Manchmal fragt man sich schon, wofür Journalisten eigentlich bezahlt werden. Zum Beispiel dafür, ein paar simple Fakten richtig auf die Reihe zu bekommen. Würde ein ausserhalb des Medienkuchens Stehender annehmen.
Dass dies aber längst nicht immer der Fall ist, zeigte sich heute wieder einmal in der Zürcher Landzeitung. Da berichtet Szilvia Früh unter dem Titel «
Alter Glanz unter neuem Dach» über die Ausstellung «40 Jahre unter stilvoll saniertem Dach» im Ortsmuseum Weiach.
Nett und handwerklich eigentlich nicht schlecht geschrieben ist er, das muss man dem Artikel lassen. Nur schnitzert Früh leider bei den Namen und Fachbegriffen.
Namen verschreiben inklusive
Im Lauftext wird unser Gemeindepräsident «Georg Trachsel» genannt, in der Bildunterschrift gar «Georg Trachsler». Diese Diskrepanz hätte zumindest beim Lektorat eine Rückfrage auslösen müssen. Der Mann heisst richtig übrigens «Gregor Trachsel», was man mit einer simplen Abfrage der Gemeindewebsite hätte herausfinden können. Fazit: Hier wurde geschlampt.
Auch Fachbegriffe werden freihändig in den Text gemixt. Da findet man die Ortsmuseumskommission (korrekte Bezeichnung) als «
fünfköpfiges Museumskomitee» wieder, oder es ist gar von «
Armeejacken und Waffen aus den Kriegszeiten» die Rede. Korrekt wäre die Bezeichnung «
Armeeuniformen».
Ok, das ist ein Detail. Aber dass die Schweiz nicht nur in Kriegszeiten eine Milizarmee unterhält - und es daher zu jeder Zeit solche Uniformen gab, sollte eigentlich auch einer Journalistin bekannt sein (zumal wenn sie einen Studienabschluss vorweisen kann).
Dieser Fall betrifft die Zürcher Landzeitung. Die Konkurrenz ist da aber zuweilen kein Haar besser - im Gegenteil.
Fehler im Multipack - samt freihändiger Interpretation
Auch beim Tages-Anzeiger Unterland ist Wischen vor der eigenen Haustüre angesagt. Denn auch dort wird zuweilen sehr freihändig mit Tatsachen hantiert. Das konnte man im Januar 2008 in einem Artikel von Dorothée Baumgartner sehen. Sie nahm sich das Thema «Postauto-Anschlüsse» vor und schrieb in Anlehnung an Informationen aus WeiachBlog über das Ärgernis, einen Anschlussbus in Bülach zu verpassen:
«
Wie er [gemeint: der Verfasser von WeiachBlog]
in seinem Blog auf der Website der Gemeinde Weiach schreibt, passiere es ihm öfter, dass er den Anschlussbus in Bülach Richtung Weiach verpasse. Allerdings nicht während der Stosszeiten, sondern um Mitternacht. [...]
Da die S 5 auch noch um diese Zeit hinter dem Taktfahrplan herhinkt, reicht es dem Weiacher nicht mehr auf ein öffentliches Verkehrsmittel. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als ein Taxi nach Hause zu nehmen. Er ist verärgert und fragt sich: "Muss ich das selber bezahlen, oder zahlt mir die Postauto AG irgendwann meine Taxiauslagen?"»
Der Abschnitt basiert wahrscheinlich auf folgenden drei WeiachBlog-Artikeln:
Da kann man sich wirklich nur noch ratlos am Kopf kratzen, ob dieser Schreibe. Denn Baumgartner hat da gleich im Multipack geschnitzert:
1. Quellenkritik: Fehlanzeige
Behauptet wird, es handle sich bei WeiachBlog um einen «
Blog auf der Website der Gemeinde Weiach». Das ist völlig falsch. Der Blog wird nicht vom Provider der Gemeinde Weiach gehostet, er wird nicht von der Gemeinde finanziert, ja er wird nicht einmal von der offiziellen Website der Gemeinde aus direkt verlinkt. Nur die Website der Gemeinde vom Blog aus. Sonst nichts. Fazit: Die Dame scheint nicht gerade mit Leseverständnis gesegnet zu sein.
2. Zeitplanung: Fehlanzeige
Baumgartner wandte sich am 8. Januar um 13:41 per e-mail an mich, stellte ein paar Fragen und schloss mit den Worten: «
Da der Text auf morgen ist, bitte ich Sie mir so schnell wie möglich zu antworten. Das wäre sehr nett. Ich sollte Ihre Antworten bis spätestens 14.30 Uhr haben».
Tolle Zeitplanung, nicht? Und das für einen Artikel, der nicht im Geringsten zeitkritisch war. Über das oben erwähnte Ärgernis hätte man ja auch irgendwann später berichten können. So blieben mir ganze 49 Minuten Antwortzeit! Zu dumm wenn man nicht ständig den E-mail-Client offen hat oder tagelang ohne jeden PC-Anschluss auskommt.
Nun muss das nicht unbedingt der Fehler der Journalistin allein sein. Der Blattmacher sollte sich auch überlegen, wieviel Vorlauf für einen nicht zeitkritischen Füllartikel angemessen ist - zumal wenn man noch Zitate verifizieren sollte. Da reichen ein paar Minuten zwischen Redaktionskonferenz und Redaktionsschluss am selben Tag wohl nicht.
