Donnerstag, 31. Mai 2007

Des Sternenwirts Immobilien werden versteigert

Die langwierige Depression im Gefolge der grossen Weltwirtschaftskrise von 1873 hatte auch in Weiach viele Konkurse zur Folge. 1882 erwischte es postum einen ehemaligen Wirt des Gasthofs zum Sternen. Dies kann man alten amtlichen Inseraten im Bülach-Dielsdorfer Volksfreund entnehmen:

Gantanzeige

Dieser Titel stand jeweils für eine Versteigerung von Hab und Gut. Interessant sind solche Anzeigen, weil oft der ganze Hausrat en détail aufgeführt wurde, damit sich potentielle Käufer im Vorab ein Bild vom Angebot machen konnten. Diesmal ging es allerdings um Immobilien und Agrarland:

«Aus dem Konkurse des Rudolf Meierhofer, Wegknecht, alt Sternenwirth in Weiach werden die Liegenschaften künftigen Montag, den 22. Mai d. J., Abends 7 Uhr, im Wirthshaus zum „Sternen“ in Weiach öffentlich versteigert; dieselben bestehen in:

1 Wohnhaus mit Schopfanbau u. Werkstätte, assekurirt für Fr. 2700.-, nebst ca. 8 Aren Umgelände. Ca. 60 Aren Wiesland an 4 Stücken. Ca. 12 Aren Waldung an 2 Stücken.

Niederglatt, den 15. Mai 1882.

Notariatskanzlei Niederglatt;
Alex. Schmid, Landschreiber.
» (BDV, 17. Mai 1882)

Beim zweiten Anlauf musste es klappen

Offenbar war das Interesse nicht allzu gross oder die Gebote erreichten nicht die Höhe, die sich die Beamten vorgestellt hatten. Der zweite Versuch fand jedenfalls ein paar Tage später statt, exakt heute vor 125 Jahren.

«Aus dem Konkurse des Rudolf Meierhofer, Wegknecht, alt Sternenwirth, von Weiach werden die Liegenschaften Mittwoch den 31. Mai 1882, Abends punkt 7 Uhr, im Wirthshaus zum Sternen in Weiach auf zweite Steigerung gebracht, wobei unbedingt Zusage erfolgt.

Niederglatt, den 24. Mai 1882.

Notariatskanzlei Niederglatt;
Alex. Schmid, Landschreiber.
» (BDV, 27. Mai 1882)

Quellen
  • Bülach-Dielsdorfer Volksfreund, Nr. 39, Mittwoch, 17. Mai 1882
  • Bülach-Dielsdorfer Volksfreund, Nr. 42, Samstag, 27. Mai 1882
[Veröffentlicht am 17. Juli 2007]

Mittwoch, 30. Mai 2007

Effektentasche made in Weiach


«fruet Weiach Zürich 1977» - das Herstellerzeichen an der Innenseite einer alten Effektentasche der Schweizer Armee beweist, dass auch in Weiach einst ein Zulieferbetrieb des EMD ansässig war.

Die Sattlerei Fruet AG war seit 1970 im Gebäude der vormaligen Schäftenäherei Walder, einer Schuhfabrik, vis-à-vis der Station Weiach-Kaiserstuhl tätig. Zu ihren Hauptauftraggebern gehörten die Beschaffungsorganisationen der Militärdepartemente von Bund und Kantonen. Im Jahre 2000 musste Fruet den Betrieb mangels Aufträgen einstellen. Weiach verlor dadurch einen weiteren traditionsreichen Gewerbebetrieb.

Back to the roots

Sinnigerweise wurde dieser «Eff-Sack» (wie er im Soldatenjargon genannt wird) 1987 an einen Weiacher Wehrmann ausgegeben. Und kehrte so nach einigen Lager-Jahren im Zeughaus an den Ort seiner Entstehung zurück.

In den ersten Dienstjahren wurde er intensiv genutzt. Ab Mitte der 90er Jahre dann nicht mehr so häufig. Denn ab da machte ihm der Kampfrucksack neuer Ordonnanz den Platz streitig. Sein Besitzer war nämlich der Ansicht, letzterer reisse nicht mehr an einem Handgelenk, sondern nur an zwei Schultern und sei daher wesentlich angenehmer zu tragen. (Solche praktischen Rollköfferli, wie sie den heutigen Rekruten abgegeben werden, gab es damals leider noch nicht).

Das tut der Nützlichkeit des Eff-Sacks keinen Abbruch. Zum Aufbewahren aller möglichen Utensilien - auch nichtmilitärischer Art - eignet sich diese quaderförmige Tasche nämlich vorzüglich.

[Veröffentlicht am 15. Juli 2007]

Dienstag, 29. Mai 2007

Köbi stirbt bei Sturz auf Tennboden

Nein, nicht Köbi National. Vom Fussballtrainer Jakob Kuhn ist hier nicht die Rede. Soviel zur Beruhigung der Fans.

Hier geht es um einen Unfall vor genau 50 Jahren, der für einen Weiacher Vornamensvetter fatal endete. Unter der Rubrik «Verkehrswesen/Unfälle» berichtet Dorfchronist Zollinger über das Geschehen wie folgt:

«Einen ganz betrüblichen Unfall (allerdings nicht Verkehrsunfall) brachte der 29. Mai der Familie Jb. Baumgartner, Friedensrichters im Oberdorf. Der ältere Sohn, im ganzen Dorf der "Köbi" genannt und bereits 40jährig, fiel vorm. beim Gras abladen vom Futterwagen auf den Tennboden und erlitt einen Schädelbruch & weitere innere Verletzungen, an denen er am folgenden Morgen, am Auffahrtstag, leider verstarb. Köbi hatte schon als kleiner Bub einen Unfall erfahren und litt seither jahrzentelang [sic!] von Zeit zu Zeit an epileptischen Anfällen, die allerdings in den letzten Jahren nur noch äusserst selten aufgetreten waren. Ob nun doch wieder ein solcher Anfall eintrat und zum Unfall führte? Man weiss es nicht, weil er zu der Zeit allein in der Scheune arbeitete.»

Das Fehlen moderner medizinischer Methoden wirkte sich damals schnell tödlich aus, wie das Beispiel zeigt. Köbis Grabstein mag längst verschwunden sein. Die Erinnerung lebt aber weiter - auch dank Zollingers Chroniken.

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1957 – S. 17-18 (Original in der Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Signatur: G-Ch Weiach 1957)
[Veröffentlicht am 15. Juli 2007]

Montag, 28. Mai 2007

Einzigartig abverheytes Porzellangeschirr

«Vorbehalten für Sonn- und Feiertage... Das schönste Porzellan, das jemals für Weiach entworfen wurde», behauptet ein Werbeprospekt der Bexon GmbH aus Basel, der dieser Tage in die Briefkästen in der Gemeinde verteilt worden ist.

Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten. Abgesehen aber von diesem vollmundigen Spruch auf der Titelseite gibt es gleich ein paar Fehler, die den (Geschäfte)-Machern vom Rheinknie unterlaufen sind.

Bauernfängerei der Extraklasse

Wenn «Porzellanmeister» D. Noppe zum Schluss des Werbe-Briefs schreibt: «Niemals zuvor wurden die schönsten Plätzchen von Weiach in einem Porzellanservice festgehalten», dann ist das zumindest teilweise gelogen. Denn es gibt etliche Beispiele für solche Marketing-Neppereien, die schon vor Jahrzehnten an die Frau gebracht wurden. Das beweisen viele Teller und Tassen, die (beispielsweise letztes Jahr) als Leihgaben im Ortsmuseum Weiach zu sehen waren.

Für das sechsteilige Service wählte die Bexon GmbH sechs Motive aus: «Gemeindeamt», «Ref. Kirche», «Schulhaus Hofwies», «Neoapostolische Kirche», «Alter Bahnhof» und «Orstmuseum». Und zwar genau so geschrieben (!) - vgl. die Abbildung unten.


Keine Ahnung - nicht einmal von Qualitätssicherung

Von besonderer Ignoranz zeugt schon die Bezeichnung des Gemeindehauses als «Gemeindeamt», wie wenn das bei uns ein geläufiger Begriff wäre. Herr Noppe, wir sind NICHT in Deutschland, schreiben Sie sich das hinter die Ohren!

Das Schulhaus Hofwies zeigt - wenig verwunderlich - das «Alte Schulhaus» , das zwar auch auf dem Areal steht, jedoch nicht so heisst.

Zur «Neoapostolischen» Kirche ist zu sagen, dass sich diese religiöse Gemeinschaft erstens «Neuapostolen» nennt und zweitens die Kirche gar keine mehr ist, sondern zum Verkauf steht - selbst der Abriss ist eine Option (vgl. den WeiachBlog-Artikel «Kirche zu verkaufen»).

Das «Orstmuseum»

Einem Ortsfremden mag man ja manches verzeihen. Sprachlos bleibt einem aber der Mund offen, wenn man «Orstmuseum» liest. Das sollte bei der Qualitätssicherung eigentlich sogar einem Laien aufgefallen sein. Was soll man von einem Unternehmen halten, das solche kapitalen Böcke schiesst? Geschäften die auch sonst so schludrig, ja unseriös?

Durchaus möglich. Da steht im Prospekt nämlich: «Wir verpflichten uns, egal wie hoch die Nachfrage ist, die Auflagenhöhe einzuhalten». Dadurch werde das Service «schnell zu einem einzigartigen Sammlerstück» - und letztere beiden Wörter sind auch noch fett gedruckt. Nur: im gesamten Prospekt sucht man vergeblich eine Zahl, welche die Auflagenhöhe festlegen würde. Die können also machen was sie wollen - nummeriert sind die Services ja wohl auch nicht. Auch dass das Angebot «Nur kurze Zeit erhältlich» ist passt in dieses Abzocker-Bild.

Immerhin sind wenigstens die Zeichnungen von Gerard Swaenepoel einigermassen gelungen. Wahrscheinlich von Fotos abgezeichnet. Nur der Hintergrund mit den Wolkengebirgen an Orten, wo diese gar nicht sein können, wirkt etwas lächerlich. Aber das tut der Sache keinen weiteren Abbruch mehr. Das Resultat dann auch noch «originell und exklusiv» zu nennen, wirkt wie unfreiwillige Satire.

Teures Machwerk

Bleibt noch die Frage, was der Spass kostet. 297 Franken zuzüglich Versandkosten von Fr. 19.50 müssen für das 18-teilige Service hingeblättert werden. Ganz schön happig für diese fragwürdige Leistung.

«Es wird darüber gesprochen werden, soviel ist sicher», sagt der Prospekt. Allerdings. Verrisse waren aber wohl nicht geplant.

Hoffen wir, dass wenigstens das Porzellan selber in Ordnung ist und das Dekor sich beim Abwaschen nicht gleich verabschiedet. Trotzdem: bei mir wird man ein solches Machwerk sicher nicht auf dem Tisch finden. Nicht einmal als abschreckendes Beispiel. Dafür genügt der Blog.

[Veröffentlicht am 15. Juli 2007]

Sonntag, 27. Mai 2007

Angetrunkener Mopedfahrer baut Unfall

In den Jahreschroniken Walter Zollingers gibt es auch eine Rubrik «Unglücksfälle und Verbrechen» (erstere häufiger, letztere sehr selten).

Manchmal hat er da auch Originalausschnitte aus Zeitungen eingeklebt, teils sogar mit Quellenangabe.

In diesem Fall fehlt die Quelle, es wird sich allerdings um eine der regional verbreiteten Zeitungen handeln (Bülach-Dielsdorfer Volksfreund, Zürcher Unterländer oder Zürichbieter):

«Verkehrsunfall in Weiach. (Mitg.) Am Sonntag, den 26. Mai, 17.15 Uhr, stiessen auf der Kaiserstuhlstrasse in Weiach ein Moped-Fahrer und ein Personenwagen zusammen. Der von Kaiserstuhl AG herkommende Moped-Fahrer verlor auf offener, übersichtlicher Strasse die Herrschaft über sein Fahrzeug, überquerte die Hauptstrasse und stiess gegen die linke Seite eines korrekt entgegenkommenden Personenwagens. Der offensichtlich angetrunkene Moped-Fahrer erlitt durch den Sturz in die Fahrbahn Schürf- und Quetschwunden im Gesicht und an beiden Händen. Ferner entstand an den Fahrzeugen Sachschaden in der Höhe von ca. 1500 Franken. Dem fehlbaren Moped-Lenker wurde die Blutprobe genommen und sein Führerausweis wurde beschlagnahmt.»

