Donnerstag, 27. Dezember 2018

In memoriam Mauro Lenisa

Heute um 14:30 beginnt in der evangelisch-reformierten Kirche Weiach der Trauergottesdienst für den am 17. Dezember verstorbenen Mauro Lenisa statt, vgl. WeiachTweet Nr. 1939:




Der Redaktor des WeiachBlog spricht der Trauerfamilie auf diesem Weg sein Beileid aus.

Im Gedenken an unseren ehemaligen Gemeindepräsidenten wird an dieser Stelle ein von Mauro verfasster Artikel eingerückt. Er zeigt beispielhaft auf, welche Ziele er zusammen mit seinen Gemeinderatskollegen während seiner Amtszeit von 1982 bis 1990 verfolgt hat.

Heute würde man das Nachstehende wohl ein «Leitbild» nennen. Früher nannte man das noch ganz bescheiden «Ziele». Der Sinn und Zweck bleibt aber der gleiche. Möge das damals Gesäte auch in unseren Tagen Frucht tragen.

Weiach – eine Dorfgemeinschaft verwirklicht sich

Von Gemeindepräsident Mauro Lenisa

Im Lauf der jüngsten Geschichte hat die Gemeinde Weiach verschiedene Zeitabschnitte erlebt, welche die Behörden vor jeweils unterschiedlich gelagerte Aufgaben stellten. Die sechziger und der Beginn der siebziger Jahre waren durch den Ausbau der Infrastruktur geprägt. In der Folgezeit standen der Neubau des Schulhauses und die kommunale Richtplanung zuoberst auf der behördlichen Traktandenliste.

Dieser Zeitabschnitt wurde zu Beginn der Amtszeit der jetzigen Behörde abgeschlossen. Der Gemeinderat setzte sich für die laufende Amtsperiode zum Ziel,
- die Dorfbevölkerung offen über die Belange der Gemeindepolitik zu orientieren und damit zur aktiven Teilnahme zu motivieren;
- bestehende, starre Richtlinien zu hinterfragen und zu überdenken;
- die persönlichen Kontakte und den Gedankenaustausch zu intensivieren;
- ganz allgemein das Wohlbefinden der Dorfbevölkerung zu steigern.

Offenheit in Politik und Information

Um diesem Anliegen gerecht zu werden, benötigten die Behörden ein Werkzeug. Es wurde in Form des «Mitteilungsblattes für die Gemeinde Weiach» geschaffen. Im monatlichen Rhythmus wird aus der Arbeit der Behörden berichtet. Mit persönlichen Artikeln einzelner Behördemitglieder wird auch über die Hintergründe einzelner Entscheide informiert. Die Tatsache, dass sich Leser mit Stellungnahmen zu aktuellen Problemen äussern, zeigt, dass das Mitteilungsblatt beliebt und unentbehrlich geworden ist.

Anstrengungen im Natur- und Landschaftsschutz

Der Beschluss der Grundeigentümer, die Güterzusammenlegung durchzuführen, bedeutete für die Weiacher Landwirte einen Lichtblick, ermöglicht sie doch für die Betriebe eine Planung auf lange Zeit. Güterzusammenlegungen sind aber nicht nur mit eitel Freude verbunden. Vielerorts wurde bei ihrer Durchführung der Forderungen von Natur- und Landschaftsschutz wenig Beachtung geschenkt. Den Behörden ist es ein grosses Anliegen, gemeinsam mit der Meliorationsgenossenschaft und den Grundeigentümern zu zeigen, dass eine Erhöhung der Effizienz und Produktivität in der Landwirtschaft ohne Zerstörung unserer Umwelt erreicht werden kann.

Ziel: Wohlbefinden

Wohlbefinden in einem Dorf kann mit Zusammengehörigkeitsgefühl umschrieben werden. Hier werden Gefühle und Verhalten angesprochen -  nicht Zahlen und Kurven. Zu erkennen, dass ein Gespräch oft der Frustration und Enttäuschung vorbeugen kann, ist Voraussetzung. Eine Güterzusammenlegung ohne gegenseitiges Vertrauen und ohne Gesprächswillen, z.B. zwischen Grundeigentümer und Pächter, ist kaum denkbar. Wir Weiacher scheinen dies verstanden zu haben.

Das hübsch renovierte «alte Schulhaus» brachte Platz für die Schul- und Gemeindebibliothek. Mit viel Elan versucht die neukonstituierte Bibliothekskommission, das Interesse für Kunst und Literatur zu wecken. Die übrigen Räume werden den Dorfvereinen zur Verfügung gestellt. Der warme Kachelofen lädt geradezu zu Kaffee und Kuchen ein!