3. Wortvergewaltigungen: wenn «erneut» zu «öfter» wird
Aus dem Wort «erneut» (im WeiachBlog-Artikel «Vom Postauto im Regen stehengelassen») herauszudestillieren, das würde mir persönlich «öfter» «passieren, ist eine völlige Verkennung der Tatsachen. Ich habe nur darüber geschrieben, dass es mir «erneut» passiert ist. Daraus kann man aber nicht ableiten, dass jedesmal ICH selber diesen Bus verpasst hätte - ich habe lediglich hochgerechnet, was die Anzahl sein muss, wenn es schon allein mir zweimal innert wenigen Wochen passiert. Obwohl ich gar nicht so oft derart spät unterwegs bin.
4. Verunglückte Informationsfusionen
Noch schlimmer kommt es heraus, wenn Versatzstücke aus mehreren Artikeln (die sich zu verwandten, aber doch verschiedenen Themen äussern) frischfröhlich neu zusammengemixt werden, wie z.B. hier:
«
Da die S 5 auch noch um diese Zeit [gemeint: um Mitternacht]
hinter dem Taktfahrplan herhinkt, reicht es dem Weiacher nicht mehr auf ein öffentliches Verkehrsmittel.» Auch hier sind mehrere der oben referenzierten Artikel in faktisch falscher Weise und bar jeder Logik zusammengeschnurpft worden.
Wenn die S5 im Bahnhof Museumsstrasse im gleichen Masse Verspätung hat wie die Züge nach Zürich HB (z.B. ab Olten), dann erwischt man die S5 (fahrplanmässig ab 23:37) nach Bülach locker - es braucht minimal 4 Minuten Übergangszeit. Wenn man einmal auf der S5 ist, dann ist fast alles paletti. Denn das letzte Postauto nach Weiach muss bis zu 20 Minuten warten, wenn eine S-Bahn aus Zürich oder Winterthur Verspätung hat. Deshalb funktioniert es ja auch fast immer mit den Anschlüssen von der S-Bahn aufs Postauto.
Noch ein Beispiel für Faktenvermischung: «
Ihm bleibt nichts anderes übrig, als ein Taxi nach Hause zu nehmen. Er ist verärgert und fragt sich: "Muss ich das selber bezahlen, oder zahlt mir die Postauto AG irgendwann meine Taxiauslagen?"»
Mein Original: «
Ich bin ja gespannt, wie kulant sich die SBB geben werden, wenn ich dereinst mit der Quittung eines Bülacher Taxi-Unternehmers beim Kundendienst vorbeischaue.»
Merke: SBB, nicht Postauto! Mein Original stammt aus dem Artikel «Die SBB definieren den Anschluss neu». Da geht es um etwas völlig anderes als in den beiden anderen oben referenzierten Artikeln.
Im Falle der Postautos, die einfach abfahren, obwohl der Zug weniger als 20 Minuten Verspätung hat, muss letztlich zwar die Postauto Zürich bezahlen. Das kommt aber ziemlich selten vor. Meist ist die SBB die Schuldige und müsste zahlen, wenn ihre S5 den Schnellzug nicht abwartet. Für diese These spricht: Die SBB haben mir die Taxikosten übrigens jedesmal anstandslos zurückerstattet.
Ob sie das aber auch noch tun würden, wenn man einen Zug nimmt (z.B. von Olten, Zürich an 23:31 Uhr) , von dem es bei fahrplanmässiger Ankunft in Zürich HB gut auf den Anschluss auf die S5 im Tiefbahnhof Museumsstrasse reicht, das ist eine ganz andere Frage (vgl. den WeiachBlog-Artikel «Die SBB definieren den Anschluss neu»).
Denn offiziell ist der genannte Zug im Fahrplan nicht als Anschluss auf die S5 aufgeführt, weil die SBB über das ganze Gelände des Zürcher HB strikt von 7 Minuten Übergangszeit ausgehen. Sie könnten also darauf bestehen, der Kunde hätte einen früheren Zug nehmen müssen. Wenn es gemäss Fahrplan schon keinen Anschluss gebe, seien sie nicht verpflichtet, seine Taxikosten zu übernehmen, wenn er den späteren Zug genommen hat.
Was soll man davon halten?
Nach einer Zeitungs-Lektüre wie dieser weiss man nicht recht, wie man seiner Verwunderung über solch unprofessionelles Verhalten Ausdruck verleihen soll.
Denn eigentlich sollte doch gelten: Wenn man jemanden schon direkt zitiert, dann bitte nur mit Worten, die wirklich so geschrieben oder gesagt wurden. Auch den Rest sollte man getreu den Fakten beschreiben - wenn nötig nach erfolgter Rücksprache. Die war aber in meinem Fall nicht möglich. Entsprechend abverheit ist der Abschnitt herausgekommen.
Es scheint, dass im vorliegenden Fall etliche journalistische Sorgfaltsregeln über Bord geworfen wurden, nur um einen Artikel a tout prix noch ins Blatt bringen zu können, der in keiner Art und Weise zeitkritisch gewesen wäre.
Zwei Beispiele aus der Landzeitung und dem Tagi. Sind das die Folgen der modernen Produktionsbedingungen? Oder habe ich nur zu hohe Ansprüche?
Quellen
- Baumgartner, D.: Kein Postauto-Anschluss in Bülach während der Stosszeiten. In: Tages-Anzeiger Unterland, 9. Januar 2008 - S. 53.
- Früh, S.: Alter Glanz unter neuem Dach. Weiach - Jubiläumsausstellung der letzten 40 Jahre im Ortsmuseum. In: Zürcher Landzeitung/ZU/NBT, 22. September 2008 - S. 6.