Basis des Artikels war eine Zuschrift («Mitgeteilt»), die möglicherweise direkt von der Kantonspolizei Zürich stammt. Da der Unfall sich auf der Kaiserstuhlerstrasse ereignete (damals noch «Kaiserstuhlstrasse» genannt) war der Polizeiposten Weiach nur wenige Meter entfernt, vielleicht sogar in Sichtweite der Unfallstelle.

Und der Besoffene? Es ist nicht bekannt, ob es sich um einen Weiacher handelte - Zollinger schweigt sich über die Identität aus. Der Verunfallte trank aber wohl im Kreuz in Kaiserstuhl einen über den Durst - wie das über Jahrhunderte Tradition war - und wagte sich dann auf dem Töffli nach Hause. Dumm gelaufen.

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1957 – S. 17 (Original in der Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Signatur: G-Ch Weiach 1957)
[Veröffentlicht am 12. Juni 2007]

Samstag, 26. Mai 2007

Rebstickel auf öffentliche Steigerung gebracht

Überschuldung war und ist bei Bauern ein leider nur allzu häufiges Phänomen. Es kann so weit gehen, dass sich die Nachkommen gezwungen sehen, das Erbe auszuschlagen, um nicht selber für die Verbindlichkeiten des Erblassers zur Kasse gebeten zu werden.

Was genau hinter der heute vor 125 Jahren abgelaufenen Vergantung der Habseligkeiten eines verstorbenen Weiachers steht, ist nicht bekannt. Auch nicht ob er Schulden hatte. Anzunehmen ist es allerdings, sonst hätte das Notariat nicht von einem Konkurs gesprochen:

«Im Auftrage der löbl. Notariatskanzlei Niederglatt wird künftigen Freitag den 26. Mai, Nachmittags 1 Uhr, aus dem Konkurs des verstorbenen Hs. Ulrich Meier, Webers, von Weiach, beim Hause der Elisabetha Baltisser daselbst gegen Baarzahlung öffentlich versteigert:

Ca. 4 Ztr. Stroh, ca. 4 Ztr. Erdäpfel, ca. ½ Fuder Mist, 2 Ster Weidenholz, 20 Stück Eichenschälholz zu Rebstickel, ca. 200 tannene Rebstickel, 10 Stangen zu Baumleitern, 1 Beschneidstuhl, 1 Stoßbenne, 3 Hauböcke, 1 Hobelbank nebst etwas Werkzeug, 1 Wald- und 1 Handsäge, 1 Schleifstein sammt Gestell, 1 Holzschlitten, 2 Sandgitter, 1 Bickelhaue, Reut- u. Breithaue nebst versch. andern Haus- u. Feldgeräthschaften, sowie die sämmtl. Kleider des Verstorbenen.

Weiach, den 23. Mai 1882
Das Gemeindammannamt.
»

Das ist nicht gerade die Habe eines Wohlhabenden. Es sieht eher nach derjenigen eines der damals in Weiach so zahlreichen Kleinbauern aus, die gerade so «häbchläb» durchs Leben kamen. Einem Bauern, der offenbar seinen Lebensunterhalt unter anderem mit der Herstellung von Rebstickeln und Baumleitern verdiente.

Quelle
  • Bülach-Dielsdorfer Volksfreund, Nr. 41, Mittwoch, 24. Mai 1882

[Veröffentlicht am 12. Juni 2007]

Freitag, 25. Mai 2007

Maiwetter 1957

«Schnee, Sonne und Regen: Der Mai bot Freude für jeden Geschmack», fasste Reuters zusammen und SF Meteo setzte den Titel «Wildes Aprilwetter» und meinte: «Rein subjektiv wird uns der Mai 2007 nicht als Wonnemonat in Erinnerung bleiben. Immer wieder gab es kräftigen Regen, speziell am Auffahrtstag und dann auch wieder am Pfingstmontag goss es wie aus Kübeln.»

Es stimmt, der Mai 2007 war extrem und voller Gegensätze, als ob er mit dem April den Platz getauscht hätte ohne Anleihen auf den Sommer zu vergessen: immer wieder fielen heftige Niederschläge, am Pfingstmontag war’s saukalt, und dennoch war der Monat im Schnitt zu warm.

Aprillische Launen

Für dieselbe Periode vor 50 Jahren stellte Zollinger eine ganz ähnliche Diagnose:

«Auch der Mai kann gar nicht gerühmt werden! Er zeigte eher aprillische Launen: kühl, regnerisch, bedeckt bis bewölkt; nur 3 ganz schöne Tage mit Nachmittagswärme von über 25° und dreimal zwischen 20 und 25°, sonst immer darunter. Die Morgen waren sogar direkt kühl, sehr oft nur zwischen +1 und +3°. Am 8./9. Mai morgens lag jeweilen starker Reif, der nicht nur den frühgesteckten Kartoffeln weh tat, sondern auch an Reben und Obstblust argen Schaden anrichtete. Wir haben z.B. vom 25. bis 27. Mai daheim geheizt und sogar die Schulzimmer wurden geheizt, was in all’ den 40 Jahren meiner Schultätigkeit sonst m.W. um diese Zeit noch nie vorgekommen ist. Nebel gabs an drei Morgen, Regen fiel an sechs Tagen. Um den 20.5. herum wurden aber doch die ersten Fuder Heu heimgeführt; dann folgte jedoch ein ziemlich langer Unterbruch.»

Immerhin: so viele Hitzetage wie 2007 wies der Mai 1957 nicht auf, Ähnliches erlebte man Mitte des letzten Jahrhunderts nur noch im Mai 1945.

Bereits im WeiachBlog erschienene Wetterartikel

Quelle

  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1957 – S. 4 (Original in der Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Signatur: G-Ch Weiach 1957)
  • Wildes Aprilwetter im Wonnemonat Mai In: Website SF TV, 31. Mai 2007, 11:34; Letzte Aktualisierung: 14:33

[Veröffentlicht am 12. Juni 2007]

Donnerstag, 24. Mai 2007

Wo die Jagdhütte Sanzenberg hingekommen ist

In Weiacher Geschichte(n) Nr. 89 war der zweite Teil des von Ruth Schulthess-Bersinger 1941 an der Bezirksschule Kaiserstuhl gehaltenen Vortrags über Weiach abgedruckt. Darin erwähnt ist auch eine Jagdhütte, die auf Gemeindegebiet stand:

«Auf dem Sanzenberg, an der westlichen Strasse, die auf den Bachserbuck führt, wurde vor 5 Jahren ein Blockhaus erstellt. Das Holz zu dessen Bau stifteten die Gemeinden Weiach, Stadel & Bachs. Die Wände sind aus geschälten tannenen Rundhölzern. Solche auf einem Betonsockel aneinandergefügt, bilden den Boden. Ein Dach aus Dachbappen schützt das schöne Innere, welches aus Aufenthaltsraum, Schlafraum, Keller & Cheminée besteht. Neben dem Kochherd erhebt sich ein Geschirrschrank. Die Wände sind mit Rehbockgeweihen behängt. Nicht durch eine Türe gelangt man in den Schlafraum; sondern, indem man einen Vorhang zurückschiebt. Als Ruhelager dienen 2 übereinander befestigte, breite Matratzen. Über der Eingangstür kann man folgende Inschrift lesen:

S Sanzenberg heisst unsere Hütte,
A Aufgebaut in Waldesmitte.
N Nicht so leicht kann’s Schön’res geben
Z Zieht man aus zum Nimrodleben. –
E Einträchtig mit ihrer Beute
N Nahen sich die Jägersleute,
B Bleiben froh zusammen sitzen.
E Es ermangelt nicht an Witzen.
R Ruhm und Heldentat sind feil;
G Glorreich ist das Weidmannsheil!

Gewiss jeder Spaziergänger, der an dieser Jägerhütte vorbeizieht, wird sie bewundern.
»

Nicht mehr am ursprünglichen Standort

Das geht heute nicht mehr, denn diese Hütte steht nicht mehr am damaligen Standort. Im März 2007 habe ich noch gewerweisst, wo sie hingekommen sein könnte:

«Alt Gemeindepräsident Mauro Lenisa ist der Ansicht, dass diese Jagdhütte nicht identisch mit derjenigen der Jagdgesellschaft Sanzenberg sei. Diese Aussage wird durch das Inventar der Gebäudenummern-Konkordanz gestützt. Dort findet man lediglich zwei Waldhütten auf dem Müliboden mit den Baujahren 1955 und 1968. Die von Ruth Bersinger erwähnte Jagdhütte mit Baujahr 1936 ist also entweder durch eine neue ersetzt, an einen anderen Platz versetzt oder ersatzlos abgebrochen worden.»

Wechsel der Revierpächter - Haus gezügelt

Am Rande der Premiere des Stückes «Kolumbus oder Die Entdeckung Amerikas» in Weiach (vgl. WeiachBlog-Beitrag vom 16. Mai) konnte alt Gemeindeschreiber Hans Meier im Gespräch mit WeiachBlog das Rätsel um den Verbleib der Jagdhütte Sanzenberg klären.

Erstens: es gibt sie noch! Das ist sie:

Zweitens: sie steht heute auf dem Grenzsattel zwischen dem Ofen und Zweidlen, hart an der Gemeindegrenze zwischen Weiach und Glattfelden - aber klar auf Glattfelder Boden (Grenze verläuft auf dem obigen Bild etwa 20 m links der Bildmitte).

Deshalb erscheint die Hütte natürlich auch nicht mehr in der Liste der Gebäudeversicherung für unsere Gemeinde, sondern mit der Nr. 1451 in der von Glattfelden.

Auch das Baujahr kann man klar und deutlich auf dieser Aufnahme ablesen: «Erbaut 1937.»

Geweihe gehören noch zum Inventar. Nur der launige Spruch, bei dem der Name Sanzenberg sozusagen zum Akronym wird, der ist verschwunden. Warum, ist auch klar: Das Revier Sanzenberg gehört ja jetzt einer anderen Jagdgesellschaft.

Quellen

  • Bersinger, R.: "Weiach!" 20Min-Vortrag in der Bezirksschule Kaiserstuhl. Handschrift, 10 Seiten. Zusammengestellt im November 1941. Xero-Kopie im Archiv des Ortsmuseums Weiach.
  • Brandenberger, U.: «Die Trotte im Oberdorf war unser Eigentum». Ein Vortrag von Ruth Bersinger an der Bezirksschule, November 1941 (Teil 2). Weiacher Geschichte(n) 89. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, April 2007 – S. 9-12. (pdf, 1.6 MB)

[Veröffentlicht am 12. Juni 2007]

Mittwoch, 23. Mai 2007

Privatisierung schadet der Infrastruktur

Die Verfechter eines schlanken Staates werden ja bekanntlich nicht müde, kategorisch den Rückzug der Gemeinwesen aus möglichst vielen Infrastrukturen zu fordern. Dazu gehören u.a. die Wasserversorgung, die Stromversorgungsnetze und der Strassenbau.

Die Schalmeienklänge tieferer Ausgaben und damit auch tieferer Steuerbelastung mögen ja ganz schön und verlockend tönen. Nur sollte man sich vor Augen halten, was ein solcher Rückzug letztlich bedeutet, vor allem wenn er ganz generell mit einer Laissez-faire-Politik kombiniert wird.

Die USA bröckeln

Es lohnt sich, dazu einen Blick über den grossen Teich zu werfen, in das Land, das von ebendiesen Apologeten des Staatsabbaus als leuchtendes Vorbild gepriesen wird.

Als Augenöffner über die fatalen Folgen mangelnder Investitionen in den USA sehr geeignet ist dieser kurze Beitrag vom 10. Mai auf der Website des Progressive States Network:

«A major new report released this week by the Urban Land Institute and Ernst & Young revealed shocking statistics on the state of transit infrastructure in the U.S., including:

* 83 percent of the nation's transportation infrasturcture is not capable of meeting the nation's needs over the next 10 years.
* 97 percent of roads, bridges and tunnels, and 88 percent of transit/rail systems will require at least moderate improvement.
* Chicago alone needs $6 billion to bring its subways into good repair. Rehabilitation of the Tappan Zee Bridge north of New York City will cost as much as $14.5 billion.
* There is a $1.6 trillion deficit in needed infrastructure spending through 2010 for repairs and maintanence.

A Threat to Economic Growth

Beyond the inconvenience of longer commute times due to poor upkeep of roads and transit systems, these numbers signal real economic trouble. The loss in time and productivity will slow economic growth, drive job losses, and result in the U.S. becoming less economically competitive globally. Around the world, our economic competitors are investing heavily in infrastructure to strengthen their economies, yet the U.S is spending less than 1 percent of its GDP on infrastructure. Contrast that with India, which spends 3.5 percent on infrastructure, or China, which spends 9 percent of its gross domestic product on infrastructure in its quest for economic growth. The U.S. infrastructure neglect is not limited just to transit. In order to comply with safe drinking water regulations, the U.S. must spend ten times its current budget for replacing aging systems. The power grids are also a mess and poor transmission networks are resulting in loss of electricity and extremely inefficient power delivery.

