängerter Arm der Verwaltungsmaschinerie in Zürich, Bern und Lausanne (Sitz des Bundesgerichts) fungieren und deren Dekrete umsetzen müssen, dann erkennt man, wie sehr die Gemeindeautonomie im Vergleich zum Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit heute ausgehöhlt worden ist.

Etwas pointiert könnte man sagen: aus Sicht der Gemeinden ist die heutige Situation in gewisser Hinsicht schlimmer als zur Zeit der Landvögte.

Quelle
  • Geschichte des Kantons Zürich, Zürich 1997, Bd. 2 - S. 48 [Abschnitt: Die Gemeindebehörden]

Donnerstag, 15. Juli 2010

Wenn der Staat in die Gemeindeautonomie eingreift

Dem Alemannen ist die Autonomie des eigenen Familienverbands ein wichtiges Anliegen. So halten es die Weiacher bis heute. Interne Probleme lösen sie auch intern – untereinander.

Es ist jedenfalls bemerkenswert, dass laut dem «Zürcher Unterländer» während des gesamten Meliorationsverfahrens keine einzige Einsprache vors Landwirtschaftsgericht gezogen wurde. Dabei ging es immerhin um so etwas Hochemotionales wie die eigene Scholle, die doch über Jahrzehnte, teils gar über Jahrhunderte in derselben Familie vererbt worden war.

Keine Regulierung von aussen nötig

Vor 1550 müssen in Weiach die ungeschriebenen, mündlich tradierten Verhaltensvorschriften in der Regel gut gegriffen haben. Auch mit der Autorität der dörflichen Führungsschicht dürfte es geklappt haben, denn in der Gemeindeordnung von 1596 wird ausdrücklich erwähnt, dass man zuvor ohne schriftliche Regelungen auskam. Die Präambel beginnt nämlich mit den Worten: «Als ein gmeind zů Wyach jm Nüwen Ampt bißhar dhein verschribne offnung gehept (...)» (Text nach Weibel SSRQ - S. 407).

Innerdörfliche Interessenausgleichsverfahren funktionieren aber nicht immer von alleine. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts lief in Weyach einiges aus dem Ruder. Das Zusammentreffen eines Bevölkerungswachstums mit der kleinen Eiszeit in der zweiten Hälfte des 16. Jh. brachte Stress, welcher die alten Regeln für das Zusammenleben in Frage stellte.

Das Prinzip «Jeder gegen Jeden» nahm überhand, die dörfliche Führungsschicht hatte die Sache nicht mehr im Griff und wirtschaftete anscheinend gar in korrupter Weise vom Gemeindegut in die eigene Tasche.

Staatliche Regulierungshilfen ab 1567

Schon 1567 griff die Obrigkeit erstmals ein und setzte Regeln für die Nutzung und den Schutz der Wälder fest. Schon wenige Jahre später bekamen die Weycher untereinander aber erneut derart grosse Probleme, dass sie diese mit den eigenen Konfliktlösungsmechanismen allein nicht mehr bewältigen konnten. Sie mussten erneut Hilfe von aussen in Anspruch nehmen.

Es ist jedenfalls kaum denkbar, dass sie sonst die von Zürich quasi diktierte Gemeindeordnung dankbar aufgenommen hätten. Man hält ja in hiesiger Gemeinde auf der Autonomie sehr grosse Stücke, lässt sich nur in den seltensten Fällen dreinreden – eben dann, wenn es nicht mehr anders geht: Wenn die Gemeinde wirklich heillos zerstritten ist – wie Weiach um 1595.

Quellen

Mittwoch, 14. Juli 2010

Inhalt und Überlieferung der Gemeindeordnung von 1596

In der «Zeitschrift für schweizerisches Recht» (Alte Folge, 4. Bd) wurde 1855 eine Reihe von Rechtsquellen aus dem Kanton Zürich abgedruckt, darunter auch die dort als «Offnung der Gmeind Weyach von Anno 1596» bezeichnete erste Gemeindeordnung, die einen breiten Bereich von Themen abdeckte und nicht nur die Gemeindegrenzen beschreibt (wie der ebenfalls «Offnung» genannte Text von 1558; vgl. Weiacher Geschichten Nr. 103).