In der neu erstellten Schulanlage bemühen sich zur Zeit 47 Schülerinnen und Schüler der Primarschule ums ABC. Die Schule wird in Doppelklassen geführt. Als Unikum ist zu erwähnen, dass die fünfte Klasse lediglich von einem Knaben und einem Mädchen besucht wird. Das besonders gute Verhältnis zwischen Eltern, Lehrerinnen, Schülern und Schulbehörde ermöglicht eine optimale Führung des Schulbetriebes. Die Sekundarschule, Realschul- und Oberschulstufe besuchen die Weiacher Schüler in Stadel. Leider führt der Radweg noch nicht bis ins Dorf, so dass die Schüler auf ihrem Schulweg die Hauptstrasse benützen müssen. Die Weiterführung des Radweges ist dringend notwendig.

Die Bautätigkeit hat zwar nicht abgenommen, sich aber doch eher auf Umbauten verlagert. Viele schön herausgeputzte Riegelbauten schmücken das Dorf, und die Neubauten fügen sich gut ins Dorfbild ein. Eine rege Tätigkeit hat sich in Form von Sanierungen in bezug auf das Wasser-, Abwasser- und Elektrizitätsnetz entwickelt. Die Müllbeseitigung ist in Weiach geregelt. Die Gesundheitsbehörde hat dieses Problem seit Jahren erkannt und hat auch Lösungen dazu gefunden.

Es liegt nun an jedem einzelnen, auch danach zu leben und zu handeln.

Quelle

Unpaginierte Beilage zu: Neues Bülacher Tagblatt, Mittwoch, 18. April 1984.

Mittwoch, 26. Dezember 2018

Im Wappen zwei Zacken zugelegt

Auf Anfrage einer Journalistin des Zürcher Unterländers habe ich in meinen ortshistorischen Unterlagen gegraben. Die Dame war auf der Suche nach einer Sonderbeilage des Neuen Bülacher Tagblatts: «Weiach – lebendiges Dorf in der nordwestlichen Ecke des Zürcher Unterlandes», erschienen am Mittwoch, 18. April 1984, die in der Schweizer Mediendatenbank (für Nicht-Medienschaffende unter der Marke Swissdox verfügbar) nicht enthalten ist. Ich konnte ihr den gewünschten Beitrag zur Verfügung stellen.

Ein Fehler des NBT?

So weit, so gut. Nur habe ich dann noch den nachstehenden Kasten mit dem Titel «Das Gemeindewappen» kurz überflogen und dachte mir: «Moment mal, was schreiben die denn da? Das stimmt doch nicht!» Was genau da nicht stimmt, davon handelt dieser Beitrag.


«Die älteste Darstellung des Wappens von Weiach wird im Dekanatsalbum des Pfarrkapitels Regensberg von 1719 überliefert. Es zeigt im von Silber und Blau schräggeteilten Schild einen achtstrahligen Stern. Dieser ist von Gold und Schwarz facettiert und steht in keinem bestimmten Verhältnis zum Zürcher Schild. Auf der 1843 gegossenen Kirchenglocke fehlt die Schrägteilung; es wurde lediglich ein sechsstrahliger Stern abgebildet. Die gleiche Darstellung, einen sechsstrahligen goldenen Stern auf blauem Grund, wählte man als Verzierung für die 1860 angeschaffte Fahne des Gesangsvereins Weiach. Die Wappentafel von Krauer brachte wieder den Zürcher Schild und den achtstrahligen Stern, diesmal in verwechselten Farben. Nach diesem Vorbild wurde offensichtlich das Gemeindewappen auf der Schützenfahne von 1902 gestaltet. Die Wappenkommission der Antiquarischen Gesellschaft hielt an der Version von Krauer fest. Der Gemeinderat Weiach erklärte sich am 28. November 1931 mit dem ihm eingereichten Entwurf ohne Facettierung einverstanden. Das Wappen geht wohl auf die alte Taverne «Zum Sternen» zurück.»

Lesern der Monographie «Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes» kann dieser Abschnitt bekannt vorkommen. Er ist dort zu grossen Teilen in Anhang 5 abgedruckt.