The False Promise of Privatization

The report emphasizes that the recent hype around privatization of public assets like roads won't solve the problem -- and could make it worse. Another new report released this week, also highlights how states have been wasting taxpayer money by outsourcing and experimenting with other forms of privatization that have just added to costs.

Looking Forward There is simply no way around it -- the current level of infrastructure investment cannot sustain current economic activity, let alone allow our states to grow competitively in the global economy. Any further delay investing in infrastructure will only result in much greater physical repair costs and even greater costs from job losses. The first step is facing up to the need for new revenue. The reality is that the gas tax, when adjusted to inflation, is half of what it was in the 1960s. Road tolls aren't paying enough for overall infrastructure upkeep and other revenues are not making up the slack. New revenues need to be combined with better planning to reduce road congestion and promote more efficient public transit.
»

Erschreckend. Die USA scheinen je länger je mehr zu einem ökonomischen Papiertiger zu verkommen.

Diesen Fehler nicht nachmachen

Wenn man sich die Folgen für die Bevölkerung ausmalt, dann ist zu hoffen, dass sich die Hiesigen mit Händen und Füssen gegen die Privatisierung unserer Wasserversorgung oder der lokalen Übertragungsnetze (im Besitz der Elektrizitätsgenossenschaft Weiach) zur Wehr setzen und dafür einsetzen, dass die nötigen Investitionen rechtzeitig erfolgen.

Denn: Jeden Fehler der Amerikaner müssen wir ja nun wirklich nicht nachmachen. Schon gar nicht, wenn er solch katastrophale Folgen zeitigt.

Quelle

[Veröffentlicht am 1.06.2007]

Dienstag, 22. Mai 2007

«Wahlanordnung» als Zettel im Briefkasten

Am 17. Juni findet nicht nur eine eidgenössische Volksabstimmung über die 5. IV-Revision statt. Es wird nicht nur über zwei kantonale Vorlagen entschieden (Streit um Ärzte-Honorare an öffentlichen Spitälern und die Volksinitiative «Chancen für Kinder»). Am selben Tag ist in Weiach auch Wahltag. Auf kommunaler Ebene stehen nicht weniger als vier Ersatzwahlen an!

Kurzfristig anberaumt

Der Termin ist offenbar ziemlich kurzfristig angesetzt worden, aus welchen Gründen auch immer, jedenfalls scheint es auf den MGW-Reaktionsschluss Ende April nicht mehr gereicht zu haben.

Wie der «Wahlanordnung» zu entnehmen ist (Bild unten), die am 18. Mai als Einzelblatt in die Briefkästen flatterte, müssen je ein Mitglied des Gemeinderates, der Primarschulpflege und der Evangelisch-reformierten Kirchenpflege neu gewählt werden. Darüber hinaus ist auch die Pfarrwahl als Ersatz für den weggezogenen Pfr. Saxer anstehend.



Nur für zwei von vier Vakanzen gibt es schon offizielle Kandidaten

Für die Primarschulpflege wird Ronald Meier, wohnhaft in der Alten Trotte, einem der ältesten Häuser der Gemeinde, offiziell portiert.

Zur Pfarrwahl wird angemerkt, es würden «vorgedruckte Wahlzettel verschickt». Der fleischfarbene Wahlzettel, der kurz darauf im Couvert in die Briefkästen gelangte enthielt keine Überraschung. Der Antrag der Pfarrwahlkommission ist immer noch derselbe wie Anfang April: «VDM Christian Weber» (VDM steht für «Verbi Divini Minister», d.h. soviel wie «Diener des Gottesworts». Man kann sich fragen, ob das allen Stimmberechtigten klar ist oder nicht).

Für die beiden übrigen vakanten Stellen, den Ersatz für den zurücktretenden Gemeinderat Leutwiler und einen Kirchenpfleger sind keine Vorschläge gemacht worden.

Ganz unten auf der Wahlanordnung steht dick und fett: «Anfangs Juni 2007 findet voraussichtlich eine Wählerversammlung statt. Die Einladung dazu erfolgt im Mitteilungsblatt Juni 2007.»

Bis dato ist jedoch noch kein Termin für eine solche Veranstaltung bekannt.

[Veröffentlicht am 1.6.2007]

Montag, 21. Mai 2007

FIXIT by Satellite

Dass Google Maps auch dem Durchschnittsbürger ganz neue Einblicke auf unser Land ermöglicht, ist in der Blogosphäre schon zur Genüge diskutiert worden.

Über das Wie und Warum lasse ich mich daher hier nicht mehr aus. WeiachBlog bringt dafür in lockerer Folge einige Beiträge zu Satellitenportraits des Gemeindegebiets. Wir fangen im Osten an und schauen uns dort um. Am markantesten ist natürlich das Industriegebiet im Hard.

Überrascht stellt man fest, dass die nach dem Totalschaden Ende 1999 neu errichtete Halle auf dem Werksgelände der Weiacher Kies AG im Hard einen riesigen Schriftzug aufweist: «FIXIT» steht da in Orange auf Weiss und selbst aus dem All unübersehbar. (Bild zum Vergrössern anklicken)

Dieses riesige Detail bleibt dem bodengebundenen Wanderer verborgen - zumal in seiner Wirkung aus grosser Höhe.

Mehr zur Geschichte der im Zuge von Lothar buchstäblich vom Winde verwehten alten Halle findet man in der Jubiläums-Publikation der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, siehe WeiachBlog-Beitrag vom 2. Januar.

Weiterführende Artikel

[Veröffentlicht am 1.6.07]

Sonntag, 20. Mai 2007

Ein Schilderwald markiert die Grenze

Seit bald zehn Jahren gilt auf dem Gemeindegebiet von Weiach auf allen Flurwegen durch Wälder und Felder generell ein Fahrverbot für motorbetriebene Gefährte. Einzige Ausnahme: Land- und forstwirtschaftlicher Verkehr.

Für Velofahrer gilt das selbstverständlich nicht. Zum weitgehend abgasfreien Biken sind also unsere Waldstrassen geradezu ideal.

Eine Art Grenzsteinersatz

Im Frühling 1998 wurden die Schilder aufgestellt (Beispiel s. unten). Viele von ihnen stehen direkt an der Gemeindegrenze.

Ja, man kann sogar anhand dieser Tafeln recht genau feststellen, wo Weiach anfängt, was anhand von meist mit Grünzeug überwucherten Grenzsteinen ein ziemlich schwieriges Unterfangen ist.

Diese Tafel hier steht an der Kantonsgrenze im Äusseren Hasli, und das Bild wurde mit Blickrichtung Dorf aufgenommen.

Der Text im unteren Teil der Tafel lautet: «Verbot. Gemäss richterlicher Verfügung vom 11. Nov. 1997, wird Unberechtigten das Befahren der Genossenschaftswege mit Autos, Motorrädern und Mofas, unter Androhung von Polizeibusse bis zu Fr. 200.- untersagt. Weiach, 27. März 1998. Der Gemeindeammann.»

Vor dieser grossen Aktion gab es nur vereinzelt Verbotstafeln auf grösseren Strässchen, wie z.B. diese hier auf der Büechlihaustrasse Richtung Fürstenhalde und Winzeln/Stein.

[Veröffentlicht am 1.6.07]

Samstag, 19. Mai 2007

Wirkt Tau gegen Sommersprossen?

Gottlieb Binder, der Verfasser der ersten gedruckten Monographie über die Geschichte der Gemeinde Stadel bei Niederglatt (erschienen 1939), stammte ursprünglich aus Windlach, also aus der nächsten Umgebung von Weiach.

Binder war einer jener Unterländer, die schon vor über einem Jahrhundert spürten, was mit der rasant zunehmenden Urbanisierung auf dem Spiel stand: das Volksbrauchtum der Landschaft. Er trug daher über Jahre hinweg heute unschätzbar wertvolle Fakten aus seiner alten Heimat, dem Zürcher Unterland, und insbesondere dem Stadlertal, zusammen. 1925/26 veröffentlichte er dieses umfangreiche Material im Schweizerischen Archiv für Volkskunde.

Selbst der Boden ist konservativ

In der Einleitung schrieb Binder: «Weil hier selbst der Boden konservativ ist und alles treu hütet und erhält, sind die Zugänge zur Seele des Volkes noch grösstenteils unverschüttet und das Volkstum erhalten geblieben. Was aber trotzdem von Sitte und Brauch der Ver­gangenheit anheimfiel, lebt vorläufig wenigstens noch in des Volkes Erinnerung fort. Beides: das Vergangene und das heute noch Bestehende darzustellen, ist der Zweck der vorliegenden Abschnitte. Was ich darbiete, stammt teils aus meiner eigenen Anschauung, teils aus dem traulichen Erinnerungs­schreine meiner Mutter.»

Schönheitsrezept für den Monat Mai

Eine dieser Erinnerungen betrifft Frühlingstage und Frühlingsfeste. Zum Mai passen die folgenden Zeilen, die jedem Kosmetikunternehmen heutiger Tage das Fürchten lehren könnten:

«Die mit Sommersprossen behafteten Töchter des Unterlandes gingen während des Maimonats jeden Tag früh morgens auf die Wiese und wuschen ihr Angesicht mit dem Tau der Gräser, weil sie der Ansicht waren, auf diese Weise eine reine Gesichtsfarbe zu erlangen.»

Ja, nützts nüt, so schadts nüt!

Quelle
  • Binder, G.: Aus dem Volksleben des Zürcher Unterlandes. Sonderabdruck aus Schweizerisches Archiv für Volkskunde, Bd. XXV/XXVI. Basel, 1925 – hier: S. 118. Originalpublikation in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde (SAVk), 25. Bd., Basel 1925 – S. 91-124; 197-228; 241-256 sowie 26. Bd., Basel 1926 – S. 30-46; 101-123 und 188-201.
[Veröffentlicht am 30.5.2007]

Freitag, 18. Mai 2007

Tanzbelustigung im Sternen

Heute vor 125 Jahren ging es im Gasthaus zum Sternen offensichtlich hoch her. Darauf lässt zumindest dieses Inserat schliessen, das der damalige Wirt, R. Willi, im Bülach-Dielsdorfer Volksfreund abdrucken liess:

«Auffahrt. Nächsten Donnerstag den 18. d. ist Tanzbelustigung im Sternen in Weiach, wobei gut gebackene Fische servirt werden. Ergebenst ladet ein R. Willi.»

Das «d.» steht als Abkürzung für «diess» und meint: «dieses Monats», also den Mai.

Spannend ist, dass es damals im Kanton Zürich offenbar erlaubt war, an Auffahrt eine öffentliche Tanzveranstaltung abzuhalten.

Der Schreibende kann sich an Zeiten erinnern - und die sind noch gar nicht so lange her - als es hierzulande an hohen kirchlichen Feiertagen wie Karfreitag oder Ostern verboten war, eine Disco oder ein Kino für Besucher zu öffnen.

Quelle
  • Bülach-Dielsdorfer Volksfreund, Nr. 39, Mittwoch, 17. Mai 1882.
[Veröffentlicht am 30.5.2007]

Donnerstag, 17. Mai 2007

Alte Monatsnamen

Wissen Sie, welcher Monat mit dem Heumonat gemeint ist? Nein? Dann können Sie sich damit trösten, dass es offenbar bereits vor bald 300 Jahren zuweilen Zweifel gab, was althergebrachte Monatsnamen bedeuten - und wie die neueren Pendants lauten.

Bluntschlis Memorabilia Tigurina von 1711, ein Lexikon über die Stadt und den Kanton Zürich, das bis 1870 etliche weitere Auflagen erlebte, bringt jedenfalls im Artikel über die Fischenzen (d.h. Fischereirechte an einem bestimmten Gewässerabschnitt) folgende, hier fett gedruckte Liste, die ich um Erkenntnisse weiterer Lexika angereichert habe:

Jenner - Januar

Der Wahrig, ein weniger bekanntes Pendant zum Duden, kennt lediglich die Schreibweise «Jänner» und nennt sie «österreichisch». Das Wort stamme aus dem frühmittelhochdeutschen «Jenner» und das wiederum aus dem lateinischen «Ianuarius», nach Ianus, dem Gott des Jahresanfangs. (Wahrig, S. 696)

Im Zedler (dem grössten deutschsprachigen Lexikon des 18. Jahrhunderts; vgl. dazu WeiachBlog vom 8. November 2005) findet man u.a. folgende Erklärung:

«Ianuarius, der Name desjenigen Monaths, mit welchem jetzo fast durchgehends das Jahr angefangen wird.» Und weiter unten: «Das Wort wird von dem Heydnischen Gott Iano hergeleitet, dem auch der erste Tag desselben heilig war, weil Ianus zugleich in die zukünfftige und in die vergangene Zeit sahe, oder von Ianua, weil dieser Monath gleichsam eine Thüre des Jahres sey.» (Zedler, Bd. 14, Sp. 215)

Hornung - Februar

«Hornung» (oder auch «Horner» genannt) ist nach dem Wahrig eine alte Bezeichnung für «Februar», althochdeutsch «hornunc», eigentlich: Bastard, im Winter Gezeugter (und deswegen zu kurz Gekommener); Das Wort gehöre zum germanischen «hurna-»: Horn, Spitze, Ecke (Wahrig, S. 659).