Was steht drin? 

Die von Ott verwendete Abschrift basiert auf mindestens drei älteren Dokumenten aus verschiedenen Jahren (1596, 1567 und 1597), deren Inhalte lediglich aneinandergehängt und jeweils mit Erklärungen eingeleitet wurden. Wenn es um die Rechtskraft ging, war es zu Zeiten des Ancien Régimes entscheidender, dass man sich direkt auf ein älteres Dokument berufen konnte, als darauf, dass sich (wie in heutigen Gemeindeordnungen) materiell zusammenhängende Bestimmungen auch im Text logisch folgen. Die Gemeindeordnung bestand also (soweit bekannt) im 17. und 18. Jahrhundert aus drei Teilen:
  • Teil 1: Bestimmungen, die aufgrund der 1595/96 erkannten Missstände erlassen wurden.
  • Teil 2: Ältere Bestimmungen aus dem Jahre 1567, welche Wälder und Holznutzung betreffen.
  • Teil 3: Eine Gerichtsordnung aus dem Jahre 1597.
Nachstehend ist jeweils die von Ott verwendete Überschrift gegeben. Die teileübergreifende Nummerierung stammt vom Verfasser dieses Artikels. Dahinter steht in runden Klammern die Nummer der Rechtsquellen Neuamt sowie die von Weibel verwendete Nummerierung und seine Transkription der Überschrift.

Teil 1: Eigentliche Offnung von 1596

1. Brunnen (RQNA 183. [1.] Anthreffend die brunnen) 
2. Straßen (RQNA 183. [2.] Straßen) 
3. Dorf Bach (RQNA 183. [3.] Dorfbach) 
4. Feuer (RQNA 183. [4.] Fhür) 
5. Gmeind (RQNA 183. [5.] Gmeind) 
6. Inzug gemeiner Zinsen (RQNA 183. [6.] Jnzug gmeiner zinßen) 
7. Zeeren uf Gmeind (RQNA 183. [7.] Zeeren uff gmeind) 
8. Rechnung um das Gmein Gut (RQNA 183. [8.] Rechnung umb das gmein guot) 
9. Kilchen Aecker (RQNA 183. [9.] Kilchen aecher) 
10. Hag machen (RQNA 183. [10.] Hag machen) 
11. Von Zünen (RQNA 183. [11.] Von zünen) 
12. Von brüchigem schädlichem Vech (RQNA 183. [12.] Von brüchigem, schädlichen Vech) 
13. Schirm der Güteren (RQNA 183. [13.] Schirm der gueteren) 
14. Feuren an Bäumen (RQNA 183. [14.] Fhüren an boümen) 
15. Haberzelg (RQNA 183. [15.] Haber zelg) 
16. Güteren Verkauf anzeigen und verkünden (RQNA 183. [16.] Gueteren verkauff anzeigen unnd verkhünden) 
17. Ackaret (RQNA 183. [17.] Ackaret) 
18. Wucher Stier. (RQNA 183. [18.] Wuocher Stier) 

Teil 2: Auszug aus dem Holzbrief von 1567 

19. Niemand soll on Erlauptnus Holz hauwen. (RQNA 180 [1.]) 
20. Holz Einung (RQNA 180 [1.]) Busse für unerlaubten Holzschlag 
21. Holz-Vorster (RQNA 180 [2.]) 
22. Der sin Huß und Heim verkauft, verwürkt sin Dorf-Recht (RQNA 180 [3.]) 
23. Holz allein uf Hüser ußgeben. (RQNA 180 [4./5.]) 
24. Zün Holz. (RQNA 180 [6.]) 
25. Buw Gschirr. (RQNA 180 [6.]) 
26. Holz zum unschädlichsten ze hauwen. (RQNA 180 [7.-9.]) 
27. Buw Holz (RQNA 180 [10./11.]) 
28. Fridhäg (RQNA 180 [12.]) 
29. Die Gmeind soll für sich selbs kein Holz ußrüten noch sonst hingeben. (RQNA 180 [13.]) 
30. Bruggen, Stäg und Wäg sc. (RQNA 180 [14.]) 
31. Wem die Bußen zugehören. (RQNA 180 [15.]) 