Mit Ausnahme des letzten Satzes stammt der gesamte Text dieses Kastens von Dr. h.c. Peter Ziegler  aus seinem Standardwerk «Die Gemeindewappen des Kantons Zürich» (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. 49 / 142. Neujahrsblatt; Zürich, 1977 – S. 106). Der letzte Satz ist leicht umgeschrieben aus Walter Zollingers «Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach» (1972; 1984 in 2. Auflage erschienen – S. 10) übernommen.

Hatte der Stern acht Zacken? Oder doch sechs?

Folgt man Ziegler, ist der Fall klar: die älteste erhaltene Darstellung zeige einen achtzackigen Wappenstern, der lediglich von den Einheimischen auf sechs Zacken reduziert, von Krauer dann aber wieder richtig dargestellt worden sei, nur «diesmal» halt in verwechselten Farben (d.h. gespiegelt am Zürcher Schild).

Nun ist Ziegler nicht nur in Wädenswil und am oberen Zürichsee seit Jahrzehnten eine unumstrittene Kapazität in historischer Lokalforschung. Er hat auch viel zur Geschichtsschreibung des Kantons Zürich beigetragen, ist Autor der Schulbuch-Reihe «Zeiten – Menschen – Kulturen».

Zitate einer solchen Koryphäe nimmt man als Hobbyhistoriker deshalb erst einmal für bare Münze. Bis... ja bis man auf dem indirekten Weg über das NBT auf eine Ungereimtheit stösst. Und zwar geht es um die Frage, ob die «Ursprungsform» des Weiacher Wappenstern acht oder nicht doch nur sechs Zacken (auch Strahlen genannt) aufweist. Es sei vorweggenommen, die richtige Antwort lautet «6» und Ziegler hat einen Bock geschossen.

Zieglers Fehler

Wenn man sich die aktuelle Fassung des Anhangs 5 in der dieses Jahr erschienenen 6. Auflage von «Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes» vornimmt (vgl. Bild unten), dann muss man in der Tat schon fast Tomaten auf den Augen haben, um die offensichtliche Diskrepanz zwischen Zieglers Aussage, der Weiacher Stern im Dekanatsalbums sei achtstrahlig (roter Kasten) und dem Original auf Blatt 98 des besagten Albums (weisser Pfeil auf die Abb. 36), wo der Stern eindeutig lediglich sechsstrahlig ist, zu übersehen:

Die älteste erhaltene Überlieferung gibt also dem Weiacher Wappenstern sechs Zacken, dito viele aus dem 19. Jahrhundert überlieferte lokale Objekte (Glocken, Fahnen, etc.). Das Standardwerk liegt falsch und die Journalisten des NBT sind freizusprechen.

Krauer hat doch obsiegt

Warum also hat der Weiacher Wappenstern heute acht Zacken und nicht sechs? Das haben wir Krauer zu verdanken, einem findigen Unternehmer, der um 1860 eine sogenannte Wappentafel auf den Markt warf.

Johannes Krauer war Lithograph. Und nicht unbedingt Heraldiker. So könnte es zu erklären sein, dass er nichts dabei fand, die implizit gegebene Blasonierung (also die Beschreibung der verbindlichen Elemente des Wappens - und nicht nur eine «Version», wie Ziegler das nennt) gleich in zwei Punkten eigenmächtig abzuändern, konkret: aus sechs Zacken acht zu machen und die Schrägteilung auch im Stern zu spiegeln.

Nicht ausgeschlossen ist, dass Krauer oder die von ihm Beauftragten das Dekanatsalbum gekannt haben, denn er übernimmt die dort gegebene Facettierung, eine Unterteilung der Fläche des Wappensterns, die einen 3D-Effekt ergibt:


Dank der vom Zeichner des Dekanatsalbums begangenen heraldischen Todsünde «Metall auf Metall» (goldener Stern auf silbernem Hintergrund) und seiner in den 1920ern doch schon seit einigen Jahren verbreiteten achtzackigen Version (Beispiel: Weiacher Schützenfahne von 1902) hat im Verlauf der Arbeiten der Gemeindewappenkommission zwischen den zwei Weltkriegen dennoch die Krauer'sche Blasonierung obsiegt, unser Wappen also definitiv zwei Zacken zugelegt:


Links im Bild die Weiacher Wappenpostkarte, aus einer Abfolge von Serien, die von der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich (AGZ) zwischen 1926 und 1936 herausgegeben wurde, eine neue Serie jeweils dann, wenn wieder fünf durch die zuständige Gemeindebehörde genehmigte Wappen vorlagen (vgl. Ziegler 1977 – S. 17). Man sieht, dass aufgrund des Neigungswinkels der Schrägteilung die Zacken nicht im rechten Winkel zur Papierachse stehen.