Zum Februar steht da, er sei der Reinigungsmonat, aus februare (d.h. reinigen), denn gegen Ende des letzten Monats im römischen Jahr hätten Sühneopfer stattgefunden (Wahrig, S. 461).

Im Zedler findet man eine ganz ähnliche Beschreibung: «Februarius, war bey denen Römern Anfangs der letzte, nachgehends aber der andere Monath im Jahr und hat seinen Namen â februis, siue purgaminibus, welches Schwefel, Hartz und Pech war, womit man räuchern und sich reinigen muste, wenn man opffern wollte. Es ward aber in diesem Monath die ganzte Stadt auf solche Art gereiniget, und man that eben dergleichen bey denen Gräbern, und opfferte vor die verstorbenen, dass sie fein sanfft ruhen sollten.»

Später folgt auch eine Erklärung des deutschen Namens: «Bey denen Teutschen heist er Hornung von Horn, weil die Hirsche in diesem Monathe die Geweihe abwerffen. Er heist auch Reben-Monath, weil in selbigem die Wein-Reben beschnitten werden;» (Band 9, Sp. 393f.)

Mertz - März

Gemäss Wahrig ist heute noch das Wort «ausmerzen» bekannt. Es stehe u.a. für das Aussondern von Schafen, die zur Zucht untauglich sind, ein Vorgang, der im Frühling durchgeführt werde, weshalb man den «Mertz» auch Frühlingsmonat nannte. (Begriff «Merzvieh», S. 867)

Der heute gebräuchliche Name März kommt ebenfalls laut Wahrig von althochdeutsch «marzeo, merzo» und das wiederum aus lat. «martius», eigentlich: «dem röm. Kriegsgott Mars heilig».

Im Zedler wird unter dem Stichwort Mertz, Martius erwähnt, dass «die alten Römer vor Julio Cäsare ihr Jahr» damit angefangen hätten. Am ersten März hätten gemäss Ovid die Männer ihren Weibern Geschenke geschickt, weshalb «nach dem ersten Jenner der erste Mertz der allersolenneste war. Er soll den Nahmen von Mars, der vor des Romuli als Erbauers der Stadt Rom Vater gehalten wurde, haben.»

Der März sei auch der Monat der Tag- und Nachtgleiche, in dem die «ganzte Natur fängt an gleichsam erneuret und lebhafft zu werden, weil die Pori, oder so zu reden, die Schweiß-Löcher der Erden sich aufthun, und die Feuchtigkeiten dem Wachsthum derer Bäume und Kräuter zu gute in die Höhe gezogen werden. In welcher Absicht er vermuthlich von Kayser Carl dem Grossen, der Lentzen- oder Gläntz-Monat genennet; Von denen alten Deutschen aber der Mertz [...] genannt wird, weil nach jener Benennung das Feld nun allgemach wiederum zu gläntzen, das ist, zu grünen; nach dieser aber die Tage-Länge, und damit zugleich die Lieblichkeit des Wetters sich zu mehren anfängt. Ingleichen so wurde er auch in der alten Deutschen Sprache der Lentzen-Monath oder Lenis Mensis wegen der armen Lufft genennet. Wie ihn denn die Holländer noch den Lente Maand heissen.» Dann folgen noch etliche Bauernregeln zu diesem Monat. (Bd. 20, Sp. 1044f)

Aprel - April

Das althochdeutsche «Abrello», das nach Wahrig aus lat. «Aprilis» und dieses vielleicht aus «aperire» (d.h. öffnen) abgeleitet ist, stehe für den «Monat, in dem sich die Erde neuer Fruchtbarkeit öffnet». (S. 188)

Im Zedler wird unter anderem der römische Schriftsteller Varro erwähnt. Nach ihm soll der April «seinen Namen von ab aperiendo haben, weil sich die Erde in selbigem aufthäte, den Samen annähme und denen Thieren Kraut und Graß zu Essen reichte.» Und weiter: «Carolus Magnus hieß ihn den Oster-Monath; welches Fest gemeiniglich in demselben fället. Die Holländer heissen ihn Graas-Mand.» (Bd. 2, Sp. 970)

Mey - Mai

Der aktuelle Monat Mai stammt dem Namen nach laut Wahrig aus althochdeutsch «meio», das aus dem lateinischen «Maius» nach «Jupiter Maius», dem «Wachstum bringenden Jupiter» abgeleitet sei. (S. 843)

Der Zedler bringt ausführliche Erklärungen: der fünfte Monat im Jahr sei «wegen seiner vielen Annehmlichkeiten der berühmteste und beliebteste unter allen. Einige wollen den Ursprung seines Nahmens von der Majestät, oder von dem deutschen Wort May, welches einen grünenden Baum oder Zweig bedeutet, herführen, weil sich die Herrlichkeit des Schöpffers kaum in einigem Monath so majestätisch, als in diesem, offenbahret, da alles in Feldern und Wäldern grünet und blühet, da Wiesen und Gärten mit mancherley schönen lebendigen Blumen schattiret, einen lieblichen Geruch von sich geben, und Menschen und Thiere der angenehmen Zeit sich erfreuen, als weswegen ihn auch Kayser Carl der Grosse, welcher allen Monathen deutsche Nahmen beygeleget, den Wunne- oder Wonne-Monath genennet. Wegen der um diese Zeit einfallenden Rosen-Blüthe, heissen ihn auch einige den Rosen-Monath.»

Und weiter wird zum Namen ausgeführt: «Den lateinischen Namen leiten etliche, wie bereits beym Junius gedacht, von denen Majoribus, oder denen alten gelehrten und erfahrnen Leuten, die das Regiment führten, oder von dem Gott Majus unter welchem Nahmen die alten Einwohner von Tusculo den Jupiter verehret haben sollen, oder endlich auch von der Maja, einer Heydnischen Göttin der Erden und Mutter des Mercurs her...»

Es folgen etliche Bauernregeln und Betrachtungen zur Pflege der landwirtschaftlichen Kulturen der damaligen Zeit und dann zum Schluss unvermittelt wieder ein römisches Einsprengsel: «Sonst stunden auch die alten Römer ehemahls in der Meinung, daß dieser Monath der Liebe nachtheilig sey, dahero sie in demselben keine Hochzeit machten, und dieses Sprichwort hatten: malum est mense nubere Majo.» Die Ursache für diesen Glauben wird u.a. wie folgt erklärt: «Nun war aber der Mertz der Venus, der Junius aber der Juno geeignet, welche man beyde für Patroninnen des Ehestandes hielt.» (Bd. 19, Sp. 2309ff)

Fazit: Wer im Mai heirate, der habe gleich beide Göttinnen vor den Kopf gestossen. Den Alemannen war das wohl herzlich egal. Und den heutigen ebenso, wenn man sich die Anzahl im Mai abgehaltener Hochzeiten vor Augen hält.

Brachmonat - Juni

Blättern wir im Wahrig, so wird unter «Brachmonat, Brachmond» auf «Brachet» verwiesen. Dort steht, das sei ein alter Name für «Juni [da in ihm bei der Dreifelderwirtschaft das Brachfeld bearbeitet wurde; -> Brache]».

Was ist das, eine Brache? Kurz: ein gepflügter, unbebauter Acker. Synonyme dazu sind: Brachfeld, Brachflur, Brachland. Unter Brache verstehe man aber auch «Zustand des Unbebautseins, Anbauphase». Das Wort leite sich ab aus althochdeutsch «brahha», d.h «Umbrechung des Bodens im Juni». (Wahrig, S. 292)

Zum lateinischen Namen Juni wird erklärt, dieser sei aus dem Genitiv Iunii von lat. Iunius, dem Namen des der röm. Göttin Juno geweihten Monats entstanden. (Wahrig, S. 702)

Im Zedler lautet die Erklärung etwas ausführlicher, aber sonst ähnlich: «Junius, der Monath, soll, wie einige vorgeben, von dem Junio Bruto, als er die Tarquinier aus Rom vertrieben, und zu dieser Zeit auf dem Berge Caelio der Göttin Carnae ein Opffer gebracht, den Namen bekommen haben. Andere hingegen führen ihn von der Göttin Juno, und noch andere von denen Junioribus her, oder von der Göttin der Jugend, Hebe, oder auch von der zwischen Romulo und dem Sabiner, Tito Tatio, gemachten Vereinigung, a jungendo. Jo. Goropius Becanus will ihn vom Worte gunnen oder gönnen herleiten, weil uns die Natur um diese Zeit allerhand Ergötzlichkeiten vergönnet.»

Und weiter zum deutschen Namen: «Carolus M. nennete ihn den Brach-Monath, weil um diese Zeit der Acker, so geruhet, aufs neue gebrachet oder gebrochen wird.» (Zedler, Bd. 14, Sp. 1633)

Heumonat - Juli

Der Heumonat oder Heumond, ist die alte Bezeichnung für den Juli (Wahrig, S. 633). Wie man die deutsche Bezeichnung zu verstehen hat ist klar. Die heute gebräuchliche lateinische Monatsbezeichnung soll aus dem Genitiv Iulii von Iulius, dem Julius Cäsar (100-44 v. Chr.) geweihter Monat, abgeleitet sein. (Wahrig, S. 701)

Was sagt der Zedler zum Juli? Unter anderem das: «Julius, der Monath, hat seine Benennung von Julio Cesare. Denn als derselbe den 25. Jan. in dem 700. Jahre nach Erbauung der Stadt Rom aus Spanien zurück kam, und seinen triumphirenden Einzug in Rom hielt, wuste ihm der Rath keine grössere Ehre zu erweisen, als daß er den Monath Quinctilis, darine Julius Caesar geboren worden, nach seinem Namen heissen ließ. Kayser Carl der Große nennte ihn den Heu-Monath, weil man um diese Zeit mit dem Heu-machen beschäfftiget ist. Bey denen Römern war er dem Schutz des Jupiters übergeben.» (Zedler, Bd. 14, Sp. 1588)

Augstmonat - August

Nach dem Wahrig geht die Bezeichnung als Ehrennamen Augustus, d.h. «der Erhabene, Ehrwürdige», auf den Kaiser Oktavian zurück. Augustus sei von lateinisch «augere», d.h. «vermehren» abgeleitet. (Wahrig, S. 211)

Im Zedler wird der Sachverhalt ähnlich erklärt: «Augustus, der August-Monath, hieß Anfangs bey denen Römern Sextilis, weil er von dem Martio an der 6. Monath war. Weil aber Augustus in selbigem zum erstenmal Römischer Bürgermeister geworden, 3 ansehnliche Siege erhalten, Egypten bezwungen, und den bürgerlichen Krieg zu Ende gebracht hatte, so wurde er ihm zu Ehren Augustus genennet. [...] Es ist daraus in denen alten Documenten bisweilen Augst gemacht worden. Carl der Grosse hat ihm den Namen Erndte-Monath beygelegt.» (Zedler, Bd. 2, Sp. 2188)

Herbstmonat - September

Unter der deutschen Bezeichnung verweist Wahrig, S. 622 lediglich auf das Stichwort September. Dort wird erklärt, es stamme von lat. «mensis september», d.h. «der siebente» Monat des mit dem März beginnenden altrömischen Jahres. (Wahrig, S. 1150)

Wie immer ausführlicher, der Zedler: «September, oder Herbst-Monat, Frantz. Septembre, ist der neunte Monat des Jahrs, in welchem der Herbst seinen Anfang nimmt, wenn um den drey und zwantzigsten Tag desselben, die Sonne in die Waage tritt, und hat seinen Nahmen von der Zahl, weil er bey den Römern, welche das Jahr mit dem Mertz angefangen, der 7te in der Ordnung gewesen. Er hatt schon zu des Romulus Zeiten 30 Tage; Numa aber that 2 davon, welche Cäsar wiederum hinzu setzte. Man wolte ihn nach dem Kayser Tiberius, Tiberium, und nach dem Antonius Pius, Antoninum nennen, sie waren aber damit beyde keineswegs zufrieden. Einige haben ihn zwar von dem Kayser Commodus Herculeum, von dem Kayser Tacitus Tacitum, und von dem Domitianus Germanicum tituliret, es sind aber diese Benennungen bald wieder verschwunden. [...] Kayser Carl der Grosse hat ihm den Nahmen Wittmonat beygeleget [...] weil auf Egidii, als am ersten September, der Hirsch gemeiniglich in die Brunft tritt; jetzt heißt er, wie schon gedacht der Herbst-Monat, weil sich der Herbst darinnen anfängt, und die Sonne die andre Tag- und Nacht Gleiche, aequi-noctium auctumnale, macht da die Nächte zu, die Tage hingegen abnehmen, bis an den winterlichen Sonnenstand, oder das solstitium brumale. Im Holländischen heißt er Heerfstmaan, und von andern wird er der Gerst- oder Spelt-Monat genennet.» (Zedler, Bd. 37, Sp. 265-277)

Anschliessend folgen unter dem Stichwort September seitenweise Betrachtungen aus Landwirtschaft, Verwaltung, Medizin und noch etlichen Wissensgebieten mehr, darüber, was man in diesem Monat besser lassen und was anpacken solle. Lesenswert, weil es interessante Einblicke in die damalige Welt des Wirtschaftens gibt: Suche nach Stichwort September.