Teil 3: Gerichtsordnung von 1597 

32. Gwonliche Gricht (RQNA 184 [1.] Gwonliche gricht) 
33. Koufte Gricht (RQNA 184 [2.] Kouffte gricht) 
34. Ambts Gricht (RQNA 184 [3.] Ampts gricht) 
35. Unparthigisch Gricht (RQNA 184 [4.] Unparthygisch gricht) 
36. Vertigungen (RQNA 184 [5.] Vertigungen) 
37. Urtheil Brief erkennen und Appelliren (RQNA 184 [6.] Urtheil brief erkhënnen unnd appellieren) 
38. Gandten erkennen (RQNA 184 [7.] Gandten erkhënnen) 
39. Ueber gmeine Straffen erkennen (RQNA 184 [8.] Über gmeine straffen erkhënnen) 
40. Schmäch-Sachen Verrechtfertigen (RQNA 184 [9.] Schmaachsachen verrechtfertigen) 
41. Ueber Erb und Eigen erkennen. (RQNA 184 [10.] Über erb unnd eigen erkhënnen) 
42. Bistand thun (RQNA 184 [11.] Bystand thuon) 
43. Marchen setzen (RQNA 184 [12.] Marchen setzen) 
44. Rechnung von wegen der ganzen Gmeind. (RQNA 184 [13.] Rëchnung von wegen der gantzen gmeind) 
45. Rechnung wegen Wittwen und Weisen, auch der Vögten Belohnung (RQNA 184 [14.] Rëchnung wegen wittwen unnd weyßen, ouch der vögten belonung) 
46. Anlagen und Stüren anleggen (RQNA 184 [15.] Anlagen unnd stüren anleggen)

Welches Original wurde verwendet?

Leider hat es der für die Edition von 1855 Verantwortliche, alt Bezirksgerichtspräsident Friedrich Ott von Zürich (vgl. Gschwend 2007, S. 440), unterlassen, in der gedruckten Ausgabe irgendwelche Angaben zu machen, die zur Identifizierung des von ihm verwendeten Originaldokuments dienen könnten. Immerhin darf angenommen werden, dass das ihm vorliegende Dokument sich im Staatsarchiv des Kantons Zürich befindet und im 18. Jahrhundert als Abschrift erstellt wurde. So sieht es zumindest Thomas Weibel, der Bearbeiter des Rechtsquellenbandes Neuamt (vgl. SSRQ ZH Neuamt, S. 410 u. 413). Als Kandidaten für Otts Quelle kommen nach Weibels Angaben primär in Frage, wobei eine Klärung letztlich nur anhand der Originale erfolgen kann:
  • StAZH C II 6 Nr. 488, S. 3-11 u. 22ff
  • ZBZ Ms. IV 346, S. 97-120 u. 121-128

Zwei Überlieferungsstränge

Weil Weiach sich im Schnittbereiche zweier Herrschaften, derjenigen des Fürstbischofs von Konstanz (Niedergericht) und derjenigen der Stadt Zürich (Hochgericht) befand, sind etliche Dokumente in verschiedenen Fassungen sowohl über konstanzische wie über zürcherische Archive überliefert worden. Eine Weiacher Überlieferung fehlt hingegen gänzlich, da die Urkunden mutmasslich 1799 (d.h. im Verlauf des Zweiten Koalitionskrieges) beim Brand des Gemeindehauses vernichtet wurden.

Weiterführende Literatur

Anmerkung
 

Tel quel als Xero-Kopie und ohne weiteren Kommentar in den Mitteilungen für die Gemeinde Weiach veröffentlicht wurden die RQNA-Nr. 176-180, 183-185, 189, 190, 196 und 197. Obgenannte Gemeindeordnung betreffen die folgenden Nummern:
  • Rechtsquellen Neuamt Nr. 177. Gerechtigkeit des dorffs Wiach. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Mai 1997 – S. 12.
  • Rechtsquellen Neuamt Nr. 178. Die offnung zue Wyach. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Juni 1997 – S. 9.
  • Rechtsquellen Neuamt Nr. 180. Holzordnung. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, August 1997 – S. 13-15.
  • Rechtsquellen Neuamt Nr. 183. Gemeindeordnung. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, September 1997 – S. 22-24.
  • Rechtsquellen Neuamt Nr. 185. Bussenliste für Verstösse gegen die Gemeindeordnung. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Oktober 1997 – S. 11.