Rechts die Darstellung, wie man sie im Gemeindewappenbuch von 1977 auf S. 106 findet. In diesem ab 1969 laufenden Projekt wurde die geschwungene Oberkante begradigt, was dann zur Folge hatte, dass der Neigungwinkel steiler gestellt werden musste. Nur so konnte man den schräggeteilten Stern ins Lot stellen. Nicht geklärt ist, ob diese Version von Walter Käch (im Dezember 1970 verstorben) oder seinem Nachfolger, Heraldiker Fritz Brunner gezeichnet worden ist.

Weiterführende Links
  • Antiquarische Gesellschaft in Zürich (Hrsg.): Wappenkarte Weiach. Ansichtskarte: Strichklischee; 14 x 9,3 cm. Aus der AGZ-Wappenkarten-Serie, Zürich 1926-1936. Karte Weiach nach November 1931 (Annahmeschreiben Gemeinderat vom 28. November 1931) erschienen.
  • Korthals, M.: 75 Jahre Gemeindewappen-Kommission – Was Gemeinden im Schilde führen. In: Neue Zürcher Zeitung, 4. Januar 2001.
  • Brandenberger, U.: Dorfzeichen, Wappen und Logo. Wie unsere Gemeinde zu ihren Erkennungszeichen kam (Teil 1). Weiacher Geschichte(n) Nr. 84. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, November 2006 – S. 11-15, (Gesamtausgabe 2017 – S. 303-307).
  • Brandenberger, U.: 75 Jahre offiziell anerkanntes Wappen. Wie unsere Gemeinde zu ihren Erkennungszeichen kam (Teil 2). Weiacher Geschichte(n) Nr. 85. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Dezember 2006 – S. 14-21, (Gesamtausgabe 2017 – S. 308-315).
  • Dbachmann (Hauptautor): Wikipedia-Artikel Zürcher Gemeindewappen
  • Weiacher Wappen im Heraldry Wiki

Dienstag, 25. Dezember 2018

Beim Läuten Kopf und Kragen riskiert

Der Weiacher Sigrist riskierte Kopf und Kragen. Er gab alles für das Wohlergehen seiner Gemeinde. Das muss man zumindest glauben, wenn man den folgenden Beitrag im Lägern-Boten vom Samstag, 29. April 1865 liest:

«Als am Montag zu Weiach anläßlich eines in einer Waldung ausgebrochenen Brandes der Sigrist die S[t]urmglocke läutete, rieß [sic!] der Zugriemen entzwei und der Sigrist that in Folge dessen einen so unglücklichen Fall rücklings, daß er ein Bein brach. Der Brand ist bald gelöscht worden und hat keinen großen Schaden angerichtet.»

Der Brand und der damit einhergehende Unfall ereigneten sich also am 24. April. 

Bezeichnend ist, dass diese Kurzmeldung kein Wort über mangelnden Unterhalt des Zugriemens verliert. Es ist ja offensichtlich, dass die Kirchgemeinde da am falschen Ort gespart hatte. Auf Kosten ihres Angestellen. Auch darüber, wie es dem Verunfallten danach gesundheitlich erging, schweigt sich die Kurzmeldung unter der Rubrik Lokales leider aus. 

Zu hoffen ist, dass der Sigrist keine bleibenden Schäden davongetragen hat oder gar gestorben ist. Bei komplizierten Brüchen kam das damals häufiger vor; denn ein ausgebautes Gesundheitswesen und medizinische Wunderwaffen wie Antibiotika gab es noch nicht.

Quelle

 Lägern-Bote No. 17, Regensberg, Samstag den 29. April 1865 – S. 2.

Montag, 24. Dezember 2018

Kuhgespanne in älterer Fassung des Dorfgedichts

Ja, Weiach hat ein Dorfgedicht - mindestens eines! So muss man das wohl nennen, wenn ein paar Verse lokalpatriotischen Inhalts für Wert erachtet werden, über Jahrzehnte in den Schubladen unterschiedlicher Gemeindebürger zu schlummern.

Das Dorfgedicht, um das es hier geht, wurde unter dem Titel «Es Dörfli» 2008 in den Gemeindemitteilungen abgedruckt (vgl. den mit Kommentar versehenen Text in WeiachBlog Nr. 651 vom 23. September 2008).