Weinmonat - Oktober

Analog zum September zählen die Römer nun bis auf Zehn, bis zum Dezember. Oktober kommt von mensis octavus, dem achten Monat des altrömischen im März beginnenden Kalenderjahrs (Wahrig, S. 939). Zum Weinmonat wird auf S. 1385 lediglich das lateinische Pendant angegeben, sonst nichts.

Blättern wir also wieder einmal im Zedler, der sich (wie schon über den September) über 5 Seiten hinweg zum Oktober auslässt, und zwar unter dem Buchstaben W (Bd. 54, Sp. 864-874):

«Wein-Monat, October, Latein. October, Frantz. Octobre, ist der zehende Monat vom Jenner, und der achte vom Mertz an gerechnet, daher er auch im Lateinischen seinen Nahmen October bekommen, immassen die Römer unter Romulo, da das Jahr nur zehen Monate hatte, mit dem Mertz-Monate ihre Jahre angefangen; nach diesem aber ward er bey ihnen, wie er es auch noch bey uns ist, der zehende Monat. Kayser Carl, der Grosse, hat ihn den Wein-Monat, Wynmonet, genennet, weil die Weinlese in demselben einfället. In alten Urkunden findet man ihn Erst-Herbst, weil er der erste Herbst-Monat ist, auch Winse oder Wintze-Monat von den Wintzern benahmet. [...] Der tyrannische Kayser Domitian hat ihn eine Zeitlang, weil er in selbigem gebohren worden war, nach seinem Nahmen Domitianum benennet, nachdem er aber ermordet worden, hat kein Kayser mehr begehret, daß man einen Monat nach seinem Nahmen nennen solte; weil sie es für ein unglückliches Zeichen oder Vorbedeutung gehalten; oder vielmehr weil man auf alle Weise gesuchet, das Gedächtnis dieses Tyrannen auszurotten, so hat dieser Monat alsbald nach des gedachten Kaysers Tode seinen vorigen Nahmen October oder der achte Monat wieder bekommen.»

Auch hier folgen wieder seitenweise Ausführungen zum Thema Landwirtschaft und anderen Künsten, sofern deren Verrichtungen den Monat Oktober betreffen. Auch diese wieder sehr lesenwert. (URL vgl. September)

Wintermonat - November

Im Zedler, Bd. 57, Sp. 991, wird unter dem Stichwort Winter-Monat auf «November, im XXIV Bande, p. 1517; ingleichen Monat (Winter-) im XXI Bande, p. 1031» verwiesen.

«November, ist der eilffte Monat in unserem Jahre, welcher aus 30 Tagen bestehet, und an dessen 22. Tage die Sonne gemeiniglich in das Zeichen des Schützen eintritt. Bey den Römern aber, welche das Jahr von dem Mertz anfiengen, war er der 9te Monat, und hatte daher den Namen. Zu des Romuli Zeiten enthielt er 30 Tage, Numa aber nahm einen davon, welchen Cäsar wiederum hinzu setzte. Von den Schmeichlern des Kaysers Commodi, der zu dieser Zeit togam virilem empfangen, und nebst seinem Vater als Kayser begrüsset worden, war er exuperatorius genennet. Die Deutschen heissen ihn gemeiniglich den Winter-Monat, nicht zwar, als ob sich der Winter in selbigem ansahe, sondern weil zu Ende desselben das Feld schon gantz winterhafftig aussiehet; Kayser Carl der grosse aber soll, wie Aventinus berichtet, den Wind-Monat genennet haben, weil sich um diese Zeit ordentlich starcke Winde zu erheben pflegen. Von etlichen wird er auch der Wolffs-Monat benamet, dessen Ursach aber nirgend zu finden.»

Auch hier folgen wieder mehrere Seiten über die Verrichtungen in Haus und Feld zur Zeit des Novembers (vgl. September und Oktober oben).

Wikipedia verweist die Bezeichnung Wolfsmonat übrigens auf den Januar und gibt eine Erklärung: «In Osteuropa wurde der Januar früher auch Wolfsmonat genannt, da in dieser Zeit die Wölfe ihre Ranzzeit haben und leichter zu jagen waren.»

Der Wahrig gibt eine ganz andere Erklärung! Ein Wintermonat sei ein «Monat des Winter, Dezember, Januar, Februar; Ggs Sommermonat» (vgl. S. 1401). Und unter «Windmonat» steht, das sei ein alter Name für Oktober bzw. November. Und fügt als weitere Erklärung an, der Name sei volksetymologisch aus «Weinmonat» entstanden, ursprünglich von lateinisch vinum = Wein, d.h. vinmonat (Wahrig, S. 1400).

Christmonat - Dezember

So, und nun noch den letzten Monat nach heutiger Zählung. Nach Wahrig (S. 319) ist der Christmonat der Dezember und wird auch Weihnachtsmonat genannt. Auf S. 346 wird der lateinische Name Dezember analog dem erklärt, was schon oben unter September bis November gesagt wurde.

Zum Zedler: Da der Artikel über den Dezember schon in einem frühen Stadium der Lexikonredaktion, im Bd. 7 von über 50, abgedruckt ist, beschränkt sich der Umfang auf wenige Zeilen und macht keine Ausführungen zu landwirtschaftlichen Verrichtungen über mehrere Seiten hinweg, so wie für die Monate September bis November. Aber auch hier findet man Amüsantes:

«December, einen von denen 12 Monathen des Jahr, war ehemals der Göttin Vestae wie auch dem Saturno gewidmet, und hat den Namen daher bekommen, weil er nach der ersten Römischen Jahrs-Rechnung der zehnte Monath gewesen. Dieser Monath wurde bey ihnen fast mit nichts als Lustbarkeiten und Schmaussen zugebracht. Man durffte, welches in keinem andern Monathe erlaubt war, im Brete spielen. [...] Von etligen Schmeichlern des Kaysers Commodi wurde er Amazonius genenet, weil sich dessen Concubine Martia stets als eine Amazonin abschildern ließ. [...] die Teutschen aber haben ihn [den Dezember] auf Befehl Caroli M. den Heiligen, und nachgehends en Christ-Monath benamet, weil in selbigem das Gedächtniß der Geburt Christi gefeyert wird.» (Zedler, Bd. 7, Sp. 305)

Die Monate der Deutschen, nach Zedler

Im Zedler gibt es übrigens auch einen Übersichtsartikel zu den Monaten, welche all die Bezüge auf Kaiser Karl den Grossen erklärt:

«Monate der Deutschen, werden heutiges Tages gemeiniglich mit den von den Römern eingeführten Namen benennet. Jedennoch haben die Monate bey den alten Deutschen ihre eigene Namen gehabt, welche auch zum Theil noch jetzo üblich sind. Selbige sind, wie sie Aventinus und Lehmann Chr. Spirens. Lib. II. c. 45 aus dem Eginhard Vita Carol. M. anführen, folgende, und haben mit den Römischen diese Vergleichung:

1. Winter-Monat, Januarius.
2. Hornung, Februarius.
3. Lentz-Monat.
4. Oster-Monat, Blumen-Monath, Aprilis.
5. Wunne-Monat, Majus.
6. Brach-Monat, Junius.
7. Heu-Monat, Julius.
8. Ernd-Monat, Aran-Monat, Augustus.
9. Herbst-Monat, Weyde-Monat, September.
10. Wein-Monat, Wintru-Monat, October.
11. Wind-Monat, November.
12. Heiligen-Monat, Christ-Monat, December.

Diese angeführte Namen soll Kayser Carl der Grosse nach dem Zeugnisse des Eginhards zuerst erfunden haben.
» (Zedler, Bd. 21, Sp. 1036)

Wofür dieser Karl der Grosse alles herhalten muss. Und dann behaupten die Vertreter der Phantomzeit-Theorie auch noch, er sei bloss Karl der Fiktive. Er selber, seine Taten und die Ereignisse in den Jahrhunderten um ihn herum, das sei alles bloss erfunden.

Die Monatsnamen hingegen gibt's unbestrittenermassen - und nur bezüglich der Zuordnung des Wintermonats sind sich der Zedler und Bluntschlis Memorabilia nicht einig.

Was das mit Weiach zu tun hat? Nun, die alten Namen (und zwar die nach Bluntschli) waren in bäuerlicher Umgebung noch bis in die 1960er-Jahre hinein im aktiven Wortschatz vertreten.

Auch Walter Zollinger spricht in seinen Jahreschroniken über die Gemeinde Weiach (die 1952 bis 1967 betreffen) zuweilen vom Horner, wenn er den Februar meint.

Quellen
  • Bluntschli, J.H.: Memorabilia Tigurina, oder Merckwürdigkeiten Der Stadt und Landschafft Zürich ... Samt einem Geschlechter-, Burgerlichen Dienst- und Aemter-Büchlein. Zweite Ausgabe, Zürich 1711.
  • Zedler, Grosses Universallexikon, Leipzig 1732-1754.
  • Wahrig, G.: Deutsches Wörterbuch. 7. Auflage; Gütersloh/München 2001.
[Veröffentlicht am 30.5.2007]

Mittwoch, 16. Mai 2007

Kolumbus-Premiere auf dem Dorfe

Wenn ein kleines Dorf die Chance hat, positive Schlagzeilen zu machen, dann muss es sie nutzen, sagte sich der Gemeinderat Weiach. Und zog einen kapitalen Hecht an Land: die Premiere einer Theateraufführung.

Am Vorabend des Auffahrtstags 2007, gastierte das Theater Kanton Zürich mit dem Stück «Kolumbus oder Die Entdeckung Amerikas» mitten im Dorf Weiach.

Hundert Sitzplätze für die Einheimischen

Das Ereignis wurde in den Mitteilungen gebührend angekündigt (siehe Bild unten), die Dorfvereine rüsteten sich für den Ansturm der Gäste und die Gemeindeverwaltung diente als Vorverkaufsstelle für immerhin 100 der 160 verfügbaren Sitzplätze.

Sie kosteten nur 15 Franken, was auch für Familien mit kleinem Budget noch erschwinglich ist. Das grössere Problem war für einige Interessenten allerdings, dass sie keine Platzkarten reservieren konnten und sie persönlich auf der Gemeindekanzlei abholen mussten.

Und so sah dann am 16. Mai, dem Tag der Aufführung, die Website des Theaters aus:

Auf einmal Weiach folgt dreimal Winterthur

Der Spielplan zeigt, dass auf die Weiacher Premiere gleich drei Aufführungen mitten in der Stadt Winterthur folgen. Das entbehrt nicht der Logik, ist doch das Theater in der Eulachmetropole zuhause.

Auch dass überall das Logo der Zürcher Kantonalbank prangt ist kein Zufall. Sie ist neben dem Kanton Zürich, der die Hälfte des Jahresbudgets von gut 3 Millionen Franken bestreitet, mit 180'000 Franken und etlichen Nebenleistungen der Hauptsponsor.

Angereist waren das Ensemble und seine Techniker mit einem Lastwagen samt Anhänger, sowie einem weiteren Transportfahrzeug. Hier der Lastwagen auf dem unteren Schulhausplatz.