Dienstag, 13. Juli 2010

Gemeindeoffnung 1596: Ältester Hinweis auf die Kirche im Oberdorf?

Der Artikel Weiacher Geschichte(n) Nr. 106 gibt zur Frage des Alters der 1706 abgebrochenen Kirche im Oberdorf folgende Auskunft:

«Unser Gemeinwesen verfügte wohl schon zur Zeit der Entstehung der selbstständigen Kirchgemeinde im Jahre 1591 oder kurz danach über ein eigenes Gotteshaus mit Kirchturm.»

Bezüglich des Kirchturms sind zwar Spekulationen erlaubt. Nicht aber hinsichtlich der Existenz einer Kirche an sich - spätestens ab der Mitte des 16. Jahrhunderts muss es die gegeben haben.

Ein Urbar des Klosters Oetenbach von 1560 erwähnt nämlich einen «kilchhoff» (vgl. Weiacher Geschichte(n) 90 sowie StAZH F II a 318, fol. 246). Dieses Verzeichnis wurde aus teils viel älteren Unterlagen des Klosters zusammengestellt wie die Beschreibung durch ihre Verfasser belegt. Sein gesamter Inhalt sei «also uss des Closters Briefen, alten Urbaren und Gewarsammen gezogen, euch von nüwem bereyniget, beschryben und volendet» auf das Jahr 1560.

Gemeindeoffnung übersehen

Die älteste direkte Erwähnung einer Kirche zu Weyach habe ich bislang völlig übersehen. Sie findet sich in der am 14. November 1596 von der Gemeinde angenommenen «Offnung» der Gemeinde, der ersten erhalten gebliebenen Weiacher Gemeindeordnung überhaupt, und zwar in der Einleitung, die den Ort des Rechtsaktes bezeichnet:

«...welliche hienach geschribenen Ordnungen uf Sonntag den vierzehenden Tag Wintermonats im Jar von der Geburth Christi gezelt fünfzehenhundert nünzig und sechse einer ganzen Gmeind Wyach in der Kilchen daselbs von einem Artikel zum anderen offentlich vorgeläsen und von inen gemeinlich mit Dank zu gefallen uf- und angenommen worden...» (Fassung: Z. Schweiz. R. AF Bd.4 1855).

Wahrscheinlich ist die alte Kirche mehrere Jahrzehnte vor dem Entstehen der Offnung erbaut worden. Deshalb auch das Fragezeichen im Titel dieses Beitrags. Es ist nämlich nach wie vor möglich, dass im Zürcher Staatsarchiv in einem Dokument ein noch älterer Hinweis auf seine Entdeckung wartet.

Quelle und weiterführende Artikel
  • Offnung der Gmeind Weyach von Anno 1596. In: Zeitschrift für schweizerisches Recht, Alte Folge Bd. 4 (1855) – II. Rechtsquellen, S. 175. [vgl. RQNA 183; Gemeindeordnung von 1596].
  • Kein Beweis für das Jahr 1381. Wurde die frühere Kirche im Oberdorf schon im Mittelalter erbaut? Weiacher Geschichte(n) Nr. 90
  • Disput um die Finanzierung der Kirchturmrenovation. Was die alte Kirche im Oberdorf einem Grossbrand zu verdanken hat. Weiacher Geschichte(n) Nr. 106 - MGW, September 2008.

Montag, 12. Juli 2010

Juliwetter 1960: Viel zu feucht für das Getreide

Der Juli 2010 hat uns brütende Hitze gebracht. Und ein paar wenige, dafür aber heftige Gewitter - wie gerade am letzten Samstagabend.