Solche spontan eingesandten (und veröffentlichten) volkstümlichen Beiträge haben im 21. Jahrhundert Seltenheitswert. In den Anfangszeiten der «Mitteilungen für die Gemeinde Weiach» sind sie hingegen regelmässig zu finden. Die Redaktion (das Ehepaar Mauro und Ursula Lenisa) hat die oft handschriftlichen Zuschriften nicht selten im Original drucken lassen. So auch diese hier vom Mai 1988:

Wer den nachstehenden von Schenkel eingereichten, mit Schreibmaschine getippten Text mit dem 2008 publizierten vergleicht, erkennt die bis auf die Orthographie über weite Strecken identischen Inhalte. Ein Kommentar folgt im Anschluss:

Oises Dörfli ano 1920

1.
Es git es Dörfli, sisch z'underscht im Land,
E herzigs Nestli mit Züri verwandt.
J gsenes vormer wies artig da lit,
von Obstbäume beschattet zur Summerszit.

2.
Jm Mai doch erst wie schön isches im Mai.
Jm Blühet muesch es go g'schaue Juhei.
Jm Herbst na wenn Zwigli hanget voll Frücht.
Und alles amene prächtige Garte glicht
Und usem Garte chömed die herrliche Grücht

3.
Es Chirchli staht da, s'isch tusig nett
Jm Büehl ene luegets vom Türmli det
Es lueget fründli uf d'Hüser uf d'Lüt
Wie gester so sorgets für alli na Hüt.

4.
Von "Hofwiese" grüesst es heimeligs Hus
Fast Tägli springt d’Jungmannschaft i und us
S'wird [nöd] nu läse und schriebe drinn g'lehrt
Au d'Wisheit fürs Läbe wo so vill isch wert

5.
Jm Dorf obe chlapperet d'Mühli am Bach
Sie lauft mit der Zit verstaht ihres Fach.
Sie Mahlt und sortiert s'Mehl schmackhaft und zart
Us Cherne, usem Hasli und usem Hard.

6.
Witer une flüsst s'Bächli wieder in Teich
Es müend halt d'Wasserchreft usgnutzt sii zWeich.
E Werchstatt tribts na scho vili Jahr
Ja früener het mer det Tröschet sogar.

7.
Zur Sagi hindere gats Källe-n-uf
Am Holz fehlts nannig wos brucht für de Bruef
Me bringts vo de Bleiki, vom Sanzeberg
Vom Jsebüheli isch grad so begehrt.

8.
De Bedme i, muess mer wämmer per Bahn
Z'Visite, oder uf Züri will ga
Js Holzwerk, oder i Schäftliastält
Js Rhistedtli oder Kaiserstuhl wenns eim gfallt

9.
Gascht am Rhjhof une vorbj
Stoht es Wasserrad im Rhj
Wils elektrisch zoge is Land
Stoht sie jetzt im Ruhestand

10.
Und prachtvolli Wiese hets, Ackerland
Das ghört ja zum löbliche Buurestand
S'hett herliche Wald, nachli Rebe und Chlee
Vill Geisse und hühner, feiss Säu und schöns Veh

11.
S'isch gsuecht das fin Tafelobst wos da git
Die chreftig Milch bis i Stadt ie beliebt
D'Herdöpfel glichfals was meistens guet grat
Und s'Uebrig wo d'Landwirtschaft stellt parad

12.
Jm Früehlig natürli lockt d’Fasnachtflueh
Ganz bsunders s’Jungvolk gern zuenere ue
De Blick ufs Rafzerfeld uf de lieb Rhj
Uf Brugg und de Römer-turm ziehts eim hi

13.
Am Sunntig drum öppe wen d’Sunne lacht
Wird e sone gfreuts Türli i d’Höchi gmacht
S'wird gsunge und g'juchzet und gmüetli ta
S'wott Strüssli vo Maie e jedes na ha

14.
Dur d’wuche dur puurets vom Berg bis an Rhj
Potz wüeschte Fahne wie henkets da i
Mit Chüegspann fahrets über Land
Sie ziehend au de Pflueg durs Ackerland

15.
Obwohl ei gross Werch am andere folgt
So werdet im Summer vill Beeri gholt
Jm Stocki, im Schwendi, im Büechlihau
Und sinds derbi z'friede im Weiachergau

16.
Bim heiga wird gsunge und g'johled derbj
Dass es tönt bis äne an Rhj
Heubeerirolle - Chrätte hämer volle
Und Buschle i der Hand und es Mul es ischt e Schand

17.
Drum wämers nu grad eso mache wie sie
Und wöisched mer Gottessägä na dri
Und leged mer alles i sini Hand
Eusers so liebi W e i a c h e r l a n d .