Leider keine Freilichtaufführung

Auf dem Schulhausplatz zwischen Altem Schulhaus, dem neuen Schulgebäude und dem Mehrzweckgebäude hätte die in den Programmen angekündigte Freilichtaufführung eigentlich stattfinden sollen.

Aber da der Mai und der April dieses Jahr die Plätze getauscht haben, war eine Aufführung unter freiem Himmel eine zu heikle Angelegenheit. Schon am Montag stand fest, dass man sich in der Turnhalle einrichten würde.

So sah es am Nachmittag in der Turnhalle aus. Die Arena, welche sonst draussen aufgebaut worden wäre, stand nun halt in der Halle drin. Eine ganz neue Raumerfahrung.
Das aus dunklen Holzlatten gezimmerte Bühnenbild (das Schiff des Kolumbus darstellend) musste eigens auseinandergeschraubt werden, weil es nirgends eine Türe gab, die gross genug gewesen wäre um es in einem Stück in die Halle zu bringen.
Das waren die sechs Schauspieler, die zusammen achtzehn Figuren verkörperten und sich in noch mehr verschiedene Kostüme stürzten.
Einen Teil davon konnte man sehen, wenn man hinter dem Vorhang durch in die Geräteräume der Turnhalle schlüpfte. Dieser war zum Umkleide- und Requisitenraum umfunktioniert worden:
Im Gemeindesaal unter der Turnhalle bereiteten sich derweil die Dorfvereine darauf vor, die gegen 200 Gäste des Abends mit Speis und Trank zu versorgen:
Die Pfadi Weiach organisierte einen Kinderbetreuungsdienst, untergebracht in einem der Zimmer des Alten Schulhauses von 1836.
Der Countdown läuft
Um 20 Uhr waren die letzten Gäste eingetroffen und liessen sich im Foyer der Turnhalle Lachsbrötchen, Schämpis und Orangensaft schmecken, die von der Männerriege und dem FORUM Weiach verkauft wurden.
Von der Aufführung nur so viel: Die Premierengäste waren zufrieden und auch die Lacher bei besonderen Pointen kamen von Herzen.
Dass es ziemlich heiss war in der Halle, fiel so weniger auf. Nur meine Kamera (oder der Operator) war mit den etwas spärlichen Lichtverhältnissen offensichtlich überfordert, hier kurz nach der Pause vor dem zweiten Teil:
Starke Netzbelastung wegen Oberschwingungen
Die elektrischen Installationen liefen jedenfalls nach Auskunft von Gemeinderat Ernst Eberle (der eine Elektro-Firma führt) voll am Limit dessen was überhaupt möglich war. Gegen 100 Ampère zogen die vielen Scheinwerfer aus der Leitung. Ein besonderes Problem stellt die neue computergesteuerte Licht-Technik dar. Weil die Sinuskurven des Stroms gekappt und die Leistung nicht mehr an den Widerständen der Regler verbraten wird, stören Oberschwingungen das Netz im ganzen Dorf. Etliche Schaltvorgänge dürften wohl nicht ganz ordnungsgemäss verlaufen sind an diesem Abend - und wenn man den 12-KW-Boiler unter der Halle nicht abgeschaltet hätte, dann wären die Premierenbesucher plötzlich im Dunklen gesessen.
Aber dafür hat man ja die Experten. Dass sich auch Mütter und Väter kleinerer Kinder bedenkenlos dem Theatergenuss hingeben konnten, verdanken sie dem Pfadileiter Gufae (hier liegend mit rotem Hemd).
Der Lastwagen wartete immer noch bei der Postautohaltestelle und war so ein guter Blickfang direkt an der Hauptstrasse.
In der Küche des Gemeindesaals wurde eifrig abgewaschen und -getrocknet. Und dass dies nicht nur Frauensache ist, beweist dieses Foto (die Frauen wollten partout nicht aufs Bild):
Bar-Betrieb by Halbrännärs
Auch die jungen Erwachsenen beteiligten sich am Festbetrieb. Die Halbrännärs, eine Clique festfreudiger junger Männer, die vor allem aus Weiachern besteht, stellte ihre Bar-Einrichtung zur Verfügung und betrieb sie auch. Dass daneben etwas Werbung in eigener Sache gemacht wurde, versteht sich von selbst:
Bald geschafft...
Nach 70 Minuten vor und 50 Minuten nach der Pause warten hier zwei Mitglieder des Ensembles auf einen ihrer letzten Auftritte des Premierenabends:
Wer sich nun noch für den Inhalt des Stücks nach Jura Soyfer und weitere Details interessiert, dem sei die Website des Theater Kanton Zürich empfohlen, wo man auch Informationen über die weiteren Spielorte findet.

Medienecho: positiv
Von positiven Schlagzeilen war zu Beginn die Rede. Die gibt es auch, wie ein Blick in die regionale Medienlandschaft zeigt:
  • Hemmel, I.: Laue Nächte auf hoher See. In: Züritipp, 15. Mai 2007. (Vorschau des Tages-Anzeigers mit jeweils aktueller Angabe der nächsten Aufführung)
  • Brunner, K.: Christoph Kolumbus am Rhein. Weiach – Premiere des neuen Stücks des Theaters Kanton Zürich in der Turnhalle. In: Zürcher Unterländer, 18. Mai 2007.
  • Baur, L.: Politische Satire heiter inszeniert. Theater Kanton Zürich. Premiere von «Kolumbus oder Die Entdeckung Amerikas». In: Zürcher Oberländer, 18. Mai 2007. Gleichentags unter demselben Titel erschienen in: Zürichsee-Zeitung.
  • Der Erste ist immer zuletzt der Dumme und Ein Schiff wird bald kommen. In: Der Landbote, 18. Mai 2007.

[Veröffentlicht am 19. Mai 2007]

Dienstag, 15. Mai 2007

Grünabfuhr by Chübel-Chläusli

Für einmal ein heute geschossenes Bild ohne grosse Worte. Die Grünabfuhr wird durch ein Glattfelder Unternehmen besorgt, die Firma Kläusli aus Aarüti, für die ein früher hier wohnhafter Chauffeur den unten abgebildeten Lastwagen fährt.

Die Grüntour kommt jeden Dienstag von März bis November, wie man Weiacher Abfallkalender 2007 auf der jeweils letzten Seite der «MGW» entnehmen kann.

Am Mittwoch fährt dieselbe Crew (mit Verstärkung durch einen weiteren Kübelmann) die Kehrichttour. Einsammeln der gebührenpflichtigen Säcke in Weiach und Abliefern in der KVA Hagenholz, nahe dem Autobahndreieck Aubrugg in Zürich-Nord.

[Veröffentlicht am 18.5.2007]

Montag, 14. Mai 2007

Öffentliche Ausschreibung der Pfarrstelle? Ist erfolgt!

Seit dem 1. Juli 2006 ist die Pfarrstelle Weiach vakant, ohne gewählten Pfarrer. Früher hätte man das «erledigt» genannt - wohl weil der Pfarrer häufig bis zu seinem Tode im Amt blieb.

Im Vorfeld der Pfarrwahl, die am 17. Juni stattfinden soll, gab es ja bekanntlich anlässlich einer ausserordentlichen Kirchgemeindeversammlung am 1. April nach dem Gottesdienst in der Kirche zu Weiach ein Scharmützel um die Art der Kandidatenfindung (vgl. WeiachBlog vom 2. April 2007: Spannende Kirchgemeindeversammlung am Palmsonntag).

Fundstelle Notabene

Kritisiert wurde u.a., die Stelle sei nicht ausgeschrieben worden. Das wies die Kirchenpflege zurück. Zu Recht. Denn wenn man in den letztjährigen Ausgaben von «Notabene. Notizen aus der Zürcher Landeskirche» blättert, dann findet man bereits in der April-Nummer (S. 26) die Pfarrstelle Weiach als offen deklariert.

Das zieht sich dann durch alle weiteren Nummern durch. In der Dezembernummer steht Weiach weiterhin pfarrerlos da - auch im Notabene. Über unseren früheren Pfarrer, Markus Saxer, wird in derselben Nummer unter dem Titel Pfarrwahlen gemeldet, dass er nun für die Kirchgemeinde Zürich-Altstetten arbeitet - von dieser gewählt am 10. August 2006 (vgl. Bild):

Nun ist das natürlich kein Inserat bei Alpha oder einer Tageszeitung. Es ist aber wohl auch nicht nötig dort eins zu platzieren. Stellensuchende Pfarrerinnen und Pfarrer werden wohl wissen, dass sie genau hier suchen müssen.

Und wenn man sich die lange Liste anschaut, dann kann man sich in etwa vorstellen, dass Weiach (mit lediglich einer 70%-Stelle dotiert, daher die Bemerkung «zusätzliche Funktion 30%») gegen das traditionell besser gestellte Glattfelden oder gar gegen Eglisau nicht gerade die besten Karten hat. Von näher bei Stadtzentren gelegenen Pfarreien ganz zu schweigen.

Da würde wohl auch ein Inserat nicht viel nützen.

[Veröffentlicht am 18.5.2007]

Sonntag, 13. Mai 2007

Weiacher Patt bei den Sekundarschulwahlen 1882

Ende April 1882 kündigte der Sekundarschulkreis Stadel offiziell Neuwahlen an. In der zweimal wöchentlich – am Mittwoch und am Samstag – erscheinenden Regionalzeitung «Bülach-Dielsdorfer Volksfreund» (heute Neues Bülacher Tagblatt) wurden gleichzeitig auch die Namen derjenigen Mitglieder veröffentlicht, die sich erneut der Wahl stellten. Als Bisheriger wurde u.a. «Herr Baumgartner, alt Gemeindammann, in Weiach» genannt.

Bisheriger verpasst das absolute Mehr

Heute, am 13. Mai vor 125 Jahren, folgte im «Volksfreund» das Ergebnis dieser Wahlen. Und zwar mit folgender Rechnung:

«Wahlergebnis vom 7. Mai:

A. Erneuerungswahl von 7 Mitgliedern der Sekundarschulpflege.
Stimmberechtigte: 737, abgegebene Stimmzeddel 652 x 7 = 4564
Leere Stimmen 1604
Maßgebende Stimmenzahl 2960
Absolutes Mehr: 213

Gewählt sind: Stimm.
1. Hr. Bezirksrath Gaßmann in Riedt 403
2. Hr. Präsident Meier in Neerach 391
3. Hr. Bierbrauer Albrecht in Stadel 379
4. Hr. Gemeinda. Beereuter i. Windlach 342
5. Hr. Lieut. Meier in Thal-Bachs 267
6. Hr. Präsident Hauser in Stadel 220

Ferner erhielten Stimmen:
Hr. a. Gemeinda. Baumgartner i. Weiach 184
Hr. Pfarrer Dr. Egli in Bachs 182
Hr. Kantonsrath Hauser in Stadel 179
Hr. Lehrer Moser in Weiach 133
Hr. Bezirksrichter Grießer in Weiach 22
Hr. Pfarrer Kirchhofer in Stadel 18

Vereinzelt 169
Ungültig 71
Gleich den maßgebenden Stimmen 2960
»

Unter Punkt B wird schliesslich vermeldet, Gassmann sei als Präsident gewählt.

Kein Hiesiger in der Sekundarschulpflege?

Wie man sieht hatte kein einziger Weiacher den Sprung in die Pflege geschafft. Und warum? Weil der bisherige Vertreter unserer Gemeinde, alt Gemeindammann Baumgartner offenbar einige Feinde hatte, die lieber dem Lehrer Moser oder gar dem Bezirksrichter Griesser die Stimme gaben. Die 22 Stimmen des Letzteren sind ein Hinweis darauf, dass er wohl gar nicht kandidiert hatte.

Man kann sich vorstellen, wie jetzt hinter den Kulissen das Seilziehen losging. Denn schliesslich ging es nun darum, in der kommenden Wahl die Stimmen aller anderen Dörfer auf den Richtigen zu vereinigen – und das sollte dann schon ein Weiacher sein. Und nicht ein zweiter Bachser. Pfarrer Egli hatte Baumgartner ja um ein Haar geschlagen und das absolute Mehr lediglich um nicht einmal 25 Stimmen verpasst.