War das Wetter vor 50 Jahren ähnlich heiss? Nein. Wieso erklärt der frühere Weiacher Primarschullehrer Walter Zollinger in seiner Jahreschronik 1960:

«Ein paar recht schöne Sommertage leiteten den Juli ein. Aber vom 6.7. an bis zum 12.7. war kein Tag ohne gewittrige Regenschauer oder gar halb- und ganztägigen Niederschlag, in den Nächten sowieso fast jedesmal. Kalt war's zwar nicht, die Morgen zeigten oft Temperaturen um 10°, die Nachmittage 17 bis 22°C. Aber der Wind wehte zwischendurch und trocknete jeweilen die Oberfläche wieder rasch auf.

Am 13.7. endlich wieder einmal ein sonniger Tag vom Morgen bis zum Abend! Nachher aber folgten wieder lauter durchzogene Tage, entweder morgens neblig oder eine Hochnebeldecke, nachmittags etwas aufhellend; oder dann am Morgen noch leicht sonnig, dafür die Nachmittage bedeckt bis regnerisch.

"Das ist aber auch ein Sommer, das!" seufzt der Chronist im Notizheft und "gar nicht günstig für das Wachstum im Garten, zu nass und die Nächte oft direkt kühl." Der schönste Tag des ganzen Monats war der 29.7. (17°, 22°, 26°), prächtig sonnig, aber düppig. Am 30. und 31.7. je abends zwischen 18.30 und 19 Uhr Gewitter und nachfolgend anhaltender Regen bis in die Nacht hinein.

"Getreideernte in Gefahr!" jammern die Bauern und sogar die Lokalblätter stimmen ein. Es ist Zeit zum Mähen und wird auch gemäht, gepuppt und aufgestellt. Aber die Körner können ja nicht trocknen und hart werden bei der beständig feuchten Luft. Hoffen wir, das Augstenwetter helfe noch etwas zu einer bessern Ernte!
»

Quellen
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1960 - S. 5-6. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1960].

Sonntag, 11. Juli 2010

Weyach im Regierungsratsprotokoll 1831/32

Wer in der Archiv-Datenbank des Staatsarchivs des Kantons Zürich nach dem Begriff «Weyach» sucht, der findet via Internet neuerdings auch Einträge aus dem Protokoll des Zürcher Regierungsrats.

Was der Ustertag 1830 bewirkte

Das Jahr 1831 markiert mit dem Inkrafttreten der Regenerationsverfassung den Beginn einer neuen Ära. Erstmals war das Parlament auch wirklich die höchste Macht im Staate. Erst ab diesem Zeitpunkt kann man im Kanton Zürich von einer Exekutive und einer Legislative sprechen.

Die Kantonsregierung hiess nun nicht mehr Kleiner Rat, sondern Regierungsrat und hatte neu 19 Mitgliedern, wovon zwei als Bürgermeister sich jährlich im Amt abwechselten.

Diese Regenerationsregierung wies trotz liberaler Revolution noch bis 1832 eine konservative Mehrheit auf.

Weyacher Anliegen vor dem Regierungsrat

Welche Geschäfte mit Bezug auf unsere Gemeinde landeten nun im Regierungsratszimmer und wurden zu formellen Beschlüssen (heute mit «RRB» abgekürzt)?

«Beschluß, betreffend die Beschwerde des Oberamtes Zurzach, daß Conrad Walder von Raat seine Rheinaufwärts geführten Laden zu Weyach und nicht zu Kaiserstuhl auslade». 23.07.1831 - RRB 1831/0804 [Signatur: StAZH MM 2.2]

«Beschwerde mehrerer Bürger von Weyach wegen Übersetzung bey Verlegung der Montirungsabgabe». 26.09.1831 - RRB 1831/1226. [Signatur: StAZH MM 2.4]

«Brandunglück in Weyach». 29.12.1831 - RRB 1831/1657. [Signatur: StAZH MM 2.5]

«Metzgbegehren des Wirth Schenkel von Weyach». 07.01.1832 - RRB 1832/0024. [Signatur: StAZH MM 2.6]

«Brandunglück zu Weyach». 14.01.1832 - RRB 1832/0071. [Signatur: StAZH MM 2.6]