Kommentar Anno 2018

Strophen 9, 11 und 16 nach der Fassung Schenkel (s. oben) sind in der Fassung Wagner (vgl. WeiachBlog Nr. 651) nicht enthalten. Möglich - ja wahrscheinlich - ist es, dass sie direkt von Schenkel stammen, erwähnt er doch in seinem handschriftlichen Kommentar selber, er habe das Gedicht «erweitert».

In Strophe 9 bringt Schenkel die Sprache auf das Wasserrad im Rhein beim Rhihof, welches gemäss Lagerbuch der Gebäudeversicherung 1912 einem Hochwasser zum Opfer gefallen ist (möglicherweise bereits 1910; vgl. Wasserrad beim Rheinhof weggeschwemmt, WeiachBlog Nr. 859 vom 15. Juni 2010; Bild des Wasserrads: vgl. http://doi.org/10.3932/ethz-a-000131290; im Mai 1925 postalisch gelaufen). Schenkel sagt im Gedicht einerseits, dieses Rad habe noch in den 1920ern bestanden und sei letztlich der Elektrifizierung zum Opfer gefallen, bzw. deswegen ausser Betrieb gesetzt worden (die Elektrizitätsgenossenschaft Weiach gibt es seit 1912). Vielleicht handelt es sich um ein nicht mehr versichertes Nachfolgeobjekt.

Mit der «Brugg» (bei Wagner nicht erwähnt) ist in Strophe 12 die Kaiserstuhler Rheinbrücke gemeint. «Römerturm» ist der (irreführende) volkstümliche Name des mittelalterlichen Oberen Turms, dem weithin sichtbaren Wahrzeichen des Städtchens.

Es dürfte auch so sein, dass es sich bei der Schenkelschen Vorlage tatsächlich um einen älteren Text handelt. Wo nämlich an entsprechender Stelle (Strophe 14) bei Schenkel steht: «Mit Chüegspann fahrets über Land. Sie ziehend au de Pflueg durs Ackerland» ist bei Wagner dieser Passus durch: «Scho mängi Aarbet muess eläktrisch gaa. Mit Raat und Taat gänd d’Eltere naa.» ersetzt worden.

An dieser Modernisierung widerspiegelt sich indirekt der technologische Wandel, der bereits in den 1950er-Jahren Kuhgespanne zu einer aussterbenden Kuriosität gemacht hatte (darüber hat Walter Zollinger in seinen Jahreschronik 1959 geschrieben, vgl. WeiachBlog Nr. 680 vom 1. Oktober 2009).

Noch in den 1920er-Jahren aber, wo Schenkel die Entstehungszeit des Dorfgedichts ansetzt, dürften angesichts der damals noch vorherrschenden kleinbäuerlichen Strukturen vorgespannte Kühe gang und gäbe gewesen sein. So wie schon Mitte des 19. Jahrhunderts, wie es in der sog. Ortsbeschreibung 1850/51 zum Ausdruck kommt:

«Unter allen Hausthieren sind die armen Kühe am meisten zu bedauern, die Pflug und Wagen der kleinen Landwirthe allein schleppen und zugleich die ganze Haushaltung sammt denen, die draussen harren, mit hinreichender Milch versehen sollten, was den guten und willigen Thieren um die schwere Zeit ein etwas bedenkliches Aussehen gibt.» (Ortsbeschreibung Weiach, Abschnitt VII Viehzucht von Hans Heinrich Willi, Vieharzt)

In Schenkels Strophe 15, 3. Zeile, wird der Flurname «Büechlihau» erwähnt. Bei Wagner steht an selbiger Stelle (wohl verschrieben) «Büechli au», was so natürlich keinen Sinn macht. «Stocki» und «Schwendi» sind gleichfalls dorfnahe Waldstücke. Eine sinnentstellende Auslassung kennt auch die Fassung Schenkel in Strophe 4. Die fehlende Negation ist deshalb in eckigen Klammern ergänzt.

Auch die Strophe 16 wirkt schon vom Dramaturgischen her wie nachträglich eingebaut. Denn da kommt schon wieder Gesang und - diesmal gar: «Gejohle» vor.

Damit bleibt mir an Heiligabend nur noch eins übrig: mich dem in Strophe 17 geäusserten Wunsch nach Gottes Segen anzuschliessen.

Quelle

Schenkel, Joh.: Oises Dörfli ano 1920. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Mai 1988 - S. 4-5.