Der zweite Wahlgang stand schon sehr bald ins Haus, wie man ebenfalls der amtlichen Publikation im «Volksfreund» vom 13. Mai 1882 entnehmen kann:

«Es ist somit die Wahl eines Mitgliedes der Sekundarschulpflege noch ausstehend. Diese Wahl findet Sonntag den 21 Mai statt. Die Zusammenstellung des Wahlergebnisses geschieht am gleichen Tage Abends 4 Uhr in der Post in Stadel.
Stadel, 10. Mai 1882.
Die Kreisvorsteherschaft.
»

Die neugewählten Sekundarschulpfleger mischen sich ein

Sehr interessant ist die Reaktion der soeben Gewählten: Am Tag vor der Wahl, dem Samstag, 20. Mai 1882, liessen sie im «Volksfreund» folgendes Inserat erscheinen:

«Sekundarschulpflege Stadel.
Als Sekundarschulpfleger schlagen wir vor:
Herrn Lehrer Moser in Weiach,
eine Persönlichkeit, die der ganzen Pflege sehr wohl ansteht.
»

Mit anderen Worten: der bisherige Amtskollege, alt Gemeindammann Baumgartner, war den bereits Gewählten nicht genehm! Sie bevorzugten den Sprengkandidaten.

Ob dieses Inserat den Ausschlag gab, ist nicht bekannt, denn in späteren Ausgaben des «Volksfreund» habe ich keine Publikation der Ergebnisse des zweiten Wahlganges gefunden.

Dafür wird in der 1936 erschienenen Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der Sekundarschule Stadel eine Amtsdauer von 1882-1888 notiert – für Lehrer Moser in Weiach.

Quellen

  • Bülach-Dielsdorfer Volksfreund, Nr. 34; Samstag, 29. April 1882
  • Bülach-Dielsdorfer Volksfreund, Nr. 38; Samstag, 13. Mai 1882
  • Bülach-Dielsdorfer Volksfreund, Nr. 40, Samstag, 20. Mai 1882
  • Moor, F.: Hundert Jahre Sekundarschule Stadel 1836-1936. Festschrift im Auftrage der Schulpflege. Dielsdorf, Oktober 1936 – S. 26.

[Veröffentlicht am 18.5.2007]

Samstag, 12. Mai 2007

Der leibhaftige Böse in Hasengestalt

Vor etwa sechs Jahren sind in der Reihe Weiacher Geschichte(n) drei Folgen über Hexenprozesse erschienen, in die Weiacherinnen verwickelt waren.

Zitiert wurde dabei aus dem 1996 publizierten Rechtsquellen-Band über das Neuamt (s. ganz unten), in dem gleich der erste dem Stichwort Weiach zugeordnete Quellenkomplex die Hexenverfolgungen betrifft.

Gang für dich und segnen dich, es jst nit gůts

Aus dem 1539 niedergeschriebenen Geständnis der Elsa Keller, genannt Schlotter Elsi, ist in Weiacher Geschichte(n) Nr. 22 der erste Teil abgedruckt.

Hier bringen wir den zweiten Teil, in dem sie über ihre Begegnung mit einem Hasen berichtet. Protagonisten sind Elsi, ihr Mann Mathys und der Teufel:

«Jtem me hett sy veriechen [gestanden], wie sy mit dem vech uß dem Stocky syge gfaren um den mitten tag, do lege ein haß in studen. Do schlueg sy mit der růtten uff jn, do wött er nit fliechen, do růffte sy jrem Mathysen. Do rette er: "Gang für dich und segnen dich, es jst nit gůts." Das thett sy.»

«Jtem dem nach morndrigs fueren sy mit dem vech jn Francken Halden, do lege aber ein grossen hasen im acker. Do schrüwe sy: Zů hurß, zů hurß." Do rette jr man: "Schwyg, ich wil in ze tod werffen." Und wurffe also drüy mal jn jn, das es er butschty. Do rette er zů jren: "Elsy, far für, es jst der libhafft tüifel, das unns nüt gscheche und segnen dich." Dem nach, am dritten tag dar nach, do sy in Francken Halden aber gfaren syg, do syge der böß ennit dem hag gstanden, wie er den vor by jren jn der Rüty gsin syg unnd habe ein bengel jn henden ghept und zů jren gredt: „Das dich gotz küry schend, warumb hest mich lassen also werffen. Jch bin in hasen wyß da glegen." Da hab sy sich gsegnet und syge für gfaren.»

Lebendiges magisches Denken

Arme Hasen. Hätten sie die Flucht ergriffen, dann wären sie nicht mit dem Teufel verwechselt worden.

Aus dem ersten Teil des Verhörprotokolls geht hervor, dass der Teufel ihr nachstellte, weil Elsi sich ihm einmal sexuell hingegeben habe, um die von ihm versprochenen übernatürlichen Kräfte zu erlangen.

Auch die beginnende Reformation konnte die Leute offensichtlich nicht davon abhalten, felsenfest an magische Vorgänge und den Leibhaftigen zu glauben. Ob Schlotter Elsi wirklich geistig verwirrt war und nach heutigen Kriterien in psychiatrische Behandlung käme (wie in den Weiacher Geschichten Nr. 22 behauptet), ist nicht eindeutig festzustellen. Aber wie man sieht, war auch Elsis Mann und wohl etliche weitere Dorfbewohner voll und ganz von der Existenz des Teufels überzeugt. Und sie wussten auch, dass dieser in Hasengestalt auftreten könne.

Wo der Teufel damals anzutreffen war

Wie nahe der Teufel dem Dorf kam, sieht man auf dem untenstehenden Ausschnitt aus dem Flurnamenplan 1958 (StAZH O 471 c):

Die Orte, an die Elsi mit dem Vieh gezogen war, liegen westlich des Dorfes (links auf der Karte). Der Stocki (Nr. 69) ist ein sanft ansteigendes Waldgebiet auf dem Plateau, die Frankenhalde (Nr. 66) bildet den östlichen Abschluss der Schotterebene des Hasli gegen das Dorf und die leicht tiefer liegende Ebenen, z.B. des Hard.

Man darf annehmen, dass diese beiden Flurnamen im Lauf der Jahrhunderte nicht allzu stark gewandert sind. Wo allerdings 1539 die «Rüty» war, ist nicht bekannt. Das ist auch nicht verwunderlich. Denn «Rüti» ist ein sehr häufiger Flurname und bedeutet ein Stück Ackerland, von dem man wusste dass es noch nicht allzu lang her war seit seiner Rodung. Nach einigen Jahren verschwinden solche Namen oft von selber wieder, indem sie von neuen Bezeichnungen überlagert und von diesen verdrängt werden.

Quellen und weiterführende Artikel
  • Weibel, Th.: Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil. Rechte der Landschaft. Erster Band. Das Neuamt. Aarau 1996 - S. 382. [Nr. 176a Weiach. Hexenverfolgungen. Vollständig abgedruckt in: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, April 1997 – S. 10-12.].
  • Wie an und für sich normale Frauen zu Hexen wurden. Hexenverfolgungen (Teil 1). Weiacher Geschichte(n) 18. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Mai 2001 – S. 17-18.
  • Das Geständnis der Elsa Keller, genannt Schlotter Elsi. Hexenverfolgungen. Weiacher Geschichte(n) 22. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, September 2001 – S. 11.
  • «Nit glaßluter, sonnder gar ful» – ist das eine Hexe? Hexenverfolgungen (Teil 3). Weiacher Geschichte(n) 23. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Oktober 2001 – S. 10.

[Veröffentlicht am 17.5.2007]

Freitag, 11. Mai 2007

Ein alter NZZ-Artikel unter der Lupe

Der nachfolgende Beitrag basiert auf einem kurzen Artikel in der NZZ vom 15. Oktober 1971. Er ist etwas lang geraten und zeigt, wie schwierig es ist, in einer Zeitung aufgrund von ein paar wenigen Informationen ein Thema abzuhandeln.

Fehlinterpretationen wie sie unten seziert werden, sind nicht primär mangelnder Sorgfalt des Journalisten geschuldet. Sie erwachsen häufig auch aus zuwenig präziser Formulierung eines Sachverhalts durch den Ortshistoriker. Auf dessen Arbeiten muss sich der Journalist infolge Zeitmangels ja notwendig stützen.

Wenn nun also eine Fülle von Kritikpunkten folgt, dann ist das auch eine Kritik pro domo.

Baujahr 1381: Fehlanzeige

Im Beitrag vom 7. Mai habe ich u.a. geschrieben, es sei nun klarer, woher der NZZ-Journalist Höber «seine story mit der 1381 im Oberdorf erbauten Kirche hatte». Er habe sie sich «wohl nach dem 1. August-Vortrag von Walter Zollinger so zurechtgelegt».

Es ist wahrscheinlich schon so, dass Höber nicht vor, sondern nach dem 1. August auf diese Idee gekommen ist. Auslöser für den Irrtum mit dem Baujahr 1381 muss aber nicht unbedingt Zollingers Vortrag gewesen sein. So eine Rede ist ja im Nu vorbei und Details entgehen einem da leicht – es sei denn man hätte ein Tonbandgerät (wer hat Zeit, das alles abzuhören?) oder könnte stenographieren wie der Teufel.

Inspiration Ausstellung im Ortsmuseum

Die Quelle dürfte dennoch eindeutig bei Zollinger oder mindestens in dessen Umfeld liegen, d.h. in diesem Fall bei der Ortsmuseums-Kommission. Im September 1971 fand im Ortsmuseum Weiach nämlich eine Ausstellung zum Thema «700 Jahre Weiach» statt – darauf wies der Referent am Schluss seines Vortrages hin.

Höber verfasste für den Zürichbieter einen Artikel mit demselben Titel «700 Jahre Weiach» und dem Untertitel «Eine interessante Sonderausstellung im Ortsmuseum». Der Artikel in der NZZ vom 15. Oktober 1971 ist «nur» die Zweitverwertung.

Schon im ausführlichen Artikel im Zürichbieter vom 18. September 1971 steht genau derselbe Satz wie später in der NZZ: «das Dorf hatte aber bereits früher ein Gotteshaus besessen, das im Jahr 1381 im Oberdorf erstellt wurde.», was ein Irrtum ist – wie am 7. Mai beschrieben.

«Erste Nennung» ist nur «älteste noch erhaltene schriftliche Fundstelle»

Nachfolgend der vollständige Text aus der NZZ mit zwischengeschalteten Kommentaren – wo dies zur Erläuterung und Kommentierung unumgänglich ist:

«hhö. Die Begebenheit, daß der Name des Unterländer Bauerndorfes Weiach vor 700 Jahren erstmals urkundlich erwähnt wurde, hat der Ortsmuseums-Kommission Gelegenheit gegeben, die heurige Wechselausstellung unter das Motto «700 Jahre Weiach» zu stellen. Die Schau vermittelte eine Vielfalt von geschichtlichen Dokumenten und Urkunden, die in übersichtlicher Weise präsentiert wurden. Einige Aufzeichnungen waren dem Entstehen des Ortsnamens gewidmet, der wahrscheinlich von der gallorömischen Bezeichnung «fundus wiakos» abgeleitet wurde, was nichts anderes als Hof des Wius' bedeutet.»

Die von vielen Ortshistorikern verwendete Formel «erstmals urkundlich erwähnt» ist leider ziemlich unpräzis. Denn bei jeder Erstnennung handelt es sich ja lediglich um die älteste noch vorhandene schriftliche Erwähnung eines Ortsnamens. Wenn dann runde Geburtstage gefeiert werden, kann rasch der falsche Eindruck entstehen, der Name (oder gar der Ort) sei 800, 1000 oder wieviele Jahre auch immer alt. In Realität liegt man mit solchen Altersschätzungen aber fast immer massiv zu tief. Das «erstmals» ist also mit grösster Vorsicht zu geniessen.

1271: Wer hat wem verkauft?

Ebensolche Vorsicht muss man walten lassen, wenn es um die Frage geht, ob es sich bei dieser Erstnennung überhaupt um eine Urkunde gehandelt hat.

Die früheste erhaltene Erwähnung eines Wiâch, bei der man davon ausgehen kann, dass es sich um das heutige Weiach handelt, ist in einem Einnahmen­verzeichnis der Fraumünsterabtei in Zürich zu finden. Zwischen vielen weiteren Einträ­gen ist in dem von 1265 bis 1287 erstellten Perga­ment­dokument eine Eigen­tumsübertragung und die zum Grundstück gehörende Zinsverpflichtung notiert:

«Iohannes dictus Brotpeko de Cheiserstůl I den. de bonis suis in Wiâch, que comparavit a Ia. dicto Gêbi.» (StAZH C II 2, Nr. 79 e; veröffentlicht in: Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, Band IV – S. 165; Nr. 1459)

Zu Deutsch: «Johan­nes, ge­nannt Brotbeck von Cheiserstuol, [zahlt] 1 Denar für seine Güter in Wiach, die er von Jacobus genannt Gebi erworben hat».

Dieser Ein­trag ist zwar undatiert, steht aber zwischen zwei auf Februar 1271 datierten. Ein Rudolf Gebi kommt ausser­dem am 7. März 1271 vor, ein «Iacobus dictus Gêbi» im Anniversar (Jahrzeitbuch) der Propstei zum 8. Okto­ber.