«Bericht des Statthalteramts Regensberg wegen Wiederaufbauung der in Weyach niedergebrannten Häuser». 18.02.1832 - RRB 1832/0272. [Signatur: StAZH MM 2.6]

«Verbscheidung des Statthalteramtes Regensperg rücksichtlich der Wiederaufbauung der unlängst in Weyach niedergebrannten Häuser». 29.03.1832 - RRB 1832/0550. [Signatur: StAZH MM 2.6]

«Fährenrechtsbegehren des Johannes Baumgartner in Weyach». 17.05.1832 - RRB 1832/0899. [Signatur: StAZH MM 2.7]

«Metzgbegehren der Gemeinde Weyach». 15.09.1832 - RRB 1832/1753. [Signatur: StAZH MM 2.8]

Samstag, 10. Juli 2010

Wolkenbruch: Aus Dorfbächen werden reissende Ströme

Im Sommer 1910 blieb den Weiacherinnen und Weiachern nichts erspart (vgl. den Artikel Nach drei Wochen immer noch am Aufräumen vom 6. Juli 2010). Kaum hatten sie die gröbsten Folgen der Juni-Unwetter halbwegs bewältigt, öffneten sich die Himmelsschleusen erneut, wie Albert Leemann in seiner Dissertation erwähnt:

«Es vergeht kein Monat (10.7.), bis Weiach wieder von einem kurzen, wolkenbruchartigen Regen heimgesucht wird. Obwohl die Niederschlagsmenge nur 24,2 mm ausmacht, reißen die Bäche an den steilen Hängen tiefe Gräben auf und lagern das erodierte Material in der Ebene ab *7d.»

In der Fussnote 7d zitiert Leemann einen der Zeitung «Der Wehnthaler» eingesandten und am 12.7.1910 publizierten Augenzeugenbericht:

«Weiach. Sonntag nachts nach lo Uhr ging über unsere Gemeinde ein Gewitter desgleichen sich wohl unsere ältesten Bürger nicht erinnern. Mehr als eine Stunde anhaltend, entleerten die Wolken ihre Wassermassen, daß man sich bald in den jüngsten Tag versetzt glaubte. Unsere sonst ruhig dahinfließenden Dorfbäche waren bald in einen reißenden Strom verwandelt. Viele der im ersten Schlaf liegenden Bewohner mußten durch die Sturmglocken aufgeweckt werden und ein unfreiwilliges Bad nehmen, um ihre Ställe oder Keller vor dem Eindringen des Wassers zu schützen. Der Schaden an den Straßen für die Gemeinde und den Staat ist ein bedeutender, Straßenschalen sind teilweise weggespült, an den Bergstraßen hat es tiefe Furchen, Steine liegen zu vielen Fudern in den schönsten Wiesen. Fleißige Hände zu etwelcher Ausbesserung der Straßen sah man gegen Mittag überall.»

Auch in der «Bülach-Dielsdorfer Wochen-Zeitung» vom 12.7.1910 wurde über das Unwetter berichtet.

Quelle

Freitag, 9. Juli 2010

Leutnant Meierhofer Albert

Vor 100 Jahren und 6 Monaten, am 8. Januar 1910, wurde die Brevetierung eines der für die Entwicklung der Gemeinde bedeutendsten Weiacher des 20. Jahrhunderts in der «Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitung» publiziert:

«Meierhofer Albert, von und in Weiach» wurde also per 1. Januar 1910 vom Korporal zum Leutnant der Infanterie befördert. Und zwar durch die Militärbehörden des Kantons Zürich, was bedeutet, dass Meierhofer damals in einem der Zürcher Bataillone eingeteilt war.

Die «Allgemeine Schweizerische Militärzeitung» ist übrigens die Vorgängerin der heutigen «Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift» (ASMZ), die heute nur noch monatlich erscheint und das Sprachrohr der Schweizerischen Offiziersgesellschaft darstellt. Vor 100 Jahren hingegen erschien die Militärzeitung wöchentlich und durfte sich «Organ der schweizerischen Armee» nennen. Die Zeitung hatte also offiziellen Charakter.

Weiterführende Artikel

Donnerstag, 8. Juli 2010

Profiteure mit beschränkter Haftung

Erinnern Sie sich noch an die Euro 08? Das war diese Fussball-Europameisterschaft, ausgetragen in der Schweiz und Österreich, begleitet von scharenweise mit dem Flugzeug anreisenden Fans und flankiert von einem prophylaktischen Armeeeinsatz.

Und genau diese (zusätzlichen) Flugzeuge zu später, nachtschlafener Stunde liessen die Gemüter hochgehen. Auch WeiachBlog kommentierte im Sommer vor zwei Jahren: vgl. Nächtliche Ausschaffungsflüge für Fussballfans (Artikel vom 9. Juni 2008).

Da gerade wieder einmal eine Fussball-Manie herrscht, hier ein Leserbrief des Weiacher Politikers Daniel Elsener, abgeschickt am Sonntag, 6. Juli 2008 22:45, an den «Zürcher Unterländer». WeiachBlog gibt ihn nachstehend im Original wieder:

Danke der Vernunft!

«Sicherheit zuerst, so hat nun das BAZL gegen den GNA (Gekröpften Nordanflug) entschieden, richtig so. Für einmal hat es den Praktikern, den Piloten und Fluglotsen, rechtgegeben. Im Flugbetrieb ist "Safety First" oberste Maxime und da stehen die unverantwortlichen Theoretiker, die Profiteure, die Interessengruppen und Politikerinnen und Politiker im Süden des Flughafens ziemlich neben den Schuhen.

In fast schon SVP Manier, wird der sachgerechte Entscheid vehement verurteilt. Die ignoranten und arrogantesten Kommentare kommen natürlich aus dem Vielfliegergebiet und den Profiteuren des Flughafens. Aus dem Süden und der Stadt Zürich. Bei ihnen scheint der Kanton Zürich bei Kloten/Glattbrugg aufzuhören. Natürlich sind die Charterflugzeuge der Euro 08 Fans (bis 02.30 Uhr), welche notabene das Geld in Zürich liessen, über den Norden sprich Zürcher Unterland abgeflogen.

Profitieren ja, Flughafen ausbauen ja, Zürcher Fluglärmindex ja, aber die Umweltbelastung möglichst den Anderen auf dem „Land“ und den Deutschen abschieben, das ist seit Jahr und Tag das Motto der PmbH (Profiteuren mit beschränkter Haftung) und der Zürcher Regierung. Zum Glück hat der Bund Realitätssinn bewiesen.
»

Anlass des Beitrags war der Entscheid des Bundesamts für Zivilluftfahrt (BAZL), dem Projekt «Gekröpfter Nordanflug» die Zustimmung zu verweigern.

Mittwoch, 7. Juli 2010

«Weltwoche» von den Deutschen konfisziert

Am 1. September 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus. Die Schweizer Armee mobilisierte und stand an unserer Grenze. Auch in Weiach waren Truppen stationiert - zu Beginn des Aktivdienstes war dies die Kompanie I des Grenzfüsilierbataillons 269.

Unter dem Datum des 29.9.39 ist im Tagebuch des vorgesetzten Bataillonsstabs die folgende nachrichtendienstliche Mitteilung über die Situation im grenznahen Bereich nördlich des Rheins erhalten geblieben:

«Absender Kdo. II/269
Unterschrift: Beurer

An Kommando Bat. 269 z.H. Nof.

Gestern traf ich auf der Strasse im Abschn. Sutz einen Bekannten in Zivil, mit dem ich anno 14 als Füs. im gleichen Zuge III/71 war. Es handelt sich um Füs. Angst, Tramkond. Zch. der Folgendes aussagte:

Ich fuhr vor 14 Tagen mit dem Velo nach Rafz und passierte die Grenze mit einem grünen Passierschein des schw. Zolles. In Lottstetten konnte ich ohne Weiteres passieren, in Jestetten wurde ich auf den Posten genommen und gründlich untersucht. Sogar das Zeitungspapier, das ich als Einlagesohlen in den Schuhen trug, wurde gründlich gelesen. Man konfiszierte eine "Weltwoche" mit der Bemerkung: "Nun haben wir wieder was zum Lesen."

Zwischen Jestetten und der Schweizergrenze wohnte ich einer Patr. Ablösung bei. Der Abgelöste sagte dem Ablöser seinen Befehl und übergab ihm seine Munition, nämlich ganze 4 Patronen!!!

Auf den Feldern u. in den Dörfern sieht man nur alte Leute und Kinder. Was einigermassen gerade gewachsen ist, steckt in einer Uniform. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Grenze besetzt sei, irgendwelche Bauten habe ich nicht gesehen.

Obige Mitteilung wegen der Uebergabe der geringen Patr.Zahl hat mir eine Stunde später der Heerespolizeikorp Gz.Brig. 6 bestätigt. Zuweilen sollen die Patr. nur 2 Patr. pro Gew. haben.

Angst teilte mir noch mit, dass alle mit uralten "Flinten" ausgerüstet seien.
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Eindrücklich, was die Pressezensur einer Diktatur in den peripheren Gebieten ihres Herrschaftsbereichs bewirken kann. Die Leute saugten regimeunabhängige Nachrichten offenbar so begierig auf wie ein trockener Schwamm das Wasser.

Quelle
  • Tagebuch des Stabes Gz. Füs. Bat. 269. Signatur Schweizerisches Bundesarchiv: BAR E5790 1869 Bd. 1

Dienstag, 6. Juli 2010

Nach drei Wochen immer noch am Aufräumen

Das Wetter des Jahres 1910 schlug in unserem Dorf seine Kapriolen und brachte den Weiacherinnen und Weiachern dadurch viel Arbeit. Bereits im Januar ging es mit äusserst ergiebigen Regenfällen los (vgl. WeiachBlog vom 18. Januar 2010).

Im Juni folgten dann kurz hintereinander ein Hagelsturm (vgl. den Artikel vom 10. Juni: Baumnussgrosse Hagelkörner) und Wolkenbrüche, die die Dorfbäche und den Rhein hochgehen liessen (vgl. Artikel vom 14. Juni: Wolkenbrüche fördern die Bodenerosion, bzw. 15. Juni 2010: Wasserrad beim Rheinhof weggeschwemmt).

Liebessteuern für die Hochwasser-Geschädigten

Dem dritten Teil der Fussnote 7c in Albert Leemanns Dissertation kann man entnehmen, was der Gemeinderat am 6. Juli 1910, drei Wochen nach dem Ereignis, in sein Verhandlungs-Protokoll schreiben liess:

«Das vom Hochwasser angeschwemmte Sand und Kies soll aus dem Bachbett entfernt werden. Das Sammeln von Liebesgaben für die Hochwasser-Beschädigten soll Pfarrer Kilchsperger übertragen werden.»

Man muss also annehmen, dass es etliche Gemeindebewohner gab, denen die Gebäudeversicherung den entstandenen Schaden nicht ersetzte.

Dem war auch so. Während nach der Einführung der kantonalen Brandassekuranzkasse ab 1809 das Sammeln von Liebessteuern nach Brandfällen verboten wurde (wie in Weiach z.B. 1805), waren die Opfer von Naturkatastrophen (Überschwemmungen, Hochwasser, Sturm und Hagel) auch 100 Jahre danach auf die alte Form der Mildtätigkeit angewiesen.

Ab 1911 übernahm die Gebäudeversicherung des Kantons Zürich zwar Elementarschäden auf freiwilliger Basis. Erst 1935 wurde die Elementarschadenversicherung dann ein fester Bestandteil des Deckungsumfangs (vgl. WG(n) Nr.109).

Flurschäden in Leebern

Dem historischen Beitrag des Gemeindepräsidenten Albert Meierhofer-Nauer im Buch von 1963 über die Weiacher Kies kann man entnehmen, dass nach 1876 auch im Sommer 1910 Hochwasserschäden entstanden - und zwar «auf Lebern».

Gemeint ist der Einschnitt des Dorfbachs, wo er von der Ebene zum Rhein hinunter fliesst. Zu den Schäden gehörten dort eine rückwärts sich ins Kulturland fressende und die Hänge erodierende Erosionsrinnen.

Quelle