[Hinweis vom 20. April 2017: Bei vorstehendem Abschnitt handelt es sich um eine Paraphrase der Fussnote 6 zum oben zitierten Eintrag aus Bd. IV, S. 165. Die Fussnote 6 lautet im Original: «Dieser Eintrag ist zwar undatiert, steht aber zwischen den beiden vom Februar 1271 datierten. Ein Rudolf Gebi kommt am 7. März 1271 vor, unten nr. 1461, ein «Iacobus dictus Gêbi» im Anniversar der Propstei zum 8. October.»]

Zollinger hat den Satz irr­tüm­lich so verstanden, dass Johannes der Bäcker an Gêbi ver­kauft habe. Die Transaktion verlief aller­dings genau umgekehrt, was sich einerseits aus der Bedeutung der Wortkombination «comparavit a» (hat gekauft von) ergibt und andererseits daraus, dass Johannes dem Kloster wohl kaum für etwas Verkauftes regelmässig hätte Zins zahlen müssen – das ist die Pflicht desjenigen der das Land tatsächlich in Besitz hat.

In der Folge hat natürlich auch Höber im Zürichbieter und später in der NZZ die Sache verfälscht wiedergegeben: Die Urkunde (d.h. das Original des Kaufvertrags) gibt es ziemlich sicher nicht mehr (nur noch den Eintrag im Zinsverzeichnis der Abtei) und der Verkauf war eigentlich ein Kauf. Entsprechend muss man den ersten Satz im folgenden Verlauf des NZZ-Artikels verstehen:

Beweise für das Vormittelalter?

«Der Name Weiach wurde erstmals im Jahre 1271 in einer Urkunde erwähnt. Es handelte sich um einen Güterverkauf eines Kaiserstuhlers. Verschiedene Fachleute sind sich jedoch einig, daß das Dörfchen Weiach schon im Vormittelalter bestanden hatte. Ein wichtiger Zeuge der Vergangenheit ist der Fund eines Steinbeils, das im Landesmuseum ausgestellt ist.»

Spannend wäre es zu erfahren, aus welchen Indizien die erwähnten Fachleute auf ein Bestehen schon im «Vormittelalter» schliessen (gemeint ist wohl das Frühmittelalter). Die früheste archäologisch nachgewiesene Siedlungsspur am heutigen Standort des Dorfkerns datiert nämlich – wie der oben erwähnte Eintrag in einem Einnahmenverzeichnis der Fraumünsterabtei – auf das 13. Jahrhundert. (vgl. Weiacher Geschichten Nr. 38 und Nr. 51).

Frühere Siedlungsspuren liegen – soweit bekannt – alle draussen in der Schotterebene gegen den Rhein, also ausserhalb des heutigen Siedlungsgebiets. Das steinzeitliche Beil wurde im Hard gefunden und kann einem der Bauern gehört haben, die in Winkelwiesen siedelten (Ausgrabungen der Kantonsarchäologie Zürich von 2001). Diese Flur lag damals am Rand des kleinen Sumpfgebiets, das vor der Tieferlegung von den beiden Dorfbächen gebildet wurde. (vgl. Weiacher Geschichten Nr. 51).

Ein Hörnli genannt Wörndel

«Anhand der Dokumentationen erfuhr man von der helvetischen Fluchtburg auf dem bewaldeten Hörnli, die schon vor etwa 200 bis 100 v. Chr. als Refugium diente. Sie ist noch heute als solche zu erkennen; sie befindet sich an einer schwer zugänglichen Stelle. Auf Weiacher Boden sind auch Ueberreste eines spätrömischen Wachtturms zu finden, der aus der Zeit 364 bis 375 n. Chr. stammen dürfte.»

Dass der Leuenchopf oder Wörndel «Hörnli» heisse, habe ich hier zum ersten Mal überhaupt gelesen. Ein Irrtum Höbers ist nicht ausgeschlossen – es gibt ja auch den gleichnamigen, viel höheren Berg im Zürcher Oberland. Was die Datierung der erwähnten Wallanlagen betrifft, so ist die Zuordnung zu den Helvetiern nicht zweifelsfrei möglich (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 76 und Nr. 77. Nicht erwähnt wird von Höber die westlicher gelegene Wallanlage im Ebnet.

Bei den Wachttürmen dasselbe Bild. Nur die besser erhaltene Anlage im Hard ist erwähnt. Deren Fundamente wurden Ende der 1960er-Jahre konserviert und können auch heute noch besichtigt werden. Weniger bekannt ist der zweite Wachtturm auf Gemeindegebiet. Er liegt nahe Leebern, östlich oberhalb des Grabens, durch den die vereinigten Dorfbäche den Rhein erreichen.

Französische Revolution ist nicht gleich Zusammenbruch des Ancien Regime

«Vor 1313 lag die Gerichtsbarkeit des Ortes in den Händen des Hauses Habsburg-Laufenburg; dann kamen die Grafen von Kyburg zum Zuge, und bereits ab 1424 zeichnete die Stadt Zürich als Gerichtsstand verantwortlich. Ab dem Jahr 1442 war das Dorf bis zur Französischen Revolution der neugegründeten Obervogtei Neuampt zugeteilt.»

Auch hier ist wieder eine Begriffsunschärfe festzustellen. Die Französische Revolution von 1789 war zwar letztlich der Auslöser der Umwälzungen hierzulande. Sie ist aber nicht identisch mit dem Zusammenbruch des Ancien Régime in der Schweiz im Frühjahr 1798.

Die übrigen Zeitangaben zur Gerichtsbarkeit können nach meinem derzeitigen Wissensstand stimmen. Aber nur die Zeitangaben. Denn von der hohen Gerichtsbarkeit direkt auf das heutige Wort «Gerichtsstand» zu kommen, ist mehr als nur unsauber. Es ist geradezu irreführend. Denn Gericht gehalten wurde nicht in Zürich, sondern in der Regel in Weiach selber. Nur bei schweren Verbrechen sowie in Appellationsverfahren konnten Gerichte in der Stadt Zürich zum Zug kommen. Und auch dann gab es immer noch ein Kompetenzgerangel mit dem Fürstbistum Konstanz, das als Niedergerichtsherr ebenfalls Rechte beanspruchte. Verhaftungen wurden meist durch Bediente des fürstbischöflichen Obervogts zu Kaiserstuhl vorgenommen und anschliessend ermittelt, ob das Vergehen in die Kompetenz Zürichs oder des Fürstbischofs falle.

Französische Wirren = Zweiter Koalitionskrieg

«Während der französischen Wirren hatten die Einheimischen schwer unter den fremden Truppen zu leiden; auch die Flure und Waldungen erlitten größere Schäden. Bis zum Jahr 1814 war das Dorf dem Distrikt Bülach zugeteilt, ab 1814 dem Oberamt und etwas später dem Bezirk Regensberg.»

Mit den französischen Wirren ist natürlich der Zweite Koalitionskrieg gemeint, der von den Kontrahenten auch auf Schweizer Gebiet ausgetragen wurde. Die übrigen Angaben sind soweit korrekt. Erwähnenswert ist noch, dass der Bezirk Regensberg im Jahre 1871 als Folge der Verlegung des Hauptorts ins Tal nach Dielsdorf auf den heutigen Namen (Bezirk Dielsdorf) umbenannt wurde.

So früh kann es die Reformation nicht gegeben haben

«Kirchlich gehörte Weiach bis zum Jahre 1370 zum katholischen Dekanat Hohentengen. Im Jahr 1520 faßte die Reformation Fuß, und 71 Jahre später erhob man das Dorf zur eigenen Pfarrei. Der Bau der heutigen Kirche fällt in das Jahr 1706; das Dorf hatte aber bereits früher ein Gotteshaus besessen, das 1381 im Oberdorf erstellt wurde. Wertvolle Urkunden von Pfarrer Johann Rudolf Erny (1659) geben über die alte Kirche im Oberdorf reichlich Aufschluß.»

Dass Weiach seit alters her kirchlich zur Marienkirche in Hohentengen gehört hat, ist unbestritten. Das Dekanat wurde jeweils nach dem Sitz des Dekans benannt und hiess daher ab und zu auch anders, z.B. Dekanat Neunkirch.

Was ich nicht ganz begreife ist, aus welchen Gründen das Gebiet von Weiach (als Teil der Pfarrei Hohentengen) schon um 1370 das Dekanat gewechselt haben soll. Normalerweise waren solche Dekanatsgrenzen über Jahrhunderte hinweg denkbar stabil. Ohne Notwendigkeit wurde da seitens der Bistümer nichts geändert.

Bisher habe ich jedenfalls keinen Quellen-Beleg gefunden, der einen (auch nur teilweisen) Wechsel zum Dekanat Regensberg plausibel machen würde. Sicher erklärbar wird er erst durch die Ablösung im Zuge der Reformation.

Ebenfalls etwas quer in der Landschaft liegt die Datierung der Reformation auf 1520. So früh hat nicht einmal Zwingli selber an eine Umgestaltung der Kirche in der Art gedacht, wie sie dann ab 1522 umgesetzt wurde. Die Datierung auf 1520 ist wohl auf einen Eintrag im Zürcher Pfarrerbuch 1519-1952 (S. 100ff) zurückzuführen, wo die Ernennung eines Pfarrers auf diesen frühen Zeitpunkt erwähnt wird:

«Ländi (Lendin), Niklaus, von Lunkhofen, Aarg. (+1552). Schon vor der Reformation Kaplan der St. Mauritiusgruft am Grossmünster, 1520-1522 Pfr. in Weiach, […]»

Was die Stellung von Ländi in Weiach betrifft, kann man nur spekulieren. Mehr als eine Kaplansstelle dürfte das nicht gewesen sein, denn finanziert wurde dieser «Pfarrer» ziemlich sicher aus den Pfrundgütern, die noch zur Marienkirche in Hohentengen gehörten. Da dürfte es ein Abhängigkeitsverhältnis vom Inhaber der Pfarrei gegeben haben. Ebenfalls unklar ist, ob Ländi wirklich in Weiach wohnhaft war. Bequemer (und deshalb wesentlich wahrscheinlicher) wäre als Wohnort das Städtchen Kaiserstuhl, von wo man zu Fuss in nur 15-20 Minuten in Weiach ist.

Interessant: Anzahl Landwirte um 1971

«Im Jahre 1855 waren in Weiach 752 Einwohner beheimatet; heute sind es knapp 700. Zählte man 1926 noch 96 Bauern, die 350 Stück Großvieh als ihr Eigentum betrachteten, so gibt es in Weiach heute nur noch 43 Landwirte, die zusammen 490 Stück Vieh besitzen.»

Lustig ist die Formulierung «als ihr Eigentum betrachteten». Wenn man den Verschuldungsgrad vieler Kleinbetriebe berücksichtigt, dann entspricht diese Darstellung den Tatsachen. Viele besassen ihre Kühe zwar. Ihr Eigentum waren sie allerdings nicht.

Dann gibt es da eine Diskrepanz zur später (an Ostern 1972) veröffentlichten Monographie (Chronik Weiach 1271-1971; Verfasser: Walter Zollinger). Dort steht:

«Um 1926 zählte Weiach 96 Viehbesitzer mit rund 550 Stück Grossvieh; bei der Zählung von 1966 waren es nur noch deren 43, allerdings mit immer noch 490 Stück Vieh; das heisst also, dass über die Hälfte der Kleinbetriebe aufgegeben und zum Teil in die verbliebenen Mittelbetriebe integriert worden sind.»

Zum Vergleich: Um die Jahrtausendwende zählte man lediglich 15 Viehbesitzer mit 127 Stück Grossvieh. Der durchschnittliche Bestand wächst also kontinuierlich, die früher selbstverständliche kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft verschwindet und die übriggebliebenen Bauern mutieren zu Agrounternehmern.

Rutschmanns Bleistiftzeichnungen

«Der Ausstellung angegliedert war eine große Kollektion Bleistiftzeichnungen des Weiachers Hans Rutschmann, der die stillen Ecken und Enden des Dorfes mit meisterhafter Hand festgehalten hat. In einem Nebenzimmer war eine Photoausstellung untergebracht.»

Hans Rutschmann ist der Gemeinde bis heute erhalten geblieben – und er zeichnet bis heute gut und gerne (vgl. WeiachBlog vom 8. Mai 2007: Das erste Titelblatt – 25 Jahre Weiacher Kunstdrucke).

Eine ausführlichere Darstellung findet man im früheren Beitrag Höbers im Zürichbieter (vgl. Quellenangaben unten)

Quellen und weiterführende Literatur
[Veröffentlicht am 16.5.